Die Ära Franz Joseph I

siehe auch Facharbeit Steffi

  Österreich-Ungarn: Österreichisch-ungarischer Ausgleich

In der Anfangsphase der Revolution von 1848 hatte die Wiener Zentrale den Ungarn Zugeständnisse eingeräumt, die eine bürgerlich-demokratische Umgestaltung ermöglichen sollten. Als Antwort auf eine militärische Intervention und die oktroyierte Verfassung war am 14. April 1849 das Haus Habsburg entthront und die Unabhängigkeit ausgerufen worden. Mit russischer Truppenhilfe konnten die von Lajos Kossuth geführten Aufständischen zur Kapitulation gezwungen werden; das mit der »Verwirkungstheorie« gerechtfertigte brutale Durchgreifen während der neoabsolutistischen Ära trug nicht zur politischen Konsolidierung bei. Auch moderatere Lösungsversuche wie das föderalistisch-konservative »Oktoberdiplom« (1860) oder das zentralistisch-liberale »Februarpatent« (1861) waren nicht geeignet, das österreichisch-ungarische Verhältnis zu normalisieren, denn die Ungarn bestanden unter der Führung Ferenc Deáks auf der Wiederherstellung der 1848 geltenden Rechte.

Die österreichische Niederlage gegen Preußen 1866 unterstrich die Notwendigkeit, selbst unter Verzicht auf ein einheitliches, zentralisiertes Reich den überfälligen Ausgleich herbeizuführen. Nach schwierigen Verhandlungen wurde Anfang 1867 Einvernehmen darüber erzielt, das »Kaisertum Österreich« auf der Grundlage der Pragmatischen Sanktion von 1722/23 in eine Realunion, die österreichisch-ungarische Monarchie, umzuwandeln. Am 29. Mai 1867 nahm der ungarische Landtag die Vereinbarung an, die Kaiser/König Franz Joseph am 12. Juni in Kraft setzte.

Dem dualistisch gegliederten Habsburgerreich - der österreichischen Reichshälfte (Zisleithanien, westlich des Flusses Leitha) standen »die Länder der Heiligen Ungarischen Krone« (Transleithanien) gegenüber - waren künftig nur noch der Monarch, die Außenpolitik, das Kriegsministerium sowie die für diese Aufgaben benötigten Finanzen gemeinsam. Jede der beiden Staatshälften besaß ein eigenständiges Zweikammerparlament, eine eigene Regierung, Territorialstreitkräfte und eine selbstständige Finanzverwaltung. Abgesehen vom Kaiser/König war das Gemeinsame Ministerium auch den von beiden Parlamenten, dem zisleithanischen Reichsrat und dem ungarischen Reichtstag, gewählten »Delegationen« verantwortlich, die u.a. die »Quote« festzusetzen hatten, den jeweiligen Anteil bei der Kostendeckung der gemeinsamen »kaiserlich und königlichen« (k.u.k.) Angelegenheiten.

Dem Kaiser/König kam bei dieser komplizierten Regelung ausschlaggebende Bedeutung zu, denn er bestimmte die Außenpolitik, war oberster Kriegsherr und besaß Entscheidungsgewalt in allen strittigen Fragen. Im Laufe der Jahre wuchs mit der Entwicklung eines lebendigen magyarischen Nationalismus in Ungarn die Bereitschaft, die Reichseinheit zugunsten von Selbstständigkeitsbestrebungen infrage zu stellen. Obschon der »Ausgleich« die Umgestaltung des Vielvölkerreiches in einen Bund gleichberechtigter Nationen verhinderte und schwere innenpolitische Konflikte heraufbeschwor, bot die 1867 gefundene Lösung letztlich die einzige Chance, die Großmachtstellung Österreich-Ungarns zu verteidigen.

