Besuch in Delphi

  bearbeitet von Thomas und Marianne  
intern:

Rekonstruktion des hl. Bezirks von Delphi
Graphik nach: Pausaniou Helados Perihegesis, Athen 1981, S. 317 f.

 
genauerer Plan von Delphi mit Erklärungen
Ergebnis Gruppe Nadia

  Blick von Delphi nach Süden zum Meer

Luftaufnahme von Delphi
 

Ich besuchte das Orakel von Delphi

Ich bin ein treuer Soldat eines mächtigen Königs. Dieser König regiert über Phrygien. Vor einiger Zeit drohte Krieg zwischen unserem und unserem Nachbarreich, dem Reich der Perser. Der König wusste, dass der Kampf bald beginnen würde und beschloss mich mit einem Freund zu dem berühmten Orakel von Delphi zu schicken, um zu fragen, wie der Krieg ausgehen würde. Wir machten uns also auf den Weg. Dieser war lang und beschwerlich, denn wir waren nur zu Fuß eine Woche und dann mit dem Schiff sechs Tage unterwegs. Nach ungefähr zweiwöchiger Reise waren wir am Ziel. Delphi ist eine schöne und große Tempelanlage. Wir brauchten nicht lange zu fragen, bis uns jemand den Weg zum Tempel des Apoll mit dem Orakel beschreiben konnte. Wir gingen vorbei an den Häusern, in denen die Weihegeschenke für Apoll standen. Dann um die nächste Ecke standen wir vor dem großen Heiligtum. Es war ein schöner Tempel auf einer großen Terrasse am Hang mit Säulen rundherum, verziert und verschnörkelt. Mein Freund wollte sich um eine Bleibe kümmern. Ich dagegen begab mich sofort in den Tempel. Innen roch es nach Weihrauch und anderen teueren Gewürzen. Nachdem ich mich angemeldet hatte, wartete ich geduldig im Vorraum, bis ich dran kam. Als es soweit war, betrat ich den eigentlichen Tempel. Hier herrschte gedämpftes Licht und es war sehr nebelig. Ein Priester kam aus dem geheimnisvollen Dämmerlicht auf mich zu und ich trug ihm mein Anliegen vor. Er murmelte ein heilige Formel und versprach, meine Frage der Orakelpriesterin vorzulegen. Vom Eingang zur inneren Tempelkammer sah ich, wie er auf die berühmte Pythia zutrat und ihr flüsternd meine Frage vorlegte. Als Sterblicher durfte ich diesen allerheiligsten bereich nicht betreten. Selbst die Priester mussten sich speziellen Reinigungsritualen unterwerfen, damit sie von Apoll im Innersten geduldet wurden. Pythia saß auf einem hohen Hocker und wurde von Nebelfetzen, die aus Ritzen im Boden aufstiegen, umweht. Ich sah, dass sie dem Priester etwas sagte. Der Priester trat mit freundlichen Gesicht auf mich zu und gratulierte mir und meinem König, dass wir durch unseren Krieg ein großes Reich zerstören würden. Nun waren wir sicher, dass wir die Perser besiegen würden. Unsere Spende an Apoll wurde noch einmal aufgestockt und wir verließen Delphi, um unserem König die gute Botschaft zu bringen.

Sechs Monate später kam ich nach Delphi zurück. Mein Freund konnte nicht mitkommen. Er war tot. So wie viele andere Krieger, denn wir hatten den Krieg verloren und unser Königreich war vernichtet. Die Perser hatten uns besiegt und aus dem freien Land eine persische Provinz gemacht. In Delphi wurden unsere Beschwerden, dass das Orakel sich geirrt habe, zurückgewiesen. Der Priester sagte, das Orakel habe Recht gehabt, ein großes Reich sei zerstört worden. Nichts anderes hat Pythia gesagt! Auch unsere Spenden, die wir als Flüchtlinge dringend gebraucht hätten, bekamen wir nicht mehr zurück. Ein Gott behält was er hat.