Reformen in den Staaten Deutschlands zwischen 1803 und 1821

 

Säkularisation:

Aller Kirchenbesitz wird enteignet. Die Klöster werden aufgelöst. Alle Immobilien und Mobilien der Kirche werden sodann versteigert. Unverkäuflicher Kirchenbesitz wird zum Teil vernichtet (Kirchenkunst, Bücher u.ä.). Von dieser Maßnahme ist fast nur die katholische Kirche betroffen. Die Enteignung führt erstens zu einer kurzzeitigen Sanierung der Staaten und zu einem grundlegenden Umdenken in der Wirtschaft in den katholischen Gebieten (Semester 2). Die Geistlichen werden vom Staat besoldet bzw. erhalten sie Land zur Eigenversorgung. Mönche und Nonnen treten in den Laienstand, bzw. werden sie bei Erwerbsunfähigkeit versorgt. Die katholische Kirche betrachtet diesen Vorgang als Unrecht und betont den kulturellen Schaden. Die wirtschaftlichen Vorteile und die Modernisierung wird dagegen in der liberalen  Geschichtsschreibung betont. 

Mediatisierung:

Der Reichsdeputationshauptschluss 1803 bestimmt die politische Auflösung der geistlichen Herrschaften. Damit werden aus den regierenden Bischöfen und Äbten reine religiöse Amtsträger. Als politische Einheiten verlieren alle geistliche Herrschaften ihre Souveränität und werden den größeren weltlichen Staaten zugeschlagen. Neben allen geistlichen Gebieten werden alle weltlichen Kleinstaaten von den größeren Staaten vereinnahmt. Insgesamt verringert sich die Zahl der Herrschaften um über 800 auf ca. 100 selbstständige Gebiete. Im Gegensatz zu den kirchlichen Gebieten verlieren aber die weltlichen Kleinfürsten nicht ihr Eigentum. Die mediatisierten Fürsten bleiben im Besitz ihres Privateigentums und werden für den Verlust der politischen Herrschaft entschädigt.

Sozialreformen:

Der Berufsbeamtenstand mit festem Gehalt und Pension und geregelter Ausbildung wurde eingeführt. Das Adelsprivileg für die Besetzung des höheren Verwaltungsstellen wurde abgeschafft.

Die Strafrechtsreform, die allgemein gültige Prozeßordnung und die Steuergleichheit innerhalb der Steuerklassen wurden eingeführt.
Dazu kamen die Bauernbefreiung ( Befreiung aus direkter Befehlsabhängigkeit vom Grundherren) und die Abschaffung von Binnenzöllen
à ein Wirtschaftsraum und einheitliche Rechtsverhältnisse wurden geschaffen.

1807: Edikt zur Bauernbefreiung (Abschaffung der Erbuntertänigkeit s.Glossar)


1810/11: Gewerbefreiheit (Aufhebung der Zünfte à Mobilität) dadurch Förderung der Eigeninitiative, des Erfindungsreichtums, des Fortschritts durch technische Modernisierung; Folge aber auch: Verlust von Existenzgrundlagen vieler Meister; Konkurrenz durch Industrie zerstört das produzierende Handwerk!


1811: Regulierungsedikt (=Bauernbefreiung): Keine Frondienste mehr, stattdessen 1/3 Land abgegeben an Grundherrn à Großgrundbesitzer / Proletariat, Folgen: Landflucht; aber auch: soziales Elend/Arnut/Hunger, da der Grundherr nicht mehr für die Versorgung der Bauern verantwortlich ist. Der Bauer oder Pächter ist zwar persönlich frei, aber weiterhin finaziell abhängig.

Die allgemeine Wehrpflicht, religiöse Toleranz, eine gelockerte Pressezensur boten den Bürgern die Möglichkeit zur Identifikation mit den einzelnen Staaten;
1812: Judenemanzipation (Gleichberechtigung der Religionen)
1807: Schulpflicht (Stein: „Durch Erziehung zur Selbständigkeit und Selbsttätigkeit im Sinne Pestalozzis müssen alle Kräfte im Volke freigemacht werden.")

1818 Steuer - und Zollgesetz: Grenzzölle und Verbrauchssteuern ersetzen die Akzise

Verwaltungsreformen:

(Trennung von Justiz und Verwaltung)

Ausbildung für Staatsdiener(Beamte) à Staatsexamen

1808 Einrichtung von Fachministerien: (= Ressortprinzip)
a) Kriegsministerium
b) Inneres-
c) Finanz-
d) Justiz-
e) Äußeres-

Zentrale Verwaltungseinteilung : Einteilung in Provinzen , Regierungsbezirke , Kreise (Zentralismus)

Militärreformen:

(Entwicklung eines patriotischen Volksheeres)

- Abschaffung entehrender Prügelstrafen

- 1814: Einführung der allgemeinen Wehrpflicht

- Aufbau einer neuen Führung (Militärakademien) zur Vermittlung von militärischen Kenntnissen und zur Förderung der Allgemeinbildung der Offiziersanwärter)

- Abschaffung des Adelsmonopols für die Offiziersstellen

- Bildung von Reserven nach dem Krümpersystem (s. Glossar)

- Rekrutierung: Nur noch „Landeskinder" à Wehrdienst soll nicht mehr als verhaßter Zwang sondern als patriotische Verpflichtung empfunden werden

 

Glossar:

Akzise: 1) indirekte Verbrauchs und Verkehrssteuer 2) Historischer Zoll

Erbuntertänigkeit: Strenge Abhängigkeit vom Gutsherrn. Diese äußerte sich zum Beispiel in der Verpflichtung zu ungemessenen Fronen. Mit der Erbuntertänigkeit verbundene Abgaben sind zum Beispiel Heiratserlaubnisgebühren

Gewerbefreiheit: Das Recht des Staatsbürgers, jedes Gewerbe oder jeden Beruf zu betreiben

Judenemanzipation: Juden dürfen Gemeindebürgerrecht erwerben, alle Gewerbe ausüben, Grundbesitz kaufen. Juden werden zu akademischen Berufen zugelassen

Krümpersystem: Durch diese System wird eine militärische Reserve geschaffen (von Krümper: kurzfristig ausgebildete Rekruten )

Proletariat: Die wirtschaftlich abhängige, besitzlose Arbeiterklasse

Zentralismus: Das Bestreben, Politik und Verwaltung eines Staates zusammenzuziehen und nur eine Stelle mit der Entscheidung zu betrauen

Übersicht