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„Im Namen der Burschenschaft zu Jena"
erging am 11. August 1817 eine Einladung an die Studentenschaft von
dreizehn protestantischen deutschen Universitäten, sich im Oktober auf
der Wartburg zu treffen. Es sei Gelegenheit, hieß es weiter, das Fest
der drei schönen Beziehungen begehen zu können, „ (...)nämlich [das
der Reformation, des Sieges bei Leipzig und der ersten freudigen und
freundschaftlichen Zusammenkunft deutscher Burschen(...)"
Bezeichnenderweise legten die Studenten das Fest nicht auf den
Reformationstag, den 31. Oktober, sondern auf den 18./19. Oktober. Das
waren die Jahrestage der Völkerschlacht von 1813. Hier hatte sich das
Blatt gegen Napoleon gewendet.
Am 18. und 19. Oktober 1817 fanden sich rund
500 Studenten (=Burschen) auf der Wartburg bei Eisenach in
Thüringen zusammen. Dass die Wartburg zum Schauplatz des ersten
Nationalfestes wurde, war kein Zufall. Eisenach lag 1817 im Zentrum des
aus 38 Staaten zusammengewürfelten Deutschen Bundes, der als Folge des
Wiener Kongresses 1815 entstanden war.
Die Wartburg lag auf dem Gebiet des
Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Sachsen- Weimar war zwar ein
politisch unbedeutender und schwacher Kleinstaat, aber zeichnete sich
seit mehr als einem Jahrhundert durch sein reges Geistesleben aus.
Goethe war hier Geheimer Rat, Schiller, Wieland und Herder hatten hier
gewirkt. Die Nebenresidenz Eisenach mit der Wartburg hatte für das
Herzogtum eine besondere Bedeutung, die eng mit einem nationalen, damals
noch partikularistisch-konfessionell gefärbten Geschichtsbild
zusammenhing. Das Großherzogtum war Teil des ehemaligen ernestinischen
Kurstaates, dem Mutterland der Reformation, dessen Kurfürst Friedrich
der Weise Martin Luther auf der Wartburg Asyl gewährt hatte. Die
Behörden genehmigten das Fest, das nur als Jubiläumsfeier der
Reformation (300 Jahre) angemeldet war.
„Nur im Ganzen ist Heil", so lautete eine
der Losungen der Burschen, die daran erinnerte, dass das deutsche Volk
immer noch nicht in einem Nationalstaat vereinigt war. Es darf nicht
verwundern, dass die Ideen eines Gesamtstaates gerade von den Studenten
so lebhaft verteidigt wurde. Viele von ihnen hatten in den
Freiheitskämpfen gegen Napoleon gefochten. Sie waren von dem Gedanken
getragen, an die Stelle des 1806 aufgelösten Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation einen Staat zu setzen, der die vielen einzelnen
Fürstentümer überwinden und zusammenfassen sollte. Doch der Wiener
Kongress setzte 1815 auf Restauration und stellte, von einigen
Veränderungen abgesehen, die aber für Deutschland nicht relevant
waren, die europäische Staatenordnung, wie sie vor Napoleons Aufstieg
bestanden hatte, wieder her. Als 1815 der Deutsche Bund gegründet
wurde, der nur einen lockeren Zusammenhalt der einzelnen
Territorialstaaten vorsah, fühlten sich viele der früheren
Freiheitskämpfer um ihre Ideale betrogen. Der Deutsche Bund erfüllte
keinesfalls die Forderungen nach einem einheitlichen Nationalstaat, den
sich weite Kreise der Bevölkerung wünschten. Besonders die Studenten
waren enttäuscht. Mit patriotischen Appellen und liberalen Versprechen
hatte man sie für den Kampf gegen Napoleon begeistert. Doch nun
sperrten sich die deutschen Fürsten gegen freiheitliche Ideen und einen
Nationalstaat.
Die Studenten waren jedoch nicht gewillt, dies
hinzunehmen. Die „Allgemeine Deutsche Burschenschaft", die 1815
in Jena gegründet worden war, wurde zur Keimzelle einer Bewegung, die
Deutschlands Einigung zum Ziel hatte. Dabei erhielten die Burschen
Unterstützung von der Turnerbewegung, deren bekanntester Vertreter „Turnvater"
Friedrich Ludwig Jahn war, und auch von einigen Professoren der Jenaer
Universität.
