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s auch in diesem Web Kirchen in Deutschland.htm
Hitlers
Schutzpatron |
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Ausstellung in München zu
Kardinal Michael von Faulhaber. Zum 50. Todestag haben das
Erzbischöfliche Archiv sowie das Staats- und das Stadtarchiv Faulhabers
Nachlaß für die Wissenschaft geöffnet |
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Kardinal Michael von
Faulhaber stand 35 Jahre lang - vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik -
an der Spitze des Erzbistums München und Freising. Zu seinem 80.
Geburtstag im Jahr 1949 verlieh ihm der Münchner Oberbürgermeister Kurt
Scharnagl (CSU) auf einer Stadtratssitzung die Ehrenbürgerwürde, weil
»seine Person und sein Name geradezu zu einem Begriff für schärfste
Bekämpfung der nationalsozialistischen Irrlehre und Grundsätze geworden«
seien. Demonstrativ verließen damals die Stadträte von KPD, SPD und FDP
den Sitzungssaal, da ihnen Faulhaber als überzeugter Antidemokrat und
Reaktionär galt. Gestorben ist der Kardinal während einer
Fronleichnamsprozession am 12. Juni 1952.
Anläßlich des 50.Todestages von Faulhaber hat der Erzbischof von München
und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, den Nachlaß seines
Amtsvorgängers mit 10000 Einzelakten ordnen und für die Wissenschaft
freigeben lassen. Diese Entscheidung fügt sich in die Ankündigung des
Vatikans ein, ab kommendem Jahr die Deutschlandarchive im päpstlichen
Geheimarchiv für die Zeit von 1922 bis 1939 vorzeitig der Wissenschaft
zugänglich zu machen. Dieser für die Kirche ungewohnten Offenheit gingen
eine vehemente öffentliche Kritik an der vielfachen Kollaboration der
katholischen Kirche mit dem Faschismus voraus sowie das Schuldbekenntnis
von Papst Johannes Paul II. zum kirchlichen Antijudaismus.
Waffenpaß und Waffensegen
Als »polemisch«, »unwissenschaftlich«, voller »beleidigender
Formulierungen« und »absurder Unterstellungen« hatte das Erzbischöfliche
Ordinariat noch vor zwei Jahren das Buch des Münchner Historikers Rudolf
Reiser »Kardinal Michael von Faulhaber - Des Kaisers und des Führers
Schutzpatron« zurückgewiesen. Gestützt auf Originalquellen hatte Reiser
nachgewiesen, daß Faulhaber »ein Antidemokrat und Parteigänger Kaiser
Wilhelms II. und eine unerschütterliche Stütze Hitlers, ein böser
Kriegstreiber und autoritärer Kirchenfürst« war. Diese Kritik war nicht
ganz neu. Bereits 1962 hatte der bekannte Kirchenkritiker Karlheinz
Deschner in seinem Werk »Abermals krähte der Hahn« Kardinal Faulhaber
ein deftiges Kapitel gewidmet.
Eine erste Auswahl von Dokumenten aus dem Faulhaber-Archiv präsentiert
das Erzbischöfliche Archiv in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen
Hauptstaatsarchiv und dem Münchner Stadtarchiv jetzt in einer
Ausstellung in München über das Leben Kardinal Faulhabers. Sie erzählt
eine deutsche Geschichte.
