Aufgabe 2

Gesellschaft und Wirtschaft im Wandel

1 Fassen Sie die Aussagen des Textes (Material 5) thesenartig zusammen!

Material 5
Adam Smith zu Fragen der Volkswirtschaft (1776)
Da nun aber der Zweck jeder Kapitalanlage Gewinnerzielung ist, so wenden sich die Kapitalien den rentabelsten Anlagen zu, d. h. denjenigen, in denen die höchsten Gewinne erzielt werden. Indirekt wird aber auf diese Weise auch die Produktivität der Volkswirtschaft am besten gefördert. Jeder glaubt nur sein eigenes Interesse im Auge zu haben, tatsächlich aber erfährt so indirekt auch das Gesamtwohl der Volkswirtschaft die beste Förderung [...] Verfolgt er nämlich sein eigenes Interesse, so fördert er damit indirekt das Gesamtwohl viel nachhaltiger, als wenn die Verfolgung des Gesamtinteresses unmittelbar sein Ziel gewesen wäre. Ich habe nie viel Gutes von denen gesehen, die angeblich für das allgemeine Beste tätig waren.
Welche Kapitalanlage wirklich die vorteilhafteste ist, das kann jeder einzelne besser beurteilen als etwa der Staat oder eine sonstwie übergeordnete Instanz.
Jeder kluge Familienvater befolgt den Grundsatz, niemals etwas zu Hause anzufertigen, was er billiger kaufen kann. Dem Schneider fällt es nicht ein, sich die Schuhe selbst zu machen, sondern er kauft sie vom Schuhmacher: dem Schuhmacher andererseits fällt es nicht ein, sich die Kleider selbst herzustellen, sondern er gibt sie beim Schneider in Auftrag, und dem Landwirt kommt es nicht in den Sinn, sich dies oder jenes selbst zu machen, sondern auch er setzt die einzelnen Handwerker in Nahrung. Alle sehen den Vorteil darin, ihre Arbeitskraft ganz in der Weise zu betätigen, in der sie etwas vor ihren Nachbarn voraushaben und sich mit einem Teil des Ertrages oder, was dasselbe ist, mit dem Preis dafür das zu kaufen, was sie darüber hinaus brauchen.
Was aber in der Wirtschaftsführung eines Familienhaushalts klug ist, das kann auch im Ganzen einer großen Volkswirtschaft kaum Torheit sein. Wenn uns nämlich ein anderes Land mit einer Ware billiger versorgen kann, als wir es selbst herzustellen imstande sind, so ist es vorteilhafter, daß wir dem betreffenden Lande diese Ware gegen Produkte unseres eigenen Gewerbefleißes, in denen wir vor dem Auslande etwas voraushaben, abkaufen. Die natürlichen Produktionsvorteile, die ein Land hinsichtlich bestimmter Waren vor einem anderen voraushat, sind mitunter so groß, daß es, wie alle Welt weiß, vergeblich sein würde, dagegen ankämpfen zu wollen [...] Der Jahresertrag einer Volkswirtschaft ist höher, wenn sie sich auf die Erzeugung derjenigen Waren beschränkt, in denen sie vor anderen Ländern Kostenvorteile voraushat, und sie ihrerseits von anderen Ländern diejenigen Waren kauft, die dort billiger sind. Die Regelung dieser Austauschverhältnisse aber muß dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen bleiben. Es ist zwar möglich, daß durch wirtschaftspolitische Maßnahmen, vor allem durch Einfuhrverbote und hohe Zölle auf fremdländischen Waren sich im Lande selbst eine Industrie entwickelt oder schneller entwickelt, als es ohne solche staatlichen Maßnahmen der Fall gewesen wäre, es ist sogar möglich, daß die betreffende Ware nach gewisser Zeit im Inland ebenso billig hergestellt werden kann, aber es folgt daraus keineswegs, daß die Gesamtsumme der gewerblichen Produktion oder des Volkseinkommens des betreffenden Landes durch solche Eingriffe vermehrt werden kann. Die Industrie eines Landes kann sich nur in dem Maße vermehren, als das Kapital zunimmt, und das Kapital nimmt nur in dem Maße zu, als nach und nach aus dem Einkommen gespart wird. Kapitalbildung und Industrieentfaltung müssen in einem Lande dem natürlichen Gang der Entwicklung überlassen bleiben. Jede künstliche wirtschaftspolitische Maßnahme lenkt die produktiven Kräfte der Arbeit und auch die Kapitalien in eine falsche Richtung.
Die Vorteile, die ein Land vor einem anderen voraushat, können natürliche und erworbene sein. Natürliche Vorteile bestehen darin, daß z. B. infolge des Klimas, der Bodenbeschaffenheit oder der Lage bestimmte Produkte in manchen Gegenden wesentlich besser und billiger hergestellt werden können. Erworbene Vorteile können auf dem besseren Organisationstalent der Unternehmer oder auf erhöhter Geschicklichkeit der Arbeiter beruhen.
Das natürliche Bestreben jedes Menschen, seine Lage zu verbessern, ist, wenn es sich mit Freiheit und Sicherheit geltend machen darf, ein so mächtiges Prinzip, daß es nicht nur allein und ohne alle Hilfe der Gesellschaft zum Wohlstand und Reichtum führt, sondern auch hundert unverschämte Hindernisse überwindet, mit denen die Torheit menschlicher Gesetze es nur allzuoft zu hemmen sucht.
Aus: Treue/Pönicke/Manegold (Hrsg.), Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution. Quellensammlung zur Kulturgeschichte, Band 17, Musterschmidt-Verlag, Göttingen 1966, S. 163 ff.

