1868
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entstehen in Deutschland der liberale Hirsch-Dunckersche
Gewerkschaftsverein, die Freien Gewerkschaften, die der
SPD nahe stehen, und 1894 christliche Gewerkschaften, unterstützt von der Zentrumspartei.
Sie fordern die Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, leisten Hilfe in Notfällen und verwenden den
Streik als Kampfmittel.
Weitere Selbsthilfeeinrichtungen sind Konsumvereine und
genossenschaftliche Organisationen, wie die geplanten
Produktionsgenossenschaften Lassalles (S.•), die Einkaufs-, Verkaufs- und
Kreditgenossenschaften, die Hermann Schulze-Delitzsch (1808-93) für Handwerker und
Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-88) für die bäuerliche
Bevölkerung in Deutschland einrichten.
Die Kirchen appellieren an die christliche Nächstenliebe
und an das Gewissen der Besitzenden, Papst Leo XIII.
(1878-1903) ruft in seiner Sozialenzyklika »Rerum Novarum« 1819 zur christlichen Verantwortung für die Armen
auf. Bischof Wilhelm Ketteler (1811-76) von Mainz tritt für
staatliche Hilfe an sozial Schwache ein. Theodor Fliedner
eröffnet 1836 die erste Diakonissenanstalt, die sich zusammen mit der »Inneren MissionK (1848 gegründet) und der
katholischen »Caritas« (1897 gegründet) der Alters- und
Krankenhilfe annimmt. Johann Wichern (1808-81) gründet
in Hamburg das »Rauhe Haus« für Waisenkinder, und
Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) übernimmt die
Betheler Anstalten. Daneben kommt es 1846 zur Bildung
von katholischen Gesellenvereinen des Pfarrers Adolf Kolping (1813-65) sowie zur Einrichtung von evangelischen
(1882) und katholischen Arbeitervereinen (1884). 1878
wird in England die Heilsarmee von William Booth gegründet. Vereinzelt haben auch sozial gesinnte Unternehmer,
wie Robert Owen (1771-1858) in England, Friedrich Harkort, Alfred Krupp und Ernst Abbe in Jena (Zeiß-Werke)
durch betriebliche Maßnahmen (Betriebskrankenkassen, Altersversorgung,
Werkskantinen und -wohnungen) soziale Verbesserungen erreicht.
Entscheidende Bedeutung für die politische Arbeiterbewegung gewinnt die Lehre von Karl Marx (1818-83) und
Friedrich Engels (1820-95), die im »Kommunistischen Manifest« (1847) verkündet und in dem Werk »Das Kapital«
von Marx (1867-83) dargestellt ist.
Im Gegensatz zum »utopischen Frühsozialismus« der Franzosen Saint Simon (1760-1825), Louis Blanc (1811-82) und
Pierre Proudhon (1809-65, "Eigentum ist Diebstahl"), bezeichnet Marx seine Lehre als »wissenschaftlichen
Sozialismus«, da er der Auffassung ist, dass der Geschichtsprozess
gesetzmäßig verlaufe, daher zu erkennen und vorherzusagen
sei. Nach seiner Lehre führt die Ausbeutung des Arbeiters zu einer
zunehmenden Verelendung der Massen, da der Unternehmer diesen den Mehrwert ihrer Arbeit vorenthält, aber
auch zur Konzentration des Kapitals in wenigen Händen.
Dies führt zur Überproduktion und zu Krisen, die den
Zusammenbruch des Kapitalismus erzwingen. In dieser
Phase übernimmt das »Proletariat (lat. proles = Nachkommenschaft, S. •) die
Herrschaft, enteignet und vergesellschaftet die Produktionsmittel. Die Entwicklung endet in der
klassenlosen kommunistischen Gesellschaft, dem Endzustand der Geschichte, in
dem Gerechtigkeit und Menschlichkeit der Gesellschaft wiedergewonnen werden. |
Wilhelm Ketteler
Karl Marx
Friedrich Engels
Ferdinand Lasalle |