Scherbengericht

Wenn jemand die Macht ergreifen wollte, wäre es wohl zu spät gewesen, auf Beweismittel abzuwarten bevor man ihn öffentlich anklagen konnte! Somit erfand man den Ostrakismos, der eine in der großen Mehrheit der Bürger verspürte Gefahr auch ohne konkrete Verdachtsmomente abwenden sollte. Diese Praxis begann 487 v.Chr. und dauerte bis etwa 417 v.Chr. In der Mitte des attischen Jahres (etwa im Januar nach unserem Kalender) fand jährlich eine Befragung der Volksversammlung, ob man überhaupt im betreffenden Jahr einen Ostrakismos durchführen wollte. Wurde dies bejaht, dann hatte der Ostrakismos binnen zwei Monate stattzufinden. Hierzu wurde die Agora versperrt und durch 10 Eingänge traten die Bürger der 10 athener Stämme (Phylen) ein, um ihr Votum abzugeben. Letzteres bestand aus einer Tonscherbe (dem billigsten Schreibmaterial jener Zeit), worauf der Name des Bürgers eingeritzt wurde, der für gefährlich gehalten wurde.

Bevor überhaupt auf die eingeritzten Namen eingegangen wurde, zählte man erst die abgegebenen Tonscherben ab. War die Anzahl von 6000 nicht erreicht, so war der Ostrakismos ungültig und die Prozedur wurde eingestellt. Waren es aber 6000 und darüber, dann ging man dazu über, den Namen ausfindig zu machen, der die meisten Stimmen erhalten hatte. Und dieser Mann hatte dann innerhalb von 10 Tagen die Stadt für 10 Jahre zu verlassen. Dabei war er frei zu gehen, wohin er wollte und ebenso frei, sich im übrigen Griechenland zu bewegen. Es war ja, wie gesagt, kein Gerichtsverfahren mit Schuldspruch und aus diesem Grunde blieb dem betroffenen sowohl Ehre als auch Eigentum erhalten.
Der Ostrakismos war das einzige je erfundene legale Mittel, um vorbeugend den Aufstieg eines Tyrannen zu stoppen. Es wurde zu einem Regulativ, das den Einfluss der breiten Volksmassen förderte und die Politiker dazu zwang, sich innerhalb gewisser Grenzen zu bewegen, wenn sie nicht 10 Jahre Zwangsurlaub von der Politik riskieren wollten!