Deutschland zwischen den Weltkriegen
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1919
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Die Weimarer Republik
19.1. Wahlen zur Nationalversammlung. Sie bringen den demokratischen
Parteien (DDP,- Zentrum, SPD) einen hohen Wahlsieg (s. Statistik).
Feb. Zusammentritt der Nationalversammlung in Weimar, der
Wirkungsstätte Goethes und Schillers. Wahl Friedrich Eberts (1871-1925) zum
ersten Reichspräsidenten. Bildung der Weimarer Koalition zwischen SPD, DDP
und Zentrum. Der Antrag Österreichs über einen Anschluss an Deutschland wird
angenommen, aber von den Siegermächten verboten.
März-Apr. Erneute Straßenkämpfe in Berlin zwischen Anhängern des
Rätesystems und den rechten Freikorpsverbänden. In München Ausrufung einer
»Bairischen Räterepublik« und Gründung einer Roten Armee. Der Einsatz von
Militär und Freikorps führt zur Niederwerfung der Revolution im Mai 1919.
Juli. Annahme der von dem Staatsrechtler Hugo Preuß ausgearbeiteten
Verfassung mit 262:75 Stimmen der
DNVP, DVP, USPD in der Nationalversammlung. Deutschland wird eine
parlamentarische Republik mit einer
starken Stellung des Reichspräsidenten (Oberbefehl über das Heer, Ernennung
und Entlassung des Reichskanzlers, Notstandsrecht, das die Möglichkeit einer
Präsidialdiktatur bietet) in der Nachfolge des Kaisers, aber auch mit Recht
auf Volksbegehren und Volksentscheid, mit Grundrechten, allgemeinem
Wahlrecht nach dem Verhältniswahlsystem, Frauenwahlrecht, Wahl des
Reichspräsidenten durch das
Volk, Einschränkung der Länderhoheit zugunsten der Zentralgewalt. Die
Republik entsteht unter ungünstigen Bedingungen: Sie muss die Lasten des
verlorenen Kriegs tragen, weite Teile der Bevölkerung stehen ihr ablehnend
oder zurückhaltend gegenüber, radikale Kräfte von links und rechts bekämpfen
sie. So erlebt Deutschland in den ersten Jahren eine Zeit innerer Wirren.
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1920 |
März. Kapp-Putsch. Der konservative
preußische Staatsbeamte Kapp bildet mit Unterstützung der zur Entlassung
anstehenden Marinebrigade Erhardt in Berlin eine Gegenregierung. Da die
Reichswehrführung unter General von Seeckt sich weigert einzugreifen
(»Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr«), weicht die Regierung nach Stuttgart
aus. Durch einen von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik bricht
der Putsch zusammen.
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1921 |
Jan. Konferenz von London. Festlegung
der Reparationszahlungen auf 132 Mia Goldmark in 42 Jahresraten. Ein
Ultimatum erzwingt die Annahme.
März-Mai. Kommunistische Aufstände in Mitteldeutschland und in
Hamburg.
Aug. Ermordung des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger. |
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1922
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Apr. Vertrag von Rapallo mit der UdSSR:
Gegenseitiger Schuldenverzicht. Damit scheitert der Versuch Frankreichs, die
Vorkriegsschulden Russlands auf Deutschland abzuwälzen. Staatsrechtliche
Anerkennung der UdSSR, Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen und im
weiteren Verlauf Ausbildung deutscher Soldaten an verbotenen Waffen in der
UdSSR. Der Vertrag ist ein erster Schritt zur Revision des Versailler
Friedens.
Juni. Ermordung des deutschen Außenministers Walter Rathenau als
»Erfüllungspolitiker« und Jude durch rechte nationalistische Gruppen. |
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1923 |
Die Geldentwertung (Inflation) als Folge der im
Krieg betriebenen Anleihepolitik und Reparationsleistungen er-
reicht ihren Höhepunkt (1 Dollar = 4.2 Billion Papiermark).
Jan. Ruhrbesetzung und Ruhrkampf. Da Deutschland die geforderten
Reparationslieferungen an Holz und Kohle nicht voll erfüllt hat, besetzen
französische Truppen das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung verkündet den
passiven Widerstand, der aber im Sep. durch die neue Regierung unter
Reichskanzler Gustav Stresemann (1878-1929) aus finanziellen Gründen
abgebrochen wird. Die Unterstützung der nicht arbeitenden Beamten,
Angestellten und Arbeiter verschärft die Inflation.
Okt. Mit Förderung Frankreichs werden von Separatisten die Rheinische
Republik und ein autonomer Pfalzstaat ausgerufen. Unruhen in Thüringen und
Sachsen. Offene Auflehnung der sächsischen Regierung (SPD, KPD) gegen die
Errichtung des Ausnahmezustands. Einmarsch der Reichswehr. Straßenkämpfe in
Hamburg zwischen Kommunisten und Polizei.