Michael von Faulhaber wurde 1869 in einer Bäckerfamilie geboren und
studierte Theologie. 1903 hat ihn Kaiser Wilhelm II. zum Professor für
Alttestamentliche Exegese berufen und sich damit Faulhabers lebenslange
Treue erkauft. 1911 wurde Faulhaber Bischof im damals
königlich-bayerischen Speyer. »Das Evangelium hat für den Krieg nicht
nur einen Waffenpaß, es hat für ihn sogar einen Waffensegen«, begrüßte
der Bischof den Ersten Weltkrieg. Während er alle leiblichen Freuden der
Etappe genoß, philosophierte er: »Der Aufmarsch ohne Alkohol, die
Rückkehr zum einfacheren Küchenzettel, die Wiedergeburt der
altgermanischen Abhärtung, die ins Riesenhafte gesteigerten Strapazen im
Felde werden zum mindesten in der Lebensführung des jetzt lebenden
Geschlechtes heilsam nachwirken.«
Ausgerechnet im tiefkatholischen Bayern, wo Faulhaber ab 1917 zum
Erzbischof von München und Freising berufen worden war, stürzten
revolutionäre Arbeiter, Bauern und Soldaten unter Führung des
Sozialisten Kurt Eisner am 7. November 1917 den ersten deutschen
Königsthron. Für Faulhaber war die Revolutionsregierung eine »Regierung
von Jehovas Zorn«. Er titulierte den bayerischen Ministerpräsidenten
niemals anders als den »Juden Eisner«. Als Eisner im Februar 1919 von
einem rechtsextremen Offizier ermordet wurde, mußten bewaffnete
bayerische Rotarmisten den Bischof dazu zwingen, zur Staatstrauer die
Kirchenglocken des Doms zu läuten. Ausgerechnet die Straße, in der
Eisner dem Attentat zum Opfer fiel, wurde unmittelbar nach Faulhabers
Tod auf Stadtratsbeschluß in Kardinal-Faulhaber-Straße umbenannt.
Der Kardinal hoffte nach dem Ende der Räterepublik weiter auf die
Wiederkehr der Monarchie und hetzte gegen die neuen »Könige von Volkes
statt von Gottes Gnaden«. Der bayerische Ministerpräsident Gustav von
Kahr konnte - im Interesse des eigenen Machterhalts - gerade noch
verhindern, daß der mittlerweile zum Kardinal ernannte Faulhaber beim
Trauergottesdienst für den verstorbenen König Ludwig III. am 5. November
1921 dessen Sohn Rupprecht zum neuen König ausrief.
Zum öffentlichen Eklat kam es, als sich Faulhaber während des Münchner
Katholikentages im August 1922 öffentlich von der Weimarer Republik
distanzierte und erklärte: »Die Revolution war Meineid und Hochverrat
und bleibt in der Geschichte erheblich belastet und mit dem Kainsmal
gezeichnet.« Für diese Worte mußte sich Faulhaber die harsche Kritik des
Präsidenten des Katholikentages, des Kölner Oberbürgermeisters Konrad
Adenauer, anhören, der im Verhalten Faulhabers eine Gefahr für den
politischen Einfluß des deutschen Katholizismus sah. Daß der Separatist
Adenauer, der 1923 versuchen sollte, das Rheinland vom Reich
abzutrennen, Faulhaber zugleich als Gefahr für die Einheit des Reiches
bezeichnete, ist eine Ironie der Geschichte. Mit der Begründung, daß
Friedrich Ebert Mitglied und Führer einer grundsätzlich
religionsfeindlichen Partei sei und nicht vom deutschen Volk zum
Staatsoberhaupt gewählt worden wäre, verweigerte Faulhaber 1925 auch dem
toten Reichspräsidenten das kirchliche Trauergeläut.
Ein gänzlich anderes Verhältnis hatte Faulhaber zum Hitlerregime, das er
trotz seiner Kritik an der unchristlichen Naziideologie als »gottgesetzte
Autorität, rechtmäßige Obrigkeit, der wir im Gewissen Ehrfurcht und
Gehorsam schulden«, anerkannte. So, wie er früher für das Wohl des
bayerischen Königs und des deutschen Kaisers gebetet hatte, schloß der
Kardinal am 7. Juni 1936 seine Predigt im Münchner Frauendom mit den
Worten: »Katholische Männer, wir beten jetzt zusammen ein Vaterunser für
das Leben des Führers.« Nach dem mißlungenen Attentat des Antifaschisten
Georg Elser im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 beglückwünschte der
Kardinal Hitler umgehend in einem Telegramm. Als »Höflichkeitsfloskeln«
und »Selbstverständlichkeit« bezeichnet der Historiker Walter Ziegler
vom Institut für Bayerische Geschichte an der Universität München im
Katalog zur Ausstellung derartige Äußerungen Faulhabers.
