Friedrich Ebert (SPD)

Rede vom 26. Juni 1922 am Sarg von Walther Rathenau

In tiefer Erschütterung stehen neben den Familienangehörigen des Toten wir, die Vertreter des deutschen Volkes, an diesem Sarge, der die irdischen Überreste des Reichsministers Dr. Rathenau birgt. Mit Verwandten trauert in herbem Schmerze die deutsche Nation um diesen Mann, der im Dienste des deutschen Volkes stand, für des Reiches Wohl arbeitete und für Deutschlands Zukunft Wertvolles zu leisten berufen war wie wenig andere. Walther Rathenau war ein Mensch seltener Eigenart; ausgestattet mit großen und mannigfachen Gaben des Geistes, gerüstet mit Erfahrungen des wirtschaftlichen und geistigen Lebens unseres Landes wie des Auslandes, glänzend in Lauterkeit des Charakters und in Güte des Herzens, ragte er weit hinaus über das Durchschnittsmaß der Menschen. Mit dieser Fülle großer Eigenschaften war er --als mein Ruf an ihn erging -- ohne Zögern, opferfreudig das ruhige Leben, seine Neigungen, seine bevorzugte Stellung im Wirtschaftsleben dahingehend, in den Dienst des Reiches und des deutschen Volkes getreten. Walther Rathenau war dazu geschaffen, ein wirklicher Staatsmann, ein Führer der Nation aus dem Wirrnis der Zeit in eine lichtere Zukunft zu sein. Gehoben durch das Ansehen, das er als Führer deutscher Industrie nicht nur im deutschen Wirtschaftsleben, sondern in der ganzen Welt schon früher genoss, gestützt auf den Eindruck und die Macht seiner Persönlichkeit, galt sein Wort in der Welt und in den Kreisen, die sie zur Zeit beherrschen; er war es in erster Linie, dem die Aufgabe gestellt werden konnte, unser Volk wieder enger in die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Völker einzufügen zu unserem eigenen Heile wie zur Gesundung der Welt.

Die Kugeln feiger Mordgesellen haben ihn aus diesem Wege herausgeschleudert. Aber die verruchte Tat traf nicht den Menschen Rathenau allein, sie trifft Deutschland in seiner Gesamtheit. Gerichtet war die Bluttat gegen die Deutsche Republik und gegen den Gedanken der Demokratie, deren überzeugter Vorkämpfer und Verfechter Dr. Walther Rathenau war, aber sie ist in ihrem Erfolg über dieses Ziel des  blutigen Parteikampfes in das Riesenmaß des Frevels gewachsen, sie ist ein Anschlag auf die Nation, der sie einender besten Patrioten, der fähigsten Köpfe und Vorkämpferdeutschen Aufbaues raubte, sie ist ein Verbrechen an unserem arbeitsamen, duldenden und hoffenden Volke, das sie in Abwehr der Frevel aufs neue in den zersetzenden Kampf der Leidenschaften zu reißen droht.

Wir haben uns hier in dieser Stunde zusammengefunden, die Leitung des Reiches wie die Vertreter der Länder, die Abgeordneten des Reichstagsund andere Männer des öffentlichen Lebens, mit einem Worte, die Vertreter des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit, um unser Entsetzen und unseren Abscheu kundzutun über diese Tat, begangen von Menschen, die außerhalb der Gemeinschaft des deutschen Volkes stehend, diesen Mann gefällt und Deutschland diesen unheilvollen Schlag zugefügt haben. Gleichzeitig aber wollen wir dem Toten von ganzem Herzen danken namens der Deutschen Republik, des deutschen Volkes, für all das, was er in aufopfernder und reiner Liebe zum Vaterland für Deutschland getan hat. Möge aus dem Wirken und Arbeiten Dr. Walther Rathenaus, möge aus seinem Geiste Frucht aufgehen für uns alle, für die Zukunft unseres Vaterlandes. Mit heißem Dank und mit der Versicherung unvergänglichen Gedenkens bringe ich dem toten Freunde und Mitarbeiterden letzten Gruß des deutschen Volkes dar.

Friedrich Ebert, Schriften, Aufzeichnungen, Reden. Bd. 2. Dresden: Carl Reisser Verlag, 1926, S. 241-243.

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