Nov. Putschversuch Hitlers in München. Hitler, der 1920 die in
München gegründete NSDAP übernommen und seitdem durch seine Agitation rasch
Anhänger gewonnen hat, erklärt am 8.11. die Regierung Bayerns und des Reichs
für abgesetzt und ernennt sich zum Reichskanzler. Durch einen Marsch auf
Berlin will er nach Mussolinis Vorbild die Macht an sich reißen. Trotz
Ludendorffs Teilnahme scheitert der Putsch an der Feldherrnhalle durch den
Einsatz von Polizei. Hitler wird zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt,
Ende 1924 entlassen, Ludendorff freigesprochen.
Eine Währungsreform beendet die Inflation. Die neue Rentenmark wird durch
Belastungen des Privateigentums an Produktionsmitteln gedeckt. Rücktritt
Stresemanns, der aber bis 1929 in den wechselnden Regierungen Außenminister
bleibt. |
Stimmzettel zur Reichstagswahl 1924 |
1924
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Aug. Im Dawes-Plan wird die Rückzahlung
der Kriegsschulden an die USA sichergestellt und die Höhe der
Reparationszahlungen Deutschlands auf jährlich 2.5 Mrd. Goldmark
festgesetzt. Dafür werden die deutsche Industrie, die Reichsbahn mit
Hypotheken belastet und Zölle und indirekte Steuern als Sicherheit
verpfändet. Deutschland erhält eine erste Anleihe von 800 Mio Goldmark. Die
Ruhrbesetzung wird aufgegeben. |
1925
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Feb. Tod des Reichspräsidenten Ebert.
Apr. Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Kandidat der
Rechtsparteien, wird vom Volk zum neuen Reichspräsidenten gewählt.
Okt. Vertrag von Locarno. Die Konferenz europäischer Staaten in
Locarno, u. a. Deutschland (Stresemann),
Frankreich (Briand), Italien (Mussolini), England (Chamberlain) bringt die
vertragliche Garantie der bestehenden Westgrenze gegen Frankreich und
Belgien und der Entmilitarisierung des Rheinlands. Gegenüber Polen
verzichtet Deutschland auf eine gewaltsame Änderung der Grenze und erkennt
Frankreichs Verträge mit Polen und der CSR an. Der Vertrag ist Teil der
Revisionspolitik Stresemanns und führt zur zonenweisen Räumung des besetzten
linksrheinischen Gebiets bis 1929 und zur Aufnahme Deutschlands in den
Völkerbund 1926, wo es einen ständigen Ratssitz erhält. Die
Locarnobeschlüsse leiten eine Entspannung in Europa ein, erfahren aber
scharfe Ablehnung durch die Rechtsopposition in Deutschland (DNVP, NSDAP)
und in Frankreich. |
Locarno |
1926 |
Apr. Ein Neutralitätsvertrag mit der
UdSSR beseitigt deren Bedenken gegenüber dem Locarnopakt als mögliches
Bündnis Deutschlands mit den westlichen Staaten gegen die UdSSR. 1926-29 Ein
zunehmender wirtschaftlicher Aufschwung und eine politische Stabilisierung
der Verhältnisse in Deutschland wird spürbar.
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1928
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Unterzeichnung des Kellog-Pakts durch
Stresemann, der eine Ächtung des Kriegs als Mittel der Politik verkündet. |
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1929 |
Youngplan: Auf einer Reparationskonferenz in
Paris werden die deutschen Reparationszahlungen auf jährlich etwa 2 Mia
Goldmark bis 1988 festgesetzt. Die Höhe des jährlichen Betrags entspricht
den jährlichen Kriegsschuldenzahlungen der Siegermächte an die USA.
Sep. Briand legt auf der Völkerbundsversammlung den Plan eines
Vereinigten Europa vor, der aber vor allem von England abgelehnt wird.
Unterstützung des Plans durch Stresemann.
Okt. Tod Gustav Stresemanns.
25.10. Der Börsenkrach in den USA (S. Z) löst die
Weltwirtschaftskrise aus, von der Deutschland wegen der starken Bindung
seiner Wirtschaft durch kurzfristige Kredite aus den USA besonders hart
betroffen wird.
Dez. Der gegen den Youngplan von seiten Hitlers und Hugenbergs (DNVP)
eingeleitete Volksentscheid scheitert, zeigt aber die Einbindung Hitlers in
das bürgerlich-deutschnationale Lager. |
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1930 |
März. Hindenburg ernennt Heinrich
Brüning (1885-1970) zum Reichskanzler. Er versucht, gestützt auf den
Reichspräsidenten, nach Art. 48 der Verfassung mit Notverordnungen die Krise
zu bekämpfen, da ihm die Parteien wegen seiner unpopulären Maßnahmen die
Unterstützung versagen (Präsidialdiktatur). Seine deflationistische
Wirtschaftspolitik mit Senkung von Löhnen und Gehältern, Herabsetzung der
Preise, der Staatsausgaben und Arbeitslosenunterstützung sowie
Steuererhöhungen halten zwar die Währung stabil, bleiben aber ohne Wirkung,
da sich das Ausland durch Schutzzölle den Exporten verschließt (S.•).