Kein Nazi, aber ein Antisemit
Am 4. November 1936 kam es auf dem Obersalzberg zu einer dreistündigen
Unterredung zwischen Hitler und Faulhaber. Hauptthema war die
»außenpolitische Gefahr des Bolschewismus«. Für Hitler war die
Aussprache ein Versuch, die ungeliebte katholische Kirche unter Berufung
auf die angebliche bolschewistische Gefahr zum Verbündeten zu gewinnen.
Faulhaber wiederum hoffte durch die Zusicherung, einen Hirtenbrief gegen
den Bolschewismus zu erlassen, das Regime zur Einhaltung des Konkordats
zwischen Bayern und dem Vatikan zu bewegen. Da der Hirtenbrief neben
einer Verurteilung des Kommunismus auch seine Sorge über die Bedrängung
der Kirche durch den nazistischen Staat enthielt, ging weder Hitlers
noch Faulhabers Strategie völlig auf.
Tatsächlich wäre es falsch, in Faulhaber einen überzeugten Nazi zu
sehen. Vielmehr zielte dieser auf eine Synthese von
völkisch-nationalistischem Gedankengut und Katholizismus. An der
Ideologie des deutschen Faschismus bekämpfte er nicht den Rassekult,
aber er wandte sich gegen die Versuche, das Christentum durch den
mystisch-okkulten Germanenglauben zu ersetzen. »Wenn es eine Sünde wider
das Blut gibt«, predigte Faulhaber zu Silvester 1936 ganz im völkischen
Jargon, »gibt es auch eine Sünde wider die Geschichte eines Volkes.
Abfall vom Christentum wäre eine Sünde wider die Geschichte des
deutschen Volkes.« Wenn Deutschland leben wolle, müsse »der sittliche
Aufstieg mit dem völkischen Aufstieg Schritt halten«; das Kreuz sei das
Symbol dieser sittlichen Kraft.
Dokumente belegen, daß Faulhaber als herausragender Exponent des
Katholizismus trotz seiner Anbiederung an Hitler bei den Faschisten
ausgesprochen unbeliebt war. 1934 wurden von Unbekannten sogar Schüsse
auf das Erzbischöfliche Palais abgegeben, und im Anschluß an die
Reichspogromnacht 1938 versuchte eine aufgebrachte Menge, das Palais zu
stürmen. Den Faschisten war es ein Dorn im Auge, daß Faulhaber immer
dann energisch auf seine durch das Konkordat verbuchten Rechte pochte,
wenn katholische Partikularinteressen bedroht wurden. Dies war
beispielsweise der Fall, als die konfessionelle Erziehung durch die
Gemeinschaftsschulen in Bedrängnis geriet und als die Kruzifixe in den
Schulzimmern abgehängt wurden. Faulhaber war auch federführend an der
Verfassung der päpstlichen Enzyklika »Mit brennender Sorge« beteiligt,
die 1937 die nationalsozialistische Weltanschauung als unchristlich
verurteilte. Immerhin erhob er aus christlichen Erwägungen heraus auch
seine Stimme gegen die »Euthanasie«programme der Nazis.
Faulhaber sei ein erklärter Gegner des Antisemitismus gewesen, wird im
Katalog zur Ausstellung behauptet. Zum Beleg für eine angebliche
Widerstandstätigkeit des Bischofs hat die katholische Kirche immer
wieder die 1933 in der Münchner Michaelskirche gehaltenen
Adventspredigten »Judentum - Christentum - Germanentum« angeführt.
Tatsächlich lobte Faulhaber die Sittlichkeit des »altbiblischen Volkes«
Israel und betonte: »Wir sind nicht mit deutschem Blut erlöst«.
