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Die neue Ostpolitik |
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Ziele |
- Die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn gestalten wie die Aussöhnung mit
Frankreich.
- Den Kalten Krieg in Deutschland überwinden.
- Die Folgen der Spaltung Deutschlands für die Menschen in West und Ost erträglicher
gestalten.
- Von einem Gegeneinander über nebeneinander zu einem miteinander in Deutschland kommen
und damit die Spaltung überwinden.
- Mit der UdSSR über Erleichterungen in Europa und Deutschland reden und die
Verbesserungen vertraglich absichern.
- Deutschland als Hauptkriegsschauplatz des Kalten Kriegs und eines möglichen 3.
Weltkriegs sicherer machen.
- Frieden für die Welt.
- Aufnahme in die UNO
- Humanisierung der innerdeutschen Beziehungen
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Durchführung |
Die Regierung Brandt/Scheel sichert sich in einem ersten Schritt bei den
Bündnispartnern (vor allem USA) ab und garantiert die Fortsetzung der
Westintegrationspolitik (Dezember 1969 bis Februar 1970). Aufnahme von Gesprächen mit der
östlicher Vormacht, mit der die BRD seit 1955 über diplomatische Beziehungen verfügt
(Adenauerreise nach Moskau). Kanzleramtsminister Egon Bahr sondiert in Moskau ein Treffen
Breshnew und Brandt. Davor Reise Scheel nach Moskau. Delegationen bereiten einen Vertrag
vor. Nach diesen erfolgreichen Gesprächen über eine vertragliche Regelung verbesserter
Beziehungen beginnen Gespräche über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den
anderen Ostblockstaaten, zu denen mit Ausnahme Rumäniens keine Beziehungen bestanden. Die
Gespräche führen schnell zu konkreten Ergebnissen, da alle Ostblockstaaten an diesen
interessiert sind! (Ziele des Ostblocks: Anerkennung ihres Systems, Gleichberechtigung,
Anerkennung aller Grenzen, Wirtschaftshilfe und technisches Know How durch Handel und
Investitionen, Überwindung des teuren Kalten Kriegs mit Wettrüsten) Bereits 1970 werden
mit Moskau die Verträge paraphiert (= ausgefertigt und unterschrieben), ebenso die mit
Warschau. In diesem Zusammenhang Reise Brandt nach Warschau, der durch Niederknien am
Ehrenmal der Opfer des Warschauer Aufstandes die Toten Polens im 2. Weltkrieg ehrt und
sich damit für die Verbrechen Deutschlands im Krieg entschuldigt. Diese Geste erleichtert
alle weiteren Gespräche im Ostblock. Parallel zu diesen Gesprächen laufen Verhandlungen
zwischen beiden deutschen Staaten. Schon 1969 Besuch Brandts in Erfurt (!nicht in
Ostberlin, das nicht als Hauptstadt anerkannt wird!). 1970 begannen auch Gespräche der
Mächte des Potsdamer Vertrags über die Situation und Rechtslage Berlins
begonnen. |
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Probleme |
Alle Verhandlungen wurden von der deutschnationalen Opposition als
Ausverkauf deutscher Interessen und als Verzichtpolitik verurteilt. Brandt wurde als
Verräter und Handlanger Moskaus denunziert. Die Vertriebenenverbände, die CSU und Teile
der CDU versuchten die Verträge zu stoppen.
Die Aussöhnung war wegen der Vertreibung und der Verbrechen im Zusammenhang damit sehr
schwer. Jede Grenzanerkennung, jede Akzeptanz des Status Quo ( = gegenwärtiger Zustand)
musste auf einen Verzicht auf alle Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze
hinauslaufen. Dieser fiktive Anspruch war von der Regierung Adenauer im Kalten Krieg immer
wieder betont und vertreten worden, so dass die Verbände der Schlesier, der Ostpreußen
und der Pommern gegen alle Aussöhnung unter Verzicht ihrer"Heimat" agitierten.
Die rechten Medien in der BRD unterstützten diese Kampagne gegen die sozialliberale
Regierung.
In Polen und der UdSSR bestanden wegen der vielen Opfer deutscher Verbrechen während des
Krieges und unter dem Deckmantel des Krieges große Vorbehalte. Die BRD war in der
Kalten-Kriegs-Propaganda immer wieder als Fortsetzung des faschistischen Deutschlands
bezeichnet worden, so dass viele den Wandel zur Annäherung nicht verstanden. Im Ostblock
waren diese Probleme aber leichter zu beseitigen, da der Staat einfach den abhängigen
Medien eine neue Linie verordnete.