(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

Franz Joseph I.,

Kaiser von Österreich (seit 1848) und König von Ungarn (seit 1867), *ÿSchönbrunn (heute zu Wien) 18.ÿ8. 1830, ÿebenda 21.ÿ11. 1916, Neffe von Kaiser Ferdinand I., Enkel von Franz II., Onkel von Franz Ferdinand, Š 24.ÿ4. 1854 mit Elisabeth von Bayern, ab um 1889 enge Verbindung zur Schauspielerin Katharina Schratt (*ÿ1855, ÿ1940); trat am 2.ÿ12. 1848 nach der Abdankung seines Onkels die Regierung an (Annahme des Doppelnamens Franz Joseph). Unter dem Eindruck der Märzrevolution von 1848 sah Franz Joseph in der Wiederherstellung der Autorität der Zentralgewalt sowie in der Sicherung von deren unbeschränkter Gewalt eine seiner Hauptaufgaben. Beeinflusst von Franz Fürst zu Schwarzenberg, widerrief er die oktroyierte Verfassung vom 4.ÿ3. 1849 am 31.ÿ12. 1851 (Silvesterpatent); sie wurde ersetzt durch das System des neoabsolutistischen Zentrismus, das auch durch seine klerikale Kirchenpolitik seit 1852 die monarchische Vormachtstellung betonte. Das Festhalten an Tradiertem (u.ÿa. Österreichs Vormachtstellung in Mitteleuropa) sowie der von dynastischen Interessen eingeschränkte staatsmännische Weitblick ließen Franz Joseph auf innen- und außenpolitischen Problemstellungen nur langsam reagieren. Österreichs internationale Isolierung im Krimkrieg 1853/54þ56 sowie die Niederlage im Sardinisch-Französisch-Österreichischen Krieg (Magenta und Solferino 1859) resultierten zum Teil aus seinen persönlichen Fehleinschätzungen. Danach wandte sich Franz Joseph stärker konstitutionellen Formen zu (föderatives Oktoberdiplom vom 20.ÿ10. 1860, liberalistisch-zentralistisches Februarpatent vom 26.ÿ2. 1861, Dezember-Verfassung vom 21.ÿ12. 1867). Die Niederlage im Deutschen Krieg 1866 (Königgrätz, 3.ÿ7.) erzwang eine Verständigung mit Ungarn; auch unter dem Einfluss seiner Frau ließ er den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich (1867) abschließen, der eine Realunion von Österreich und Ungarn schuf. In der Folge orientierte sich Franz Joseph an der zentralistischen Verfassung von 1861, ohne allerdings die heftigen Nationalitätenkämpfe, besonders ab 1893þ97, überwinden zu können. Die von den Thronfolgern, Kronprinz Rudolf beziehungsweise (ab 1896) Erzherzog Franz Ferdinand, angestrebten Reformen lehnte er insgesamt ab. Grundlagen seiner Außenpolitik waren (nach 1866) Zweibund (1879) und Dreibund (1882), wobei er die wachsenden Spannungen mit Russland wegen der Balkanfrage (1878/1908) nicht erkannte. Seine Fehleinschätzung der Kräfteverhältnisse trug mit zu der Krisenkonstellation bei, die schließlich den Ersten Weltkrieg auslöste, wenn ihm auch kein entscheidender Anteil am Kriegsausbruch (Julikrise 1914) zukam. ÿþ Die Epoche von 1848 bis 1914þ18 wird in Österreich auch als »Franzisko-josephinische Ära« bezeichnet.

Ausgaben: Briefe Franz Josephs an seine Mutter, herausgegeben von F.ÿSchnürer (1930); Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859þ1898, herausgegeben von G.ÿNostitz-Rienek (1966).

 

(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

A.ÿNovotny: Franz Joseph I. (1968).

 

A.ÿPalmer: Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn (aus dem Englischen 1995).

 

S.ÿBeller: Franz Joseph. Eine Biographie (1997).

 

E.ÿC.ÿCorti und H.ÿSokol: Kaiser Franz Joseph (Graz 61990).

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