Faulhabers Verteidigung des Judentums bezog sich allerdings nicht auf
die Gegenwart. »Trotz aller Fügung der Gnade hat Israel die Stunde
seiner Heimsuchung nicht erkannt« und sei daher »aus dem Dienst der
Offenbarung entlassen«, wies er in antisemitischer Manier den Juden die
Schuld an ihrer Verfolgung zu, denn »sie hatten den Gesalbten des Herren
verleugnet und verworfen, zur Stadt hinausgeführt und ans Kreuz
geschlagen«. Das Autorenhonorar von 700 Mark für die gedruckte Ausgabe
der Adventspredigten spendete Faulhaber dem Winterhilfswerk der Nazis.
Kollaboration verharmlost
Kritik an der Verfolgung und späteren Ermordung deutscher und
europäischer Juden war vom Episkopat zu keinem Zeitpunkt zu vernehmen.
Zwar sei das Vorgehen gegen die Juden unchristlich, für die kirchlichen
Oberbehörden bestünden weitaus wichtigere Gegenwartsfragen als das
Weiterbestehen der konfessionellen Schulen und der katholischen Vereine.
Zudem dürfe man der Regierung keinen Grund geben, »um die Judenhetze in
eine Jesuitenhetze umzubiegen«, wies Faulhaber im April 1933 das
Anliegen des bayerischen Priesters Alois Wurm zurück, sich in
eindeutiger Weise vom Rassenhaß des Hitlerregimes zu distanzieren. Der
Einsatz katholischer Priester für »Nichtarier im allgemeinen« sei
wirkungslos, begründete Faulhaber im Angesicht massiver Deportationen
von Münchner Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager das
Schweigen der deutschen Bischöfe. Lediglich für zum Katholizismus
konvertierte Juden erbat er bei der Regierung Ausreisegenehmigungen. Als
Faulhaber endlich am 12. September 1943 in einem Hirtenbrief unter
Berufung auf die zehn christlichen Gebote die »Tötung (...) an Menschen
fremder Rassen und Abstammungen« verurteilte, blieb dies wirkungslos.
»Es ist falsch, einem extremen und erbarmungslosen Antisemitismus zu
verfallen«, predigte der nunmehr als Widerstandskämpfer geadelte
Faulhaber nach 1945.
Es sei deutlich geworden, schreibt der Historiker Walter Ziegler im
Ausstellungskatalog, »daß (...) hier nicht mit Maßstäben der Gegenwart
geurteilt werden darf, (...) sondern mit denen der damaligen Zeit. Diese
konnten etwa bei der nach außen legalen Machtübernahme 1933 noch nichts
von den zukünftigen Verbrechen oder dem geplanten Angriffskrieg wissen.
Die gern aufgestellte Behauptung, durch die Analyse von Hitlers "Mein
Kampf" habe jeder die Entwicklung voraussehen können, bleibt ebenso
theoretisch wie die Feststellung, die Machtergreifung sei juristisch
illegal gewesen und jede Anerkennung der Regierung Hitler von Anfang an
für jeden Gutwilligen undenkbar: Keine Institution und auch keine
demokratische Gruppe im In- und Ausland hat so gedacht oder gehandelt.