Im Westen wurden Bedenken gegen einen Sonderweg der BRD zwischen den Blöcken laut.
Das Land Bayern klagte in Karlsruhe beim BVG (Bundesverfassungsgericht) gegen die
Ostverträge. Nach Austritten aus der FDP (3) und der SPD(3) aus Protest gegen die Politik
Brandts und Scheels verlor die Regierung die Mehrheit im Parlament. Die Opposition unter
Rainer Barzel versuchte die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Dies wurde
damals vielfach als Putschversuch betrachtet. Das konstruktive Misstrauensvotum
scheiterte jedoch an undurchsichtigen Umständen. Es stand im Bundestag 248 zu 248! Dieses
Patt verhinderte auch die Verabschiedung des Haushaltes 1972.
Die Ratifizierung der Ostverträge schien unmöglich, da dazu eine Mehrheit notwendig
gewesen wäre. Das BVG beurteilte alle Ostverträge für verfassungsgemäß, da jede
Regierung in der Erreichung eines Zieles frei ist und da die Vereinbarungen nicht gegen
die Präambel des
Grundgesetzes (Wiedervereinigung ist Ziel aller Politik der BRD) verstoßen.
Nach dieser Entscheidung und einem Brief, den der Deutsche Bundestag als gemeinsame
Erklärung aller Parteien den Verträgen hinzufügt, stimmt die halbe CDU-Fraktion den
Ostverträgen zu und sichert so die Ratifizierung. Allerdings wird nach einer verlorenen
Vertrauensfrage für Brandt das Parlament aufgelöst und vorzeitige Neuwahlen
ausgeschrieben, die die SPD zum ersten mal als stärkste Partei gewinnt. |
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Verträge |
Moskauer Vertrag 1970 BRD_UdSSR
Warschauer vertrage 1970 BRD-Polen
Transitabkommen 1971 BRD-DDR
4-Mächte-Abkommen 1972 Juni USA-F-GB-UdSSR
Grundlagen Vertrag 1972 Dezember BRD-DDR
Verkehrsvertrag 1972 BRD-DDR
Prager Vertrag 1973 BRD-CSSR |
1970
bis
1973 |
Struktur aller Ostverträge |
Im Prinzip sind alle Verträge ähnlich aufgebaut:
Nach einem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit (=Gewaltverzicht) in der Beziehungen folgt ein
Bekenntnis zu wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen auf
gleichberechtigter Ebene. Es werden diplomatische Kontakte aufgenommen (Austausch:
Botschafter oder mit DDR ständige Vertreter). Außerdem erkennen beide Seiten die
bestehenden Grenzen als unverletzlich an, was eine völkerrechtliche Anerkennung
vermeidet, diese aber konkludent beinhaltet.
Die Verträge mit der DDR regeln ganz konkret die Beziehungen der DDR zu Berlin und zur
BRD. Die Rechte der BRD in Westberlin und die Reisemöglichkeiten zwischen den Staaten und
die Benutzung der Transitwege. |
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Wertung |
Die Ostverträge bringen wie die Aussöhnung mit Frankreich und den
anderen Westsiegern auch einen Schlussstrich unter den 2. Weltkrieg. Dessen Folgen werden
aber nicht überwunden (Teilung Deutschlands, Gebietsverluste im Osten). Der Kalte Krieg
ist in Deutschland damit praktisch beendet, eine Zusammenarbeit in Deutschland zu Wohle
der Menschen beginnt. |
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konkrete Ergebnisse |
- Der Transitverkehr Berlin - BRD läuft unbehindert
- alle Westberliner werden von der BRD konsularisch mitvertreten
- Reisemöglichkeiten der Westberliner nach Ostberlin und die DDR
- Reiseerleichterungen zwischen der BRD und der DDR (mehr Grenzübergänge)
- Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger über 65 und Familienzusammenführung durch Umzug
Ost nach West
- Handelsbeziehungen BRD zu allen Ostblockstaaten
- Kulturaustausch (Goethegesellschaft in Moskau, Theater und Künstleraustausch
- Sportaustausch (erstmalig eine DDR-Mannschaft neben einer BRD-Mannschaft bei Olympischen
Spielen in München)
- Botschafteraustausch
- beide deutschen Staaten in die UNO aufgenommen
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