Der Einladung auf die Wartburg waren etwa 500
Studenten von elf Universitäten gefolgt. Das war eine ansehnliche Zahl,
wenn man bedenkt, dass die Gesamtzahl der 1817 an deutschen
Universitäten Studierenden nur rund 8500 betrug. Etwa die Hälfte aller
Burschen kamen aus Jena. Daneben nahmen Studenten unter anderem aus
Berlin, Göttingen, Halle, Heidelberg, Erlangen und Kiel am Wartburgfest
teil.
Am Morgen des 18. Oktober um sechs Uhr verkündete das Geläut aller
Kirchen von Eisenach den Anbruch des Festes. Nachdem sich die
Burschenschaft auf dem Marktplatz versammelt hatte, zog man auf die
Wartburg. An der Spitze des Zuges schritt als Anführer und Ordner der
Jenaer Student und spätere Philosophieprofessor Karl Hermann Scheidler.
Das Hauptanliegen des Wartburgfestes umriss der
Jenaer Student Heinrich Hermann Riemann in seiner Rede:
„Zu Beginn(...) ist es nötig, dass wir uns
verständigen über
den Zweck unserer Zusammenkunft, der nach meiner
Ansicht dieser ist und kein anderer sein kann:
Dass wir gemeinschaftlich das Bild der Vergangenheit uns
vor die Seele rufen, um aus ihr Kraft zu schöpfen für die
lebendige Tat in der Gegenwart; dass wir gemeinschaftlich
uns beraten über unser Tun und Treiben, unsere Ansichten
austauschen, das Burschenleben in seiner Reinheit uns
anschaulicher zu machen suchen; und endlich, dass wir
unserem Volke zeigen wollen, was es von seiner Jugend zu hoffen
hat."
In weiteren Festansprachen wurde zur Einheit und
Freiheit Deutschlands aufgerufen. Damals wirkten öffentliche Reden, in
denen ein einheitliches Vaterland gefordert wurde, provozierend. Brisant
wurde es aber erst, als nach dem Ende der offiziellen Feier eine kleine
radikale Gruppe der Studenten im Andenken an Luthers Verbrennung der
Bannandrohungsbulle 1520 mehrere Schriften verbrannten, die man als
reaktionär und undeutsch empfand. Dazu wurden noch einige
Uniformstücke (Ulanenschnurleib, Korporalstock und Zopf) ins Feuer
geworfen, um so gegen Fürstenherrschaft und Unterdrückung zu
demonstrieren.
Besonders dieser Vorgang ließ die
Polizeibehörden in Preußen und Österreich aufhorchen. Man
befürchtete eine Verschwörung oder gar einen Umsturz. Der preußische
König ließ Teilnehmer des Festes vernehmen und Polizeiakten anlegen.
Die Befürchtungen wurden knapp zwei Jahre später scheinbar bestätigt,
als der Burschenschafter Karl Ludwig Sand den als reaktionär und
antideutsch verfemten Literaten August von Kotzebue ermordete. Diese Tat
eines Einzeltäters war der äußere Anlass, eine konsequente Verfolgung
und Unterdrückung der Burschenschaft einzuleiten. Mit den Karlsbader
Beschlüssen 1819 wurde die Urburschenschaft verboten, die
Universitäten überwacht und die Meinungsfreiheit durch eine rigorose
Pressezensur beschränkt.
Die große Bedeutung des Wartburgfestes von 1817
liegt in der Tatsache, dass hier ein politischer Wille nicht von oben
verordnet wurde, sondern dass es eine Bewegung aus dem Volk war. Die
Studenten auf der Wartburg traten zum ersten Mal in der Geschichte
öffentlich für ein national geeintes, wie freiheitlich bestimmtes
Deutschland ein. Einige wenige Studenten verlangten sogar ein
demokratisches Deutschland. Die Ideen des Wartburgfestes fanden trotz
der staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen zunehmend Anhänger. Und so
wurde das Hambacher Fest fünfzehn Jahre später mit etwa 20 bis 30.000
Teilnehmern ein echtes Volksfest, das aber nicht weniger als die Feier
auf der Wartburg den Charakter einer politischen Kundgebung hatte.
Zug der Burschenschaftler auf die Wartburg, 18.
Oktober 1817 (2 zeitgenössische Darstellungen)
Aufgaben
- Informiere Dich über den doppelten
Jubiläumscharakter des 18. Oktober 1817.
- Beschreibe die Art und Weise, wie die
Menschen zur Wartburg ziehen.
- Erläutere die Grundstimmung, die aus
der Anordnung der Personen auf dem Bild deutlich wird.
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