Kinderarbeit und die Folgen

 

Quellen:

 

 

Bericht eines Bürgermeisters zur Kinderarbeit auf die Anfrage eines Landrats, 1822

´[Die Kinder] arbeiten 12 Stunden, die nicht in den Fabriken arbei-tenden betteln. . . Die meist gehend und stehend verrichtete Arbeit in luftigen Gebäuden erhält die Kinder gesund, die nicht darin arbeiten-den sind krank und betteln... [Der Gesundheitszustand] ist nicht schlechter, sondern besser [als bei den anderen Kindern dieser Bevölkerungsschicht]. Die in der Spinnerei in der Kindheit gearbeitet habenden, sind erwachsen meist gesunde, starke Handwerker ... Welche Gesetze über Benutzung der Kinder zu Fabrikarbeiten erscheinen ... zweckmäßig? — Keine! Wieviele Kinder arbeiten tags? — 150. Nachts? — Keine. Arbeitsstunden? —Zwölf.‘

(Staatsarchiv Düsseldorf, Akten Brügelmann, Nr. 46. Nach W. Köllmann, Die ,,Industrielle Revolution". Stuttgart o. J. S. 29 f.)

 

Bleiche Gesichter, matte und entzündete Augen, geschwollene Leiber, aufgedunsene Backen, geschwollene Lippen und Nasenflügel, Drüsenanschwellungen am Halse, böse Hautausschläge und asthmatische Zustände unterscheiden sie in gesundheitlicher Beziehung von anderen Kindern derselben Volksklasse, welche nicht in Fabriken arbeiten.“

(Amtlicher Bericht der preußischen Regierung, 1824)

Kinderarbeit in Aschaffenburg 1858 Kinderarbeit 1858 Aschaffenburg in einer Textilfabrik

Kinderarbeit in Textilmanufakturen

Man nahm die Kinder aus den Armenhäusern, von denen sie scharenweise als „Lehrlinge“ bei den Fabrikanten auf längere Jahre vermietet wurden. Sie wurden gemeinschaftlich logiert und bekleidet und waren natürlich die vollständigen Sklaven ihrer Brotherren, von denen sie mit der größten Rücksichtslosigkeit und Barbarei behandelt wurden...Der Bericht der Zentralkommission erzählt, daß die Fabrikanten Kinder selten mit 5, häufig mit 6, sehr oft mit 7, meist mit 8 bis 9 Jahren zu beschäftigen anfingen, daß die Arbeitszeit oft 14 bis 16 Stunden (außer Freistunden zu Mahlzeiten) täglich dauere, daß die Fabrikanten es zuließen, daß die Aufseher die Kinder schlugen und mißhandelten, ja oft selbst tätige Hand anlegten.


