Die Bismarcks Innenpolitik

 

 

Kulturkampf:

Die Katholiken wollten päpstliche Beschlüsse wie z.B. die „Syllabus errorum“ von 1864 oder die Beschlüsse des Vatikanischen Konzils von 1869/70, unter die auch das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes fiel, in die Politik einbringen. Die Bezeichnung „Ultramontane“ (lat.: ultra montes = jenseits der Berge) bürgerte sich deshalb schnell für diesen Teil der Bevölkerung ein.

Das Zentrum vertrat diese Ansichten als konfessionelle Partei im politischen Geschehen. Unter seinem bedeutenden Anführer Ludwig Windthorst bildete das Zentrum mit anderen Reichstagsminderheiten (z.B. Polen, Elsässer) eine starke Fraktion.

Bismarck erklärte das Zentrum schon bald nach der Reichsgründung zum Reichsfeind und unterstellte ihm, das neugegründete deutsche Reich in römischem Auftrag untergraben zu wollen. Ferner sah er das Zentrum als staatsgefährdende Opposition und wollte deshalb dieser Partei ihre politische Macht entziehen und gleichzeitig den Einfluß der Kirche auf die Politik minimieren.

Die Bezeichnung „Kulturkampf“ entwickelte sich aus diesem Konflikt und aus der Frage, wessen Aufgabe nun die Bestimmung der kulturellen Grundlagen der Gesellschaft sei. Bismarck versuchte, den Einfluß der katholischen Kirche durch verschiedene Gesetzesbeschlüsse entscheidend zu verringern:

- Der „Kanzelparagraph“ untersagte den Geistlichen, in ihren Predigten auf „Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise“ einzugehen.

- Das bisher fast ausschließlich kirchlich verwaltete Schulsystem wurde dem Staat unterstellt.

-Durch das „Jesuitengesetz“ wurde diesem Orden, den Bismarck als Vorreiter des Ultramontanismus ansah, jegliche Tätigkeit im Reich verboten.

- In Preußen war ferner ein staatliches „Kulturexamen“ für eine Anstellung als Geistlicher verlangt.

 

Daraufhin wurden die katholischen Gläubigen von ihren Bischöfen zur Mißachtung sämtlicher Verordnungen aufgerufen; der preußische Staat verhängte Geld- und Haftstrafen, was zur Verhaftung bzw. Flucht aller katholischen Bischöfe führte.

Trotz dieser staatlichen Anstrengungen wurde das Ziel dieser Maßnahmen komplett verfehlt. Als das Zentrum nach den Reichstagswahlen 1874 nochmals an Stimmen gewann, stellte Preußen seine Folgezahlungen aus der Säkularisation ein, löste sämtliche Ordensniederlassungen auf und unterzog das Schulwesen vollständig dem Staat. Ferner wurden „Zivilehen“ eingeführt; kirchliche Eheschließungen waren zwar noch möglich, besaßen jedoch keine rechtliche Bedeutung mehr.

Trotzdem musste Bismarck seinen Kulturkampf nach wenigen Jahren einstellen. Er wurde außerdem nur von den Liberalen in seinem Vorgehen unterstützt.

Im Laufe der folgenden Jahre wurden bis auf Kanzelparagraph, Zivilehe, Jesuitengesetz und Schulaufsichtsgesetz die Verordnungen des Kulturkampfes außer Kraft gesetzt.

 

Sozialistengesetz     

Der Gesetzestext

Nach dem Misslingen seines Kulturkampfes versuchte Bismarck nun, die Arbeiterbewegung als ersten Reichsfeind zu deklarieren. Für zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm binnen kurzer Zeit im Jahre 1918 machte er allein die Sozialdemokratie und ihre Anhänger verantwortlich, die jedoch mit diesen Anschlägen nicht in Verbindung standen.

