gesellschaftliche Entwicklungen 1848 bis 1914

 


Die Mobilisierung der Gesellschaft

Die Bauernbefreiung und die Gewerbefreiheit entbinden die bisher Abhängigen von Vormundschaft. Sie können sich selbst den Weg durch Leben und damit auch den Wohnort suchen. Dieser wird zunehmend nach ökonomischen Chancen gewählt. Die traditionelle Heimat wird aufgegeben und vor allem in den Arbeit bietenden Städten neue Heimat gesucht. Auch zwischen den Generationen erhöht sich die Mobilität. Die Kinder sind nicht mehr automatisch auf den Beruf (=Ständegesellschaft) festgelegt, sondern haben und suchen neue Berufe. Die Industrialisierung schafft dazu mit völlig neuen Berufsbildern die Voraussetzung. Die Landwirtschaft gibt Arbeitskräfte ab.

regionale Mobilität:

  • Ost => West- Wanderung in Deutschland = Verschiebung des Bevölkerunkschwerpunktes nach Westen (neu: Ruhrgebiet)
  • Land => Stadt starkes Städtewachstum; Entstehung von Großstädten
  • Auswanderungen in die USA ;   bis 1870 Schwerpunkt; im Kaiserreich vermehr Chancennutzung innerhalb Deutschlands und in Kolonien; Siedlung in Kolonien bleibt aber unbedeutend, wie auch der Handel Deutschlands mit seinen Kolonien;

vertikale Mobilität:

  • neue Berufe in der Industrie
  • technische Berufe
  • Absinken aus Handwerk in Arbeiterklasse
  • Proletariat als neue Klasse
  • Aufstieg des Bürgertums über Kapitalverfügung in Handel, Industrie (Unternehmer), Finanzen (Bankiersfamilien) und Verwaltung (auch Politik). In geringem Maße Aufstieg über die Militärlaufbahn.
  • Bildung erhält zunehmend Bedeutung;
  • sozialer Abstieg und Aufstieg wird möglich innerhalb einer Generation und zwischen den Generationen
  • Entwicklung einer Leistungsgesellschaft (!erste Ansätze!)

Die Vermassung und die Anonymisierung der Gesellschaft

Vermassung:

  • Bevölkerungswachstum in Europa (Bevölkerungsexplosion) Zuwachs 1800 bis 1914 +150%

  • Verstädterung; Entstehung von Großstädten und Metropolen (Millionenstädte)

  • Entwicklung von anonymen Wohnsiedlungen und Slums in den Industriestädten

  • Bevölkerungsdichten bis zu 200000 Menschen pro km²

  • Orientierungsschwierigkeiten des Individuums in der Masse: der Einzelne verliert an Bedeutung; taucht in der Masse unter; Die Masse wird zum Orientierungspunkt (mit der Masse schwimmen); die Ideologisierung der Politik fördert dieses, der Nationalismus als einigende Idee schafft mit dem "Deutschen" gegenüber "den anderen" das Individuum ab und leistet der Vermassung Vorschub.

  • Die Position innerhalb der Gruppe der Proletarier ist kaum noch ausdifferenziert. Die Arbeitsteilung schafft die Masse "Proletarier". Die Definition des Individuums erfolgt über die Gruppe, der er angehört. In der Stadtgesellschaft werden diese Gruppen größer, keiner kennt den anderen, andere Gruppen werden nicht als Individuen, sondern als Gruppe anonym betrachtet (Klassengegensätze).

Anonymisierung:

  • Die fehlende Kontrolle Kontrolle durch Familie, Dorfgemeinschaft, Kirche und Nachbarn öffnet sozial problematischem Handeln die Tür. Der Einzelne taucht in der Masse anonym ab. Der Einzelne ist aber auch alleine, sucht nach Halt innerhalb der Gesellschaft (Halt = Geborgenheit). Massenbewegungen (Parteien, Ideologien, Vereine und Verbände bieten diesen).

  • Steigerung der Bildungsbedeutung

  • Einordnung des Individuums zunehmend über Kapitalvermögen

  • steigende Betriebsgrößen schaffen anonyme Arbeitumfelder; Fabrikhallen (laut, fehlende Kontakte) lange Arbeitszeiten und Armut entwurzeln die Menschen aus ihrer Umgebung heraus.

  • Die Organisation der Arbeiter in Gewerkschaften (Massenorganisationen) und SPD (Massenpartei) mit hierarchischer Führung

Ursachen für beides:

  • Bauernbefreiung

  • Gewerbefreiheit

  • Säkularisation

  • Stadtgesellschaft

Die Pauperisierung (Armut) und Proletarisierung (Rechtlosigkeit)

Mit der Industrialisierung tritt das Phänomen Massenarmut nicht neu auf, aber eshat sich verändert. Die Agrargesellschaft konnte sich am Land auch bei extrem geringen Finanzmitteln einigermaßen ernähren. Mit der Entstehung eines Stadtproletariats gibt es eine Bevölkerungsschicht, die sich nur über Geld ernähren kann. Keine Jagd und Sammelmöglichkeit in der Stadt! Dieses Phänomen plus der Wirtschaftliberalismus, in dem alle patriarchalischen Versorgungsverhältnisse der Agrar- und Zunftgesellschaft aufgegeben wurden, führen zu einer existenzgefährdenden Situation.

Ursachen

  • ökonomische Bedingungen regieren ("Jeder ist seines Glückes Schmied")
  • Mechanisierung/Konkurrenz wächst
  • neue soziale Gruppe/Klasse: Arbeiter
  • Entsolidarisierung der Produktionsverhältnisse (meister war verantwortlich für alle; Grundherr war verantwortlich für Pächter und Knechte) der Unternehmer ist im Konkurrenzkampf nicht für seine Arbeiter verantwortlich! Diese können sich selbst solidarisch helfen! Von einer anderen Gruppe erwarten sie nichts: Stärkung des Klassenbewusstseins auch durch Abgrenzung und Ausbeutung.

Entstehung der neuen Elite:

Es entsteht aus altem Adel und neuem "Geldadel" eine neue Elite/Führungsschicht im Staat. In England schon am Beginnen des Jahrhunderts, in Deutschland erst unter Wilhelm II. Diese neue Elite ist ökonomisch wie politisch in einer Monopolposition.

  • Geld  gewinnt an Bedeutung, die Geburt (=Stand) verliert.
  • politisch  "sehr wenig" für alle wenig Mitsprache
  • kulturell  Bürger in Opposition zur gesellschaftlichen/politischen Entwicklung
  • traditioneller Adel
  • das Bürgertum entwickelt mit dem "Reserveoffizier" einen Ersatzadel. Militarismus in Deutschland!!

 Geld  + Adel = neue Elite

Die Veränderung der Rolle der Frau

  • Arbeiterin
  • Fräulein
  • Sozialberufe
  • Bürgerfrau Beruf
  • Bildung  "Soufragettenbewegung" Gleichberechtigung