Nationalliberale Partei

1867-1918

Zeitleiste

1861 - Gründung der liberalen "Deutschen Fortschrittspartei" in Preußen 1866 - Trennung Rechts-/Linksliberale, Rechtsliberale gründen 1867 die NATIONALLIBERALE PARTEI

 

Infolge der Herausforderung des preußischen Verfassungskonflikts (1862) wurde 1861 die Deutsche Fortschrittspartei in Preußen gegründet. Liberale appellierten an die Öffentlichkeit die Partei durch Mitgliedschaft/Wählerstimmen zu unterstützen. Als jedoch der preußische Ministerpräsident Bismarck 1866 für sein verfassungswidriges Handeln im preußischen Landtag (Lückentheorie) sich nachträglich Indemnität zusichern wollte, waren nur die Rechtsliberalen der Partei unter Führung von LASKER und BENNIGSEN bereit im Rausch der nationalen Begeisterung nach den Kriegserfolgen gegen Dänemark (1964) und Österreich (1966) sich mit Bismarck zu arrangieren. Sie glaubten die Ideen des Liberalismus nur durch eine Zustimmung verwirklichen zu können und beendeten die Verweigerung. Dies führte zur Spaltung der Rechts- und Linksliberalen. Die grundlegenden politischen Forderungen der neugegründeten Nationalliberalen Partei, die teilweise bis zu Beginn des 1. Weltkriegs Bestand hatten (vgl. Wahlaufruf 1911), lauteten wie folgt:

  • nationale Einigung
  • Bekämpfung des Ultramontanismus
  • Verfassungsstaat
  • Rechtsstaat (Ausbau parlamentarischer Rechte)
  • Ministerverantwortlichkeit
  • lokale/regionale Selbstverwaltung
  • staatliche Wirtschaftsförderung
  • Umwandlung Deutschlands in einen modernen Industriestaat

    Im Februar 1870 wurde unter Vorsitz von H. VON UNRUH, J. MIQUEL, G. VON BUNSEN der Vorstand der Partei eingesetzt, dem u.a. BENNIGSEN, LASKER und FORCKENBECK angehörten. Durch eine Verbindung mit den Süddeutschen Liberalen (Württembergische deutsche Partei) wurde die Nationalliberale Partei noch im selben Jahr auf ganz Deutschland ausgedehnt. Die Partei wurde nach der Reichsgründung (1871) auf Anhieb zur stärksten Partei im Reichstag und unterstützte Bismarck, war ein nützlicher Mehrheitsbeschaffer (beim Kulturkampf aus eigener Überzeugung, bei der Sozialistengesetzgebung widerwillig), schaltete sich damit allerdings selbst aus.

     

  • 1877/78 - Bismarcks "konservative Wende", Abkehr vom Freihandel, innerparteiliche Gegensätze, Parteiaustritte, Beendigung der Zusammenarbeit mit Bismarck

    Innerparteiliche Gegensätze über die Wiedereinführung des Schutzzolls führten im August 1887 zum Austritt 28 führender Politiker, die den Kurs der Partei (die rückschrittliche Bewegung durch Festhalten an Bismarck trotz der seinerseits beendeteter Zusammenarbeit) nicht mehr mitmachen wollten. Die Abweichler bestanden zum größten Teil aus dem linken Flügel der Partei (STAUFFENBERG, BAMBERGER, LASKER), während der rechte Flügel (BENNIGSEN, MIQUEL, BASSERMANN) die Partei ins neue Jahrhundert führen sollte.

    Nach diesen folgenschweren Parteiaustritten erreichte die Partei nie wieder ihre alte Stärke und musste deutliche Wahleinbußen bei den folgenden Reichstagswahlen hinnehmen. Sie entwickelte sich von einer dominierenden Partei (1871-1878) zu einer mittelstarken Partei (1881-1918). Allerdings machten die Verantwortlichen auch die ungerechte Stimmkreisaufteilung (Mandatszahlen lagen deutlich unter dem allgemeinen Wählerstimmenanteil) für den Stimmenschwund verantwortlich.