Ein daraufhin von Bismarck verlangtes erstes Ausnahmegesetz wurde im Reichstag nicht gebilligt, worauf Bismarck den Reichstag auflöste. Die folgenden Neuwahlen brachten den Konservativen einen bedeutenden Stimmenzuwachs auf Kosten der Liberalen. Aufgrund dieser Veränderung der Stimmenverhältnisse im Reichstag brachte Bismarck nun sein „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ durch. Das Ziel dieses Gesetzes war, der Arbeiterschaft und ihrer politischen Organisation, der sozialistischen Arbeiterpartei, jeglichen Einfluß zu nehmen. Die Partei selbst wurde nicht verboten, jedoch alle ihre Unterorganisationen (Sport-, Gesangs- und Geselligkeitsvereine, Gewerkschaften). Alle sozialdemokratischen Versammlungen wurden untersagt, sozialdemokratische Presse und ihre Verbreitung wurden verboten. Die meisten der Anhänger der Arbeiterschaft arbeiteten jedoch trotz angedrohter hoher Strafen im Untergrund weiter und hielten so die Bewegung mit Erfolg aufrecht.

 

Die Sozialgesetzgebung Bismarcks

Als Bismarck erkannte, daß seine Unterdrückungstaktik die Sozialdemokratie nicht einmal ansatzweise schwächen konnte, führte er ein Sozialgesetzgebungswerk ein, welches durch soziale Leistungen die Arbeiter für den Staat begeistern sollte. Auf diese Weise wollte er der Sozialdemokratie ihre Grundlage entziehen.

Das „Krankenversicherungsgesetz“ verlangte die „zwangsweise“ Versicherung aller Arbeiter unter einer bestimmten Einkommensgrenze. Die Versicherten erhielten kostenlos ärztliche Versorgung und Medikamente; für 13 (später 26) Wochen wurde im Krankheitsfall Krankengeld als Verdienstausfall erstattet. Die Versicherten hatten zwei Drittel der Kosten selbst aufzubringen, ein Drittel wurde vom Arbeitgeber übernommen.

Weiterhin führte Bismarck im Zuge seiner Sozialgesetzgebung das „Unfallversicherungsgesetz“ ein; die dafür erforderlichen finanziellen Mittel wurden allein von den Arbeitgebern aufgebracht. Die Versicherung übernahm dann sämtliche Arzt- und Heilmittelkosten bei Betriebsunfällen und garantierte dem betroffenen Arbeiter eine Rente für die Dauer seiner Erwerbsunfähigkeit. Die Höhe dieser Rente belief sich auf zwei Drittel des bisherigen Verdienstes. Verstarb ein Angestellter, erhielten dessen Hinterbliebenen Sterbegeld.

1889 führte Bismarck die „Invaliditäts- und Altersversicherung“ ein. Sie garantierte jedem Arbeiter nach dem 70. Lebensjahr eine Rente, die sich aus der Versicherungsdauer und dem bisherigen Einkommen errechnete. Für den Fall der Invalidität wurde schon vor dem Erreichen der Altersgrenze eine Rente gewährt. Diese Versicherung wurde von Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen getragen, auch wurde sie mit staatlichen Mitteln gefördert.

Die Sozialgesetze bezogen in den ersten Jahren noch nicht alle Arbeiter und deren Familien ein; außerdem boten sie den Betroffenen kaum mehr als ein Existenzminimum. Außer diesen Gesetzen plante Bismarck keine weiteren, die beispielsweise Probleme wie Kinderarbeit, Mindestlöhne oder Verkürzung der Arbeitszeit behandelt hätten. Mit solchen Vorstößen hätte er sich auch den Widerstand der Großindustrie, auf deren Unterstützung er angewiesen war, eingehandelt.

Diese und andere Gründe (Wer sowieso schon arm dran ist, will nicht auch noch Versicherung zahlen müssen) ließen Bismarcks Sozialgesetze gegen die Sozialdemokratie erfolglos bleiben.

Mit verschiedenen späteren Erweiterungen bilden Bismarcks Sozialgesetze jedoch bis heute die Grundlage des modernen Sozialstaats.