Kinderarbeit in Kohlebergwerken

In den Kohlen- und Eisenbergwerken arbeiten Kinder von 4,5,7 Jahren; die meisten sind indes über 8 Jahre alt. Sie werden gebraucht, um das losgebrochene Material von der ‚Bruchstelle nach dem Pferdeweg oder dem Hauptschacht zu transportieren, und um die Zugtüren, welche die verschiedenen Abteilungen des Bergwerks trennen, bei der Passage von Arbeitern und Material zu öffnen und wieder zu schließen. Zur Beaufsichtigung dieser Türen werden meist die kleinsten Kinder gebraucht, die auf diese Weise 12 Stunden täglich im Dunkeln einsam in einem engen, meist feuchten Gange sitzen müssen, ohne auch nur so viel Arbeit zu haben, als nötig wäre, sie vor der verdummenden, vertierenden Langeweile des Nichts-tuns zu schützen. Der Transport der Kohlen und des Eisengesteins dagegen ist eine sehr harte Arbeit, da dies Material in ziemlich großen Kufen ohne Räder über den holprigen Boden der Stollen  fortgeschleift werden muß, oft über feuchten Lehm oder durch Wasser, oft steile Abhänge hinauf, und durch Gänge, die zuweilen so eng sind, daß die Arbeiter auf Händen und Füßen kriechen müssen. Zu dieser anstrengenden Arbeit werden daher ältere Kinder und heranwachsende Mädchen genommen. Je nach den Umständen kommt entweder ein Arbeiter auf die Kufe oder zwei jüngere, von denen einer zieht und der andere schiebt. Das Loshauen, daß von erwachsenen Männern oder starken jungen Burschen von 16 Jahren und darüber geschieht, ist ebenfalls eine sehr ermüdende Arbeit. – Die gewöhnliche Arbeitszeit ist 11-12 Stunden, oft länger, in Schottland bis zu 14 Stunden, und sehr häufig wird doppelte Zeit gearbeitet, so daß sämtliche Arbeiter 24, ja nicht selten 36 Stunden hintereinander unter der Erde und in Tätigkeit sind. Feste Stunden für Mahlzeiten sind meist unbekannt, so daß die Leute essen, wenn sie Hunger und Zeit haben. Die Kinder und jungen Leute, welche mit dem Schleppen der Kohlen und des Eisensteins beschäftigt sind, klagen allgemein über große Müdigkeit. Selbst in den am rücksichtslosesten betriebenen industriellen Etablissements finden wir eine so allgemeine und so sehr aufs Äußerste getriebene Abspannung nicht...Es kommt jeden Augenblick vor, daß die Kinder, so wie sie nach Hause kommen, sich auf den steinernen Fußboden vor dem Herde werfen und sogleich einschlafen, daß sie keinen Bissen Nahrung mehr zu sich nehmen können und im Schlaf von den Eltern gewaschen und zu Bette gebracht werden müssen, ja daß sie unterwegs sich vor Müdigkeit hinwerfen und tief in der Nacht von ihren Eltern dort aufgesucht und schlafend gefunden werden. Allgemein scheint es zu sein, daß diese Kinder den größten Teil des Sonntags im Bette zubringen, um sich einigermaßen von der Anstrengung der Woche zu erholen; Kirche und Schule werden nur von wenigen besucht, und bei diesen klagen die Lehrer über große Schläfrigkeit und Abstumpfung bei aller Lernbegierde. Bei den älteren Mädchen und Frauen findet dasselbe statt. Sie werden auf brutalste Weise überarbeitet.
aus: Friedrich Engels, die Lage der arbeitenden Klasse, 1845


 

Tödliche Unfälle in den Bergwerken 1838 

Todesursache unter 13 Jahre 13-18 Jahre über 18 Jahre
       
Absturz im Schacht 13 16 31
Absturz im Schacht durch Reißen des Seils 1 - 2
Absturz beim Aufstieg - - 3
Über den Flaschenzug gezogen 3 - 3
Erschlagen durch herabfallende Steine im Schacht 1 - 3
Ertrunken durch Wassereinbruch in den Stollen 3 4 15
Erschlagen durch herabfallende Steine, Kohle u.a. in den Stollen 14 14 69
Tödliche Verletzungen in Kohlegruben durch unterschiedlichste Ursachen 6 3 32
Zerquetscht durch einstürzende Kohlegruben - 1 1
Getötet durch Gasexplosion 13 18 49
Erstickt durch Grubengas - 2 6
Getötet durch Explosion von Sprengstoff - 1 3
Getötet durch Förderwagen 4 5 12
       