Auch Faulhaber darf nur auf dem Hintergrund seiner Zeit beurteilt
werden.«
Dieser erneute Versuch, die Kollaboration der Kirche mit dem Faschismus
aus der »damaligen Zeit« heraus zu entschuldigen, ist eine glatte
Geschichtslüge. Millionen Arbeiter, die noch im März 1933 der KPD ihre
Stimme gaben, taten dies, weil sie wußten: Wer Hitler wählt, wählt den
Krieg. Während Kommunisten, aber auch Intellektuelle wie Carl von
Ossietzky und Zeitschriften wie die Weltbühne, die für Ziegler
offensichtlich nicht zu den »demokratischen Gruppen« zählen, schon lange
vor 1933 in deutlichen Worten vor dem Faschismus warnten, hatte Kardinal
Faulhaber 1925 in seiner Schrift »Deutsches Ehrgefühl und katholisches
Gewissen« erklärt: »Adolf Hitler wußte besser als die Diadochen seiner
Bewegung, daß die deutsche Geschichte nicht erst 1870 und nicht erst
1517 begann, daß für die Wiederaufrichtung des deutschen Volkes die
Kraftquellen der christlichen Kultur unentbehrlich sind (...) Als Mann
des Volkes kannte er auch die Seele des süddeutschen Volkes besser als
andere und wußte, daß mit einer Bewegung, die in ihrer Kehrseite Kampf
gegen Rom ist, die Seele des Volkes nicht erobert wird.«
Die Münchner Stadtratsfraktion der Grünen hatte nach Erscheinen des
Reiser-Buches im Jahr 2000 den Antrag gestellt, Faulhaber die
Ehrenbürgerwürde abzuerkennen und die Kardinal-Faulhaber-Straße
umzubenennen. Damals hatte der sozialdemokratische Oberbürgermeister
Christian Ude den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, Faulhabers
Zitate seien zwar etwas »befremdlich«, aber ihm könne »keine
nationalsozialistische Gefolgschaft« zur Last gelegt werden. Es bleibt
zu hoffen, daß nach Öffnung der Kardinal-Faulhaber-Archive die
Diskussion über »Hitlers Schutzpatron« wieder auflebt und zu besserer
Einsicht führt.
* Die Ausstellung »Kardinal Michael von Faulhaber 1869 bis 1952« ist
noch bis zum 28. Juli 2002 im Stadtarchiv München in der Ludwigstr. 14
zu sehen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr. Der umfangreiche
Katalog, 636 Seiten, kostet 18 Euro. ISBN 0932B504 |
FROHE BOTSCHAFT IN WEISS-BLAUIn
München wird die Kollaboration des einstigen Kirchenfürsten mit dem
Nazi-Regime nach wie vor durch einen Straßennamen geehrt
Wer in München vom Kultusministerium auf dem kürzesten
Weg zum Erzbischöflichen Ordinariat gehen will - und das ist dort nicht
ungewöhnlich - der muss durch die Kardinal-Faulhaber-Straße. Doch spätestens
seit Anfang März gibt es Leute, denen es keine Freude mehr macht, durch eine
Straße mit diesem Namen zu laufen. "Nach dem schockierenden Bericht über
Faulhaber", schrieb ein Münchner der Süddeutschen Zeitung, "kann
man der Stadtverwaltung nur raten, so schnell wie möglich den Namen der
Straße, die nach diesem Mann benannt wurde, zu ändern".
Der "schockierende Bericht" war die Kurzfassung eines
104-Seiten-Buches, das soeben im Münchner Buchendorfer Verlag
erschien. Titel: Kardinal Michael Faulhaber. Des Kaisers und des Führers
Schutzpatron. Der Autor Rudolf Reiser hat den Lebensweg des
Kirchenfürsten vom hoch engagierten Feldprobst Wilhelms II. bis zum Kardinal
verfolgt - ein Kirchendiener, der die deutschen Katholiken mahnt, "in
weltgeschichtlicher Stunde ein Treuebekenntnis zum Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler abzulegen". Die Fakten sind nicht ausnahmslos neu, wenn auch um
viel bisher unbekanntes Material angereichert - sie werden aber gern
unterschlagen. Karlheinz Deschner beispielsweise hatte schon 1962 in seiner
kritischen Kirchengeschichte Abermals krähte der Hahn ein ganzes
Kapitel dem "wendigen Kardinal Faulhaber" gewidmet, was freilich nicht
verhinderte, dass noch 1981 Meyers Großes Universallexikon Faulhaber
bestätigte: "Stellte sich entschieden gegen Rassismus und
Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus."
Das hätte, wäre es 30 Jahre früher passiert, womöglich
dem renommierten Nachschlagewerk eine durchaus berechtigte Verleumdungsklage
des Kardinals eingebracht - doch davon gleich mehr.