Erhöhung der Arbeitslosenzahlen bis 1932 auf ca. 6 Mio (=31 % der
Erwerbstätigen) und zunehmende Radikalisierung sind die Folgen.
Sep. Die Reichstagswahl bringt den Anstieg der NSDAP von 12 auf 107
Sitze, der KPD von 54 auf 77 Sitze. Die demokratischen Parteien haben keine
Mehrheit mehr im Parlament. |
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1931
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Okt. In der Harzburger Front aus NSDAP,
DNVP und dem Frontkämpferbund »Stahlhelm« sammelt sich die
»Nationale Opposition« gegen die Weimarer Republik. Als Gegenmaßnahme
gründen Gewerkschaften und SPD die »Eiserne Front« und das »Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold« zur Verteidigung der Republik gegen die SA-(Sturmabteilung)
Miliz Hitlers.
Mai. Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank. Ein allgemeiner
Zusammenbruch der Banken wird durch Auszahlungssperren verhindert. Juli. Der
US-Präsident Hoover verkündet den Zahlungsaufschub für alle internationalen
Zahlungsverpflichtungen (Hoover-Moratorium). |
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1932 |
Apr. Wiederwahl Hindenburgs zum
Reichspräsidenten als Kandidat der demokratischen Parteien mit 19.4 Mio
Stimmen gegen Hitler mit 13.4 und Thälmann .(KPD) mit 3.7 Mio. Die
Wehrorganisationen des NSDAP (SA, SS) werden verboten.
Mai. Entlassung Brünings durch Hindenburg, der damit dem Drängen der
Gegner von Brünings Sanierungspolitik des ostelbischen Großgrundbesitzes
nachgibt.
Juni. Berufung Franz von Papens (1879-1969) zum Reichskanzler.
Bildung des »Kabinetts der nationalen Konzentration«, einer reinen
Präsidialregierung ohne Rückhalt im Reichstag. Er löst den Reichstag auf und
hebt das SA- und SS-Verbot auf, um Hitler für sich zu gewinnen.
Juli. Die SPD-Regierung in Preußen unter Braun wird durch
Notverordnung abgesetzt, Papen übernimmt das
Amt des Reichskommissars für Preußen. Die NSDAP erreicht in den
Reichstagswahlen 230 Sitze (37.8 %) und wird stärkste Fraktion. Hindenburg
lehnt Hitler als Kanzlerkandidaten ab, Hitler das ihm von Papen
angebotene Vizekanzleramt. Ohne Reichstagsmehrheit löst Papen den Reichstag
erneut auf.
Die Konferenz in Lausanne hebt bis auf eine Restschuld von 3 Mia die
Reparationszahlungen auf (bisher nach deutschen Angaben 53 Mia bezahlt).
Nov. Die Reichstagswahlen bringen der NSDAP einen Rückgang auf 196
Mandate, aber keine Regierungsmehrheit für Papen. Deshalb tritt Papen
zurück, nachdem sein Plan einer »autoritären« Regierung, gestützt auf die
Reichswehr, gescheitert ist.
Dez. Hindenburg ernennt Reichswehrminister General von Schleicher
(1882-1934) zum Reichskanzler. Er versucht Reichswehr, Gewerkschaften und
den linken Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser zu gewinnen, scheitert
aber.
Die Genfer-Fünf-Mächte-Konferenz erkennt die militärische Gleichberechtigung
Deutschlands im Rahmen einer Gesamtabrüstung an. |
Arbeitssuche
Reichspräsidenten-wahl |
1933 |
4.1. Vereinbarung zwischen Hitler und Papen im
Haus des Bankier Schröder über eine gemeinsame Regierungsbildung und den
Sturz Schleichers.
22.1. Hitler gewinnt den Sohn Hindenburgs für eine Regierung
Hitler-Papen.
30.1. Hindenburg beruft Hitler zum Reichskanzler. Dies bedeutet das
Ende der Weimarer Republik.
Die Erschütterung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat durch die
Weltwirtschaftskrise, die daraus erwachsende Radikalisierung breiter
Schichten, durch Agitation von Rechts geschürt, die fehlende Verbundenheit
weiter Kreise des Volks mit der Demokratie aufgrund der langen
obrigkeitsstaatlichen Tradition in Deutschland, die Furcht breiter Schichten
vor sozialem Abstieg und vor einer kommunistischen Revolution sowie die
Schwächen der Verfassung sind wesentliche Ursachen für den Zusammenbruch der
Weimarer Republik. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war die Tat
einzelner Politiker und der hinter ihnen stehenden konservativen Kreise der
Wirtschaft. Sie wollten Hitler für ihre Ziele (Wiederbelebung der
Wirtschaft, Ausschaltung von Gewerkschaften und Kommunisten) benutzen, in
der Hoffnung, ihn gleichzeitig zähmen zu können. Hitler kam formal legal an
die Regierung, aber es entsprach nicht dem Geist einer demokratischen
Verfassung, einen ihrer Gegner an die Spitze des Staates zu stellen, dessen
erklärte Absicht es
war, diese Verfassung und diesen Staat zu beseitigen. |
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