2 Stellen Sie die wirtschaftstheoretischen Ideen von A. Smith dem Grundanliegen des Merkantilismus gegenüber!

3 Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen der Reichsgründung 1871 und dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland!

4 Hagen Schulze bezeichnete die "Goldenen Zwanziger“ als das "schaffensreichste Jahrfünft der deutschen Geschichte”.

Erörtern Sie, inwieweit diese Aussage auch auf die wirtschaftliche Entwicklung zutrifft!

5 Stellen Sie Grundzüge der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik zwischen 1933 und 1939 dar!

Ermitteln Sie aus Material 6 Grenzen dieser Wirtschaftspolitik, die Göring in seiner Rede deutlich macht!

Material 6
Hermann Göring, der von Hitler ernannte "Beauftragte für den Vierjahresplan", in seiner Rede vom 28.10.1936 im Berliner Sportpalast zur Lage auf dem Arbeitsmarkt und zu geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen des "Vierjahresplans".
Ohne den geschlossenen und leidenschaftlichen Einsatz unserer deutschen Arbeiter, unserer deutschen Arbeiterschaft, wäre jedoch das ganze Werk(1) von vornherein unmöglich. Heute müssen wir uns bereits den Kopf darüber zerbrechen, wie der Arbeitermangel zu beseitigen ist. [...] Die Frage ist heute: Wie schaffe ich die notwendigen Arbeiter heran? Das geht nur, wenn der deutsche Arbeiter einsieht, daß er nur dann helfen kann, nur dann den Plan des Führers unterstützt, wenn er arbeitet, und immer wieder arbeitet, wenn nicht Uneinigkeit herrscht und gestritten wird, sondern Ruhe in den Betrieben ist, und wenn geschafft wird vom Morgen bis zum Abend, bis wir das Werk vollendet haben. Jeder hat deshalb zu begreifen, daß es heute darauf ankommt, die notwendige Arbeitsruhe zu halten und den Arbeitsfrieden. In den Betrieben muß Freude und Schaffenslust herrschen. [...] Um das Werk zu vollenden, können wir im Augenblick das Lohnniveau nicht erhöhen; es ist unmöglich. [...]
Es ist deshalb klar, daß wir unsere deutschen Arbeiter auch aufklären müssen, warum das so notwendig ist. Und so, wie es die Aufgabe der vom Staate eingesetzten Treuhänder ist, unter allen Umständen in der Lohnfrage führend zu sein und auszugleichen, für den Betrieb und seine Ruhe verantwortlich zu sein, so hat die Deutsche Arbeiterfront sich mit ihrer ganzen mächtigen Organisation leidenschaftlich in den Dienst dieses Planes zu stellen, nicht nur die Arbeiter weltanschaulich zu schulen, sondern sie immer wieder auf das große Ziel hinzuführen, ihnen immer wieder klarzumachen, was der Führer von ihnen erwartet, sie zu überzeugen, daß es auf sie ankommt, wenn heute Deutschland gestaltet werden soll. [...]
Wenn wir jedoch feste und gleichbleibende Löhne vom Arbeiter verlangen, dann setzt dies feste und sichere Preise voraus. Auch hier werden wir uns mit der ganzen Leidenschaft unseres Willens einsetzen. Der Führer hat einen Preiskommissar bestellt, einen alten nationalsozialistischen Kämpen(2) , und ich werde ihm die notwendigen Richtlinien geben und ihn mit Vollmachten versehen, daß er unter allen Umständen ein weiteres Anziehen der Preise verhindern und, wo dies nötig ist, auch hohe Preise herabsetzen wird.(3) Vorausschauendes richtiges und sofortiges Erfassen der Anzeichen der Lage ist hier das beste Mittel. Es müssen rechtzeitig die Anzeichen einer herankommenden Schwierigkeit erkannt werden. Ist die Schwierigkeit aber einmal erkannt, so wird sie auch überwunden.

(1) der Vierjahresplan
(2) Kämpfer
(3) Zum Reichskommissar für die Preisbildung wurde am 29.10.1936 Gauleiter Josef Wagner (Gauleiter von Westfalen-Süd und Schlesien) bestellt; er erhielt weit reichende Vollmachten, setzte aber nur in wenigen Fällen die Preise wichtiger Güter herab, so z. B. von Düngemitteln und landwirtschaftlichen Maschinen.
Aus: Michalka, W. (Hrsg.), Das Dritte Reich, Dokumente zur Innen- und Außenpolitik, Bd. 1, „Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933-1939, Deutscher Taschenbuchverlag, München 1985, S. 98 ff.

6 Der amerikanische Außenminister G. Marshall (1947):

”Es ist nur logisch, dass die Vereinigten Staaten alles tun, was in ihrer Macht steht, um die Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt zu fördern, ohne die es keine politische Stabilität und keinen sicheren Frieden geben kann!”

Erörtern Sie die Problematik des Zusammenhangs gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse und politischer Stabilität anhand des Marshallplans und eines weiteren Beispiels aus dem 20. Jahrhundert!