Die Entnazifizierung in der US-Zone

Probleme einer Entnazifizierung

Wer war Nazi?   Was ist eigentlich Nazi?
Die Mitgliederarchive der NSDAP waren fast vollständig in Händen der Sieger! galt jedes Mitglied als Verbrecher (=6 Mio) oder auch die Mitglieder der nationalsozialistischen Organisationen (= 16 Mio. Mitglieder)? Sollten nur Funktionäre (=250000) oder nur Spitzenfunktionäre (ca.5000) oder nur Kriegsverbrecher strafrechtlich verfolgt werden. Gelten bereits Helfer in der Beamtenschaft und dem Militär ohne Mitglied der NS-Organisationen zu sein als Belastete? Wie sollte das differenziert werden? Einzelfallbeweise oder Pauschalurteile? Reichte die Mitgliedschaft oder musste eine konkrete Tat nachgewiesen werden? Eigentlich waren alle irgendwie involviert! Wer sollte dann die Verwaltung aufrecht erhalten, um ein Überleben in den Trümmern zu sichern? Wer sollte Unterricht halten, wo doch ca. 90% der Lehrer in NS-Organisationen gewesen waren?
Die USA entschieden sich für den schwersten weg: die Einzelfalluntersuchung!

Der Entnazifizierungs-
fragebogen

Jeder bekam einen Entnazifizierungsfragebogen zum Ausfüllen. Die Angaben mussten von einem entnazifizierten Bürger oder einem Verfolgten oder Exilanten verbürgt werden. Die Angaben wurden dann mit den Mitgliedslisten der NS-Organisationen abgeglichen. Der Unbelastete konnte wiederum anderen bei der Entlastung helfen. Diese Hilfe galt als "Persilschein"! Durch die Befragung wurde riesige Aktenberge angehäuft. Die Untersuchungen zogen sich in die Länge.

Das Ergebnis

Von 6 000 000 Fragebogen in der gesamten us-Zone wurden 3,6 Mio. bearbeitet. Diese erbrachten, in 5 Kategorien eingeteilt, als Ergebnis:
1667 Hauptschuldige
23060 Belastete
150425 Minderbelastete
1005874 Mitläufer
1213873 Entlastete

Statistische Angaben zum Stand der Entnazifizierung in Hessen zum 31. Oktober 1949
Meldebogenpflichtig 3.222.922
Vom Gesetz [zur Befreiung vom Nationalsozialismus] betroffen 934.938
Davon: Hauptschuldige 416
  Aktivisten 5.350
Minderbelastete 28.208
Mitläufer 133.722
Entlastete 5.279
Amnestien/eingestellt 663.273
Sühnebescheide 117.680

Aus: Armin Schuster: Die Entnazifizierung in Hessen 1945 - 1954. Wiesbaden: Historische Kommission für Nassau 1999, S. 368


Die Hauptschuldigen wurden einer genauen strafrechtlichen Untersuchung zugeführt und   größtenteils abgeurteilt. Die Mitläufer wurde pauschal bestraft. Geldstrafen und Entfernung aus dem öffentlichen Dienst mit Berufsverboten! Die Fälle der mittleren Kategorien wurden größtenteils zurückgestellt und 1949 nach Gründung der BRD an die Behörden der BRD übergeben. Diese stellte die Verfahren ein. Eine weitere Aufarbeitung unterblieb. Nazis aus der französischen und britischen Zone blieben meist verschont! Viele Kriegsverbrecher entkamen mit gefälschten Papieren und unter Hilfe von Nazihilfsvereinen (auch der Kirchen) ins südamerikanische Ausland. Viele, vor allem Wehrmachtangehörige, tauchten unter. Weitere Untersuchungen in der BRD unterblieben bis Ende der 50er Jahre. Die Regierung Adenauer und die Bevölkerung der BRD verdrängten das Problem der Vergangenheit. Die Verbrechen wurden zu Kriegshandkungen erklärt und mit Taten der UdSSR aufgewogen. Die Vertreibungsgreuel entschuldigten scheinbar alle Naziverbrechen. Dieses gestörte Verhältnis zu den Verbrechen, dieser kollektive Schulterschluss vieler Deutschen mit Naziverbrechern dauert bis heute an! (Siehe Reaktion auf Wehrmachtsverbrechenausstellung in München)

späte Aufarbeitung

Erst ab den 60er Jahren wurden die schlimmsten Naziverbrechen in großen Prozessen aufgearbeitet. Der Auschwitzprozess machte den Auftakt! Da die Verjährung ab 1970 die Verfolgung erschwerte, wurde diese für Mord in der BRD aufgehoben. So kommt es selten bis heute zu Verfahren gegen Naziverbrecher!