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Die Mobilisierung der Gesellschaft
Die Bauernbefreiung und die Gewerbefreiheit
entbinden die bisher Abhängigen von Vormundschaft. Sie können sich
selbst den Weg durch Leben und damit auch den Wohnort suchen. Dieser wird
zunehmend nach ökonomischen Chancen gewählt. Die traditionelle Heimat
wird aufgegeben und vor allem in den Arbeit bietenden Städten neue Heimat
gesucht. Auch zwischen den Generationen erhöht sich die Mobilität. Die
Kinder sind nicht mehr automatisch auf den Beruf (=Ständegesellschaft)
festgelegt, sondern haben und suchen neue Berufe. Die Industrialisierung
schafft dazu mit völlig neuen Berufsbildern die Voraussetzung. Die
Landwirtschaft gibt Arbeitskräfte ab.
regionale Mobilität:
- Ost => West- Wanderung in Deutschland =
Verschiebung des Bevölkerunkschwerpunktes nach Westen (neu:
Ruhrgebiet)
- Land => Stadt starkes Städtewachstum;
Entstehung von Großstädten
- Auswanderungen in die USA ; bis 1870
Schwerpunkt; im Kaiserreich vermehr Chancennutzung innerhalb
Deutschlands und in Kolonien; Siedlung in Kolonien bleibt aber
unbedeutend, wie auch der Handel Deutschlands mit seinen Kolonien;
vertikale Mobilität:
- neue Berufe in der Industrie
- technische Berufe
- Absinken aus Handwerk in Arbeiterklasse
- Proletariat als neue Klasse
- Aufstieg des Bürgertums über Kapitalverfügung
in Handel, Industrie (Unternehmer), Finanzen (Bankiersfamilien) und
Verwaltung (auch Politik). In geringem Maße Aufstieg über die
Militärlaufbahn.
- Bildung erhält zunehmend Bedeutung;
- sozialer Abstieg und Aufstieg wird möglich
innerhalb einer Generation und zwischen den Generationen
- Entwicklung einer Leistungsgesellschaft (!erste
Ansätze!)
Die Vermassung und die Anonymisierung der
Gesellschaft
Vermassung:
-
Bevölkerungswachstum in
Europa (Bevölkerungsexplosion) Zuwachs 1800 bis 1914 +150%
-
Verstädterung;
Entstehung von Großstädten und Metropolen (Millionenstädte)
-
Entwicklung von anonymen
Wohnsiedlungen und Slums in den Industriestädten
-
Bevölkerungsdichten bis
zu 200000 Menschen pro km²
-
Orientierungsschwierigkeiten
des Individuums in der Masse: der Einzelne verliert an Bedeutung;
taucht in der Masse unter; Die Masse wird zum Orientierungspunkt (mit
der Masse schwimmen); die Ideologisierung der Politik fördert dieses,
der Nationalismus als einigende Idee schafft mit dem
"Deutschen" gegenüber "den anderen" das
Individuum ab und leistet der Vermassung Vorschub.
-
Die Position innerhalb
der Gruppe der Proletarier ist kaum noch ausdifferenziert. Die
Arbeitsteilung schafft die Masse "Proletarier". Die
Definition des Individuums erfolgt über die Gruppe, der er angehört.
In der Stadtgesellschaft werden diese Gruppen größer, keiner kennt
den anderen, andere Gruppen werden nicht als Individuen, sondern als
Gruppe anonym betrachtet (Klassengegensätze).
Anonymisierung:
-
Die fehlende Kontrolle
Kontrolle durch Familie, Dorfgemeinschaft, Kirche und Nachbarn öffnet
sozial problematischem Handeln die Tür. Der Einzelne taucht in der
Masse anonym ab. Der Einzelne ist aber auch alleine, sucht nach Halt
innerhalb der Gesellschaft (Halt = Geborgenheit). Massenbewegungen
(Parteien, Ideologien, Vereine und Verbände bieten diesen).
-
Steigerung der
Bildungsbedeutung
-
Einordnung des
Individuums zunehmend über Kapitalvermögen
-
steigende
Betriebsgrößen schaffen anonyme Arbeitumfelder; Fabrikhallen (laut,
fehlende Kontakte) lange Arbeitszeiten und Armut entwurzeln die
Menschen aus ihrer Umgebung heraus.
-
Die Organisation der
Arbeiter in Gewerkschaften (Massenorganisationen) und SPD
(Massenpartei) mit hierarchischer Führung
Ursachen für beides:
-
Bauernbefreiung
-
Gewerbefreiheit
-
Säkularisation
-
Stadtgesellschaft
Die Pauperisierung (Armut) und Proletarisierung
(Rechtlosigkeit)
Mit der Industrialisierung tritt das Phänomen
Massenarmut nicht neu auf, aber eshat sich verändert. Die
Agrargesellschaft konnte sich am Land auch bei extrem geringen
Finanzmitteln einigermaßen ernähren. Mit der Entstehung eines
Stadtproletariats gibt es eine Bevölkerungsschicht, die sich nur über
Geld ernähren kann. Keine Jagd und Sammelmöglichkeit in der Stadt!
Dieses Phänomen plus der Wirtschaftliberalismus, in dem alle
patriarchalischen Versorgungsverhältnisse der Agrar- und
Zunftgesellschaft aufgegeben wurden, führen zu einer existenzgefährdenden
Situation.
Ursachen
- ökonomische Bedingungen regieren ("Jeder
ist seines Glückes Schmied")
- Mechanisierung/Konkurrenz wächst
- neue soziale Gruppe/Klasse: Arbeiter
- Entsolidarisierung der Produktionsverhältnisse
(meister war verantwortlich für alle; Grundherr war verantwortlich
für Pächter und Knechte) der Unternehmer ist im Konkurrenzkampf
nicht für seine Arbeiter verantwortlich! Diese können sich selbst
solidarisch helfen! Von einer anderen Gruppe erwarten sie nichts:
Stärkung des Klassenbewusstseins auch durch Abgrenzung und
Ausbeutung.
Entstehung der neuen Elite:
Es entsteht aus altem Adel und neuem
"Geldadel" eine neue Elite/Führungsschicht im Staat. In England
schon am Beginnen des Jahrhunderts, in Deutschland erst unter Wilhelm II.
Diese neue Elite ist ökonomisch wie politisch in einer Monopolposition.
- Geld gewinnt an Bedeutung, die Geburt
(=Stand) verliert.
- politisch "sehr wenig" für alle
wenig Mitsprache
- kulturell Bürger in Opposition zur
gesellschaftlichen/politischen Entwicklung
- traditioneller Adel
- das Bürgertum entwickelt mit dem
"Reserveoffizier" einen Ersatzadel. Militarismus in
Deutschland!!
Geld + Adel =
neue Elite
Die Veränderung der Rolle der Frau
- Arbeiterin
- Fräulein
- Sozialberufe
- Bürgerfrau ≠
Beruf
- Bildung "Soufragettenbewegung"
Gleichberechtigung
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