insgesamt 58 64 229

Günther-Arndt, Hilke/ Kocka Jürgen (Hrsg.): Geschichtsbuch ..., a.a.O., S. 80 

Kinderschutzgesetz in England 1833

„1. Da es notwendig ist, die Arbeitszeit der Kinder und Jugendlichen, die in Spinnereien und Fabriken beschäftigt sind, zu regeln, weil zahlreiche Kinder in solchen Betrieben beschäftigt sind und ihre Arbeitszeit länger als wünschenswert ist, wenn angemessene Rücksicht auf ihre Gesundheit und ihre Erziehung genommen werden soll, wir deshalb kraft des Königs höchster Majestät und kraft und mit Rat und Zustimmung der geistlichen und weltlichen Lords und der Vertreter des Volkes [Oberhaus und Unterhaus des Parlaments], die im gegenwärtigen Parlament versammelt sind, und kraft ihrer Autorität [folgendes] Gesetz erlassen: Vom 1.Januar 1834 an sei es keiner Person unter 18 Jahren erlaubt, in der Nacht zwischen 8.30 abends und 5.30 morgens ... in oder bei all jenen Baumwoll-, Woll-, Kammgarn-, Hanf-, Flachs-, Werg-, Leinen- oder Seidenspinnerein oder -fabriken zu arbeiten, in denen Dampf, Wasser oder irgendeine andere mechanische Kraft genutzt wird oder werden soll, um die Maschinen ... anzutreiben oder zu steuern, sei es zum Schlagen, Kardieren, Vorspinnen, Spinnen, Anstücken, Flechten, Wickeln, Moulinieren [Seide zwirnen], Klöppeln, Appretieren oder Weben ... [Hier folgt im Original noch einmal eine Aufzählung]; [und dies] in jedem Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland. Von allen Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen bleiben sowohl der Betrieb aller Dampf- oder anderen Maschinen, von Wasserrädern oder anderen mechanischen Kräften in allen Spinnereien, Fabrikgebäuden oder Maschinenhallen dann, wenn sie in dem Teil des Produktionsprozesses oder der Arbeit gebraucht werden, den man gemeinhin Walken, Aufrauhen oder Kochen von Wollwaren nennt, als auch alle Lehrlinge oder andere dort beschäftigte Personen, als auch die Arbeit Jugendlicher über 13 Jahre, die Waren in irgendeinem Lagerhaus oder einem Platz, der zu irgendeiner Spinnerei gehört, aber in dem keine Produktion stattfindet, packen. Es ist außerdem vorgesehen, daß nichts in diesem Gesetz auf irgendeine Spinnerei oder Fabrik ausgedehnt und angewendet wird, die ausschließlich der Erzeugung von Spitzen dient ...[Die Arbeitszeit für 9-12jährige wird auf maximal neun Stunden, für 13- bis 18jährige auf maximal 12 Stunden festgesetzt.]
6. ... Ferner wird bestimmt, daß allen Personen, deren Arbeitszeit sich, wie oben vorgesehen, auf 12 Stunden täglich erstreckt, im Verlauf des Tages nicht weniger als anderthalb Stunden Essenszeit gewährt wird.
7. Außerdem wird festgelegt, daß vom 1. Januar 1834 an es für jeden ungesetzlich ist, in irgendeiner der vorgenannten Fabriken oder Spinnereien, außer in Seidenspinnereien, ein Kind, das sein neuntes Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zu beschäftigen. ...
20. Weiterhin wird bestimmt, daß mit Ablauf von sechs Monaten nach dem Erlaß dieses Gesetzes jedes Kind, das in diesem Gesetz auf eine 48stündige Arbeitswoche beschränkt ist, solange es in dem Alter ist, für welches diese Beschränkung gilt, eine Schule besuchen muß, die durch die Eltern oder den Vormund des Kindes ausgewählt wird, oder eine Schule, die durch einen Fabrikinspektor bestimmt wird, wenn die Eltern oder der Vormund es versäumen, eine festzulegen, oder das Kind weder Eltern noch Vormund hat; in diesem Falle ist es rechtens, daß der Inspektor dem Arbeitgeber eines solchen Kindes zur Auflage macht, einen Abzug vom Wochenlohn des Kindes für sein Schulgeld zu machen, der aber den Betrag von einem Penny je Shilling nicht übersteigen darf; und der Arbeitgeber wird hierdurch aufgefordert, diesen abgezogenen Betrag nach Anordnung und Weisung des Inspektors auszuzahlen. ..."

Kinderschutzgesetz im Rheinland 1837 (Petition an König)

„... Die Stände-Versammlung, in welcher das Interesse der Industrie vollständig vertreten war, hat daher erkannt, daß es notwendig sei, die ohne Zweifel schon stattgehabten Bestrebungen der Regierung dadurch zu unterstützen, daß von des Königs Majestät die Erlassung eines Gesetzes erbeten wurde:
1. daß kein Kind vor dem vollendeten neunten Jahre zur Arbeit in den Fabriken bestimmt werden solle;
2. daß die Kinder vor ihrem Eintritt in die Fabrik einen dreijährigen Schulbesuch nachweisen sollen, insofern nicht örtliche Verhältnisse, welche von der Ortsobrigkeit untersucht und festgestellt werden sollen, eine Abweichung hiervon nötig machen;
3. daß die Kinder höchstens 10 Stunden zur Arbeit in den Fabriken angehalten und
4. ihnen zwischen diesen 10 Arbeitsstunden zwei Freistunden, von welchen die eine um die Mittagszeit mit Bewegung in freier Luft gewährt werden sollen."