Jetzt hat erst einmal das Erzbischöfliche Ordinariat
in einer Pressemitteilung seinen 1952 verstorbenen Ex-Chef gegen das
Reiser-Buch verteidigt: "polemisch", "unwissenschaftlich", "keine
repräsentative Auswahl der Quellen", "beleidigende Formulierungen", "absurde
Unterstellungen".
Und es ist wohl wahr, Verleumdungen und Fälschungen
begleiten den Weg des deutschen Kardinals durch die Geschichte. 1934 etwa
veröffentlichte Der Sozialdemokrat - das Blatt der
sozialdemokratischen Emigranten in Prag - eine Predigt Faulhabers gegen
Judenverfolgung und Rassenhass. Es handelte sich um eine erbärmliche
Fälschung. Der Münchner Oberhirte protestierte und telegraphierte an das
Reichsministerium des Innern in Berlin, an den Reichsminister für
Volksaufklärung und Propaganda, an die Bayerische Staatskanzlei, an die
deutsche Botschaft in Prag, an jede Zeitung, die ihm einfiel, und wies die
bösartige Unterstellung zurück, er hätte sich gegen Rassen- und Judenhass
gewandt. "Predigt Faulhaber gegen Rassenhass niemals gehalten. Ersuche
Falschmeldung widerrufen", telegraphierte der Kardinal beispielsweise empört
an die Basler Nationalzeitung. Diese "wahnsinnigen Behauptungen" -
er hätte sich für die Juden eingesetzt - seien marxistische Fälschung und
eine schamlose Lüge.
Und nicht nur sich selbst, auch andere nahm er voll
christlicher Nächstenliebe gegen üble Nachrede in Schutz. Im Amtsblatt der
Erzdiözese München und Freising verteidigte Faulhaber 1936 sein römisches
Oberhaupt: "Die persönlich gehässigste Unwahrheit gegen den Heiligen Vater,
Pius XI., wurde zum ersten Tag dieses Jahres dem deutschen Volk von einer
deutschen Zeitung ... vorgesetzt: Der Papst sei Halbjude, seine Mutter sei
eine holländische Jüdin gewesen. Ich sehe, meine Zuhörer fahren vor
Entsetzen empor. Diese Lüge ist besonders geeignet, in Deutschland das
Ansehen des Papstes dem Gespött preiszugeben."
Wenn es um die Vernichtung des Feindes - des
"jüdischen Bolschewismus" etwa ging, billigte Faulhaber durchaus auch den
Raub kirchlichen Eigentums. Als die Nazis während des Zweiten Weltkrieges
die Kirchenglocken holten und Geschützrohre daraus gossen, sagte er gern Ja:
"Für das Vaterland wollen wir auch dieses Opfer bringen, wenn es notwendig
geworden ist für einen glücklichen Ausgang des Krieges."
Doch mutig trat er den Nazis entgegen, wenn sie nach
Luftangriffen die Opfer ohne Kreuz begruben: "Könnten die Toten heute noch
reden, würden sie flammenden Einspruch erheben und sagen: Wir waren
Christen, wir waren keine Juden", protestierte der Kardinal.
"Es ist falsch, einem extremen und erbarmungslosen
Antisemitismus zu verfallen", predigte dann der Münchner Oberhirte nach
1945. Nicht extrem, nicht erbarmungslos - aber ein bisschen gutgemeinter und
von Herzen kommender Judenhass durfte weiterhin sein?
Da München nun einmal in Bayern und nicht im
Anschlussgebiet Ostdeutschland liegt, wird aus einer Umbenennung der
Kardinal-Faulhaber-Straße wohl nichts werden. Unweit von München - in
Regensburg - gibt es eine Straße für den Nazi-Dichter Florian Seidl. Der
hatte einst in seinen Romanen Rechnungen angestellt, was Krüppel und
Taubstumme kosten. Doch trotz aller Proteste müssen die behinderten Kinder,
die in einem Heim in der Florian-Seidl-Straße wohnen, auch weiterhin den
Namen ihres Schreibtischmörders auf ihrem Straßenschild lesen.
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