Kurt von Schleicher (parteilos)

Rundfunkansprache über Wehrmacht und Reichspolitik, 26. Juli 1932

"Das Land hat die höchste Staatsautorität, in dem ein einzelner Gendarm einen ganzen Kreis in Ordnung halten kann. [...] ich möchte noch hinzufügen, daß mich in den letzten Wochen nichts so sehr geärgert hat -- und ich ärgere mich nicht leicht -- wie die Behauptung, ich hätte die Reichswehr in den politischen Meinungsstreit eingespannt. [...] Das Schlagwort, Junker und Generäle hätten die Regierung Brüning gestürzt, ist eine glatte Lüge. Solange ich an dieser Stelle stehe, dessen können alle Parteien gewiß sein, werde ich es niemals zulassen, daß die Wehrmacht ihre überparteiliche, nur dem Volksganzen dienende Haltung ändern oder gar aufgeben wird. [...] Daß ich als Wehrminister den Siedlungsgedanken auf das Wärmste begrüße, liegt auf der Hand. Für die Landesverteidigung ist es eine Lebensfrage, daß an der Ostgrenze eine mit ihrem Boden verwurzelte Bevölkerung steht, die, soweit es in derartigen Notzeiten Oberhaupt möglich, krisenfest ist und zahlreiche Menschen als selbständige Existenzen auf dem platten Lande festhält. [...] Eine der schönsten Soldatentugenden ist die Kameradschaft. [...] Dieser Gedanke der Kameradschaft umschließt die nationale und die soziale Aufgabe der Wehrmacht. Die nationale Aufgabe, das ist die alle Volkskreise umfassende und eingehende Pflicht der Landesverteidigung. Die soziale Aufgabe, das ist die Verbundenheit der Wehrmacht mit den Schicksalen aller Volksschichten. Sowenig die Reichswehr eine Parteitruppe ist, so wenig ist sie die Schutzmacht irgendwelchen Klassen oder Interessenten. Sowenig will sie überlebte Wirtschaftsformen oder unhaltbare Besitzverhältnisse decken. [...]

Zum Schluß lassen Sie mich noch einmal auf die sogenannte Militärdiktatur zurückkommen, von der ihre Anhänger das große Wunder erhoffen, die für ihre Gegner aber der Inbegriff alles Scheußlichen bedeutet. Zunächst glaube ich, daß sich unter Militärdiktatur jeder etwas anderes vorstellt. Wenn man darunter das versteht, was das Wort sagt, nämlich die diktatorische Regierung der Wehrmacht, so halte ich eine solche Regierungsform in Deutschland für völlig ausgeschlossen, weil die Wehrmacht nie, etwas anderes tun wird, als den Befehlen ihres Oberbefehlshabers, des durch eine überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes gewählten Reichspräsidenten von Hindenburg, zu folgen. Wenn man unter Militärdiktatur aber eine Regierung versteht, die sich nur auf die Bajonette der Reichswehr stützt, so kann ich dazu nur sagen, daß eine solche Regierung im luftleeren Raum sich schnell abnutzen und letzten Endes zum Mißerfolg führen muß. In Deutschland vielleicht mehr noch als in manchen anderen Ländern muß die Regierung von einer breiten Volksströmung getragen sein. Ich glaube sagen zu dürfen, daß ich in dieser Hinsicht gerade in den letzten Woche klarer gesehen habe und weniger militaristisch gewesen bin wie mancher Politiker, der sich oft und gern zur Demokratie bekennt, aber sofort zur Diktatur der Bajonette bereit ist, wenn seine persönliche Machtposition oder die seiner Partei es notwendig macht. Deshalb, meine verehrten Zuhörer, bin ich kein Freund der Militärdiktatur. Aber ich wünsche Deutschland, gerade in der jetzigen schweren Zeit, eine Regierung, die die größten Soldatentugenden besitzt: Mut, Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit."

Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main

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