Justiz in der Weimarer Republik –

Auf dem rechten Auge sind sie blind 

 

„Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen."

(Artikel 104 der Weimarer Reichsverfassung)

Dieser Artikel konnte es den Richtern ermöglichen, willkürlich und nach eigenem Gutdünken „Recht" zu sprechen. Außerdem garantierte die Verfassung den Richtern eine Amtszeit auf Lebenszeit. Dadurch wurden sie buchstäblich durch die Verfassung und vor der Verfassung geschützt.

 

Aufgrund der Tatsache, dass die neue Regierung einfach nicht genug Juristen in ihren Reihen hatte, da die SPD vor allem aus Vertretern der Arbeiter- und Angestelltenschicht bestand, mußte die Revolutionsregierung zwangsläufig Beamte aus der Zeit vor dem 1.Weltkrieg einsetzen.

Diese Beamten aus dem konservativen höheren Bürgertum jedoch waren noch geprägt von Bismarckscher Reaktion, der wilhelminischen Zeit und dem Kaiserreich und hatten eine starke Abneigung gegen die ihnen ihrer Meinung nach aufdiktierten Demokratie. Diese „Staatsdiener" erwiesen sich als republikfeindlich und vom völkischen Denken beeinflußt.

Ein Beispiel für den milden Umgang der Justiz mit politischen Morden, die von rechter Seite verübt wurden, ist das Urteil zur Ermordung von Kurt Eisner, der am 21.Februar 1919 auf offener Straße von Graf Arco-Valley erschossen wurde. Graf Arco wurde erst zur Todesstrafe verurteilt, dann begnadigt auf „Lebenszeit", schließlich wurde er einige Jahre später entlassen und als bayrischer Volksheld gefeiert.

Auf diese oder ähnlich rechtlich äußerst zweifelhafte Weise wurde mit den politischen Morden an Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Hugo Haase, Matthias Erzberger, Walther Rathenau und vielen anderen verfahren.

Gegenüber Juden, Kommunisten bzw. allgemein links Eingestellten legten die Richter strengste Maßstäbe an und bestraften ungemein hart und ungerechtfertigt.

Auch wurden Strafverfahren willkürlich und ohne jegliche Grundlage aufgebaut, Zeugen plötzlich als „unglaubwürdig" aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit eingestuft oder beeinflußt und rechte Täter aus Mangel an Beweisen entlassen oder freigesprochen, obwohl ihre Schuld zweifelsfrei erwiesen war. Außerdem wurden Tatsachen vertuscht, Beweise unterschlagen oder erschwindelt, um Rechte möglichst mild, auf der anderen Seite aber um Linke so hart wie nur denkbar zu bestrafen.

Anläßlich einer Reichstagsdebatte am 26.Juni 1922 nach der Ermordung Rathenaus sagte Wels, ein Abgeordneter der SPD : „Die Justiz in unserem Lande ist ein Skandal, der zum Himmel schreit. [...] Die in ihr betätigte Reaktion unterwühlt die Grundfesten der Republik."

Die katastrophale Lage in der Justiz erreichte ihren Gipfel 1924 durch die Urteile zum Hitler-Putsch ein Jahr zuvor. Bei diesem Prozess bekamen die Haupttäter die Mindeststrafe von 5 Jahren für Landes- und Hochverrat und eine kleine Geldstrafe. Ein halbes Jahr später wurden sie dann auf Bewährung freigelassen. Bei sehr vielen der Putschisten kam es überhaupt nicht zur Anklage. Dadurch erst konnte Hitler seine Partei neustrukturieren und die Machtergreifung überhaupt durchführen.

Die Juristen waren es auch, die im Jahre 1928 die erste berufsbezogene nationalsozialistische Organisation gründeten : den „Bund Nationalsozialistischer Juristen".

Auch führte der häufige Wechsel der Regierung zu einer starken, selbstbewußten Position der Richter, die im Gegensatz zu den Justizministern dieser Jahre durch Kontinuität bestachen (16 verschiedene Minister in einem Zeitraum von 14 Jahren).

Die wohlwollende Toleranz gegenüber politischen Verbrechen, die von rechts begangen wurden, und die ungerechtfertigte Härte gegen Vergehen von links waren unter anderem die Ursache dafür, dass die Weimarer Republik scheiterte. Sie ermöglichte es der Gegenrevolution, Fuß zu fassen, ermunterte die Staatsfeinde fast zu Verbrechen, und machte die Staatsbürokratie der Weimarer Republik und sie selbst nahezu lächerlich.

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