     

  • ab 1901 - nach Forderung der Jungliberalen innenpolitische Öffnung nach links, Beginn der Annäherung zur "Deutschen Fortschrittspartei" (Linksliberale) mit dem Ziel einer "Wiedervereinigung" zu einer großen liberalen Partei (beide Parteien waren langsam in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht), Widerstand der Parteiführung und langwierige Auseinandersetzungen

    Verhalten der Partei im 1. Weltkrieg (Wahlaufruf 1911):

  • Unterstützung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs
  • Unterstützung weitreichender Annexionen
  • Ablehnung der Friedensresolution von SPD, Zentrum und Fortschrittspartei
  • offensive Ausrichtung in der Militär-, Kolonial-, und Flottenpolitik

    Mit der Verschlechterung der militärischen Lage traten innerparteiliche Gegensätze wieder stärker hervor und der linke Flügel der Nationalliberalen Partei schloss sich der Friedensresolution an. Vor allem GUSTAV STRESEMANN, der schon die Annäherung an die Fortschrittspartei befürwortet hatte, forderte Reformen (u.a. Abschaffung des immer noch gültigen Dreiklassenwahlrechts in Preußen).

     

  • Novemberrevolution 1918: Zerfall der Nationalliberalen Partei

    Der Hauptteil der Partei gründete unter Führung Stresemanns die Deutsche Volkspartei (DVP), die in der Weimarer Republik über große Strecken die Regierung (mit-)bilden wird ("Bürgerblock"). Vor allem Stresemann wird als Außenminister durch den Friedensnobelpreis (1926) weitreichende Anerkennung erhalten. Der linke Flügel der zerfallenen Partei schließt sich dem Nachfolger der Fortschrittspartei, der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), an und der rechte Flügel dem Nachfolger der Konservativen Partei, der Deutschnationalen Volkpartei (DNVP).

    Organisation

    "Honoratiorenpartei"

     

  • mitgliederschwach, Mobiliserung der Anhänger höchstens (und auch dann nicht immer!) zu Wahlzeiten
  • organisatorische Schwäche wird jedoch durch wirksame Hilfe von den Verbänden ausgeglichen, zu denen die Partei enge Beziehungen pflegte
      - Alldeutscher Verband
      - Bund der Landwirte
      - Zentralverband deutscher Industrieller

    Auch wenn die Nationalliberale Partei nach der Jahrhundertwende eine Modernisierung mit dichtem Vereinsnetz vornahm (s. Zeitleiste), war die Unterstützung durch diese Verbände z.B. mit Geldspenden, allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit und gezielter Wahlagitation unabkömmlich. Allerdings standen diese Verbände nicht uneingeschränkt hinter der Partei, sondern waren bemüht ihre Geldmittel zu streuen, sie auf verschiedene Verbände zu verteilen. Diese gewisse Abhängigkeit von diesen Verbänden führte teilweise wahrscheinlich dazu, dass Organisationen wie der völkische, imperialistische "Alldeutsche Verband" Einfluss auf die Politik nahmen. Später gesellte sich zu diesen Verbänden auch noch der DEUTSCHE FLOTTENVEREIN.

    Wählerschaft

     

  • soziale Basis des Liberalismus sehr uneinheitlich
  • Nationalliberale Partei musste folglich auseinanderstrebende Interessen vereinigen

    Sie vertrat hauptsächlich die Interessen von:

      - liberal/national eingestelltes protestantisches Bildungs- und Besitzbürgertum
      - liberal/national eingestelltes industrielles Großbürgertum
      - Großbanken und Akademiker
      - teilweise des Adels

    Von den beiden erstgenannten, wichtigsten Gruppen trat das Bildungsbürgertum vor allem für den nationalen Machtstaat ein, die Industrie für den liberalen Rechtsstaat. Beide waren jedoch vereint in ihrem Gedanken an eine KONSOLIDIERUNG DES MACHSTAATES. Von 1890 an überwogen immer mehr die Interessen der Großindustrie.

    Christian Rebhan, K12