Die Forderungen des Volkes in Baden:
I. Wiederherstellung unserer verletzten Verfassung.
Art. 1. Wir verlangen, daß sich unsere
Staatsregierung lossage von den Karlsbader Beschlüssen vom Jahr 1819,
von den Frankfurter Beschlüssen von 1831 und 1832 und von den
Wiener Beschlüssen von 1834. Diese Beschlüsse verletzen gleichmäßig
unsere unveräußerlichen Menschenrechte wie die deutsche Bundesakte und
unsere Landesverfassung.
Art. 2. Wir verlangen Preßfreiheit; das
unveräußerliche Recht des menschlichen Geistes, seine Gedanken unverstümmelt
mitzuteilen, darf uns nicht länger vorenthalten werden.
Art. 3. Wir verlangen Gewissens- und
Lehrfreiheit. Die Beziehungen des Menschen zu seinem Gotte gehören seinem
innersten Wesen an, und keine äußere Gewalt darf sich anmaßen, sie nach
ihrem Gutdünken zu bestimmen. Jedes Glaubensbekenntnis hat daher Anspruch
auf gleiche Berechtigung im Staate.
Keine Gewalt dränge sich mehr zwischen Lehrer und
Lernende. Den Unterricht scheide keine Konfession.
Art. 4. Wir verlangen Beeidigung das Militärs
auf die Verfassung.
Der Bürger, welchem der Staat die Waffen in die Hand
gibt, bekräftige gleich den übrigen Bürgern durch einen Eid seine
Verfassungstreue.
Art. 5. Wir verlangen persönliche Freiheit.
Die Polizei höre auf, den Bürger zu bevormunden und zu
quälen. Das Vereinsrecht, ein frisches Gemeindeleben, das Recht des Volkes,
sich zu versammeln und zu reden, das Recht des Einzelnen, sich zu ernähren,
sich zu bewegen und auf dem Boden des deutschen Vaterlandes frei zu
verkehren - seien hinfüro ungestört.
II. Entwicklung unserer Verfassung.
Art. 6. Wir verlangen Vertretung des Volks beim
deutschen Bund.
Dem Deutschen werde ein Vaterland und eine Stimme in
dessen Angelegenheiten. Gerechtigkeit und Freiheit im Innern, eine feste
Stellung dem Auslande gegenüber gebühren uns als Nation.
Art. 7. Wir verlangen, eine volkstümliche
Wehrverfassung. Der waffengeübte und bewaffnete Bürger kann allein den Staat
schützen.
Man gebe dem Volke Waffen und nehme von ihm die
unerschwingliche Last, welche die stehenden Heere ihm auferlegen.
Art. 8. Wir verlangen eine gerechte
Besteuerung. Jeder trage zu den Lasten des Staates nach Kräften bei. An die
Stelle der bisherigen Besteuerung trete eine progressive Einkommensteuer.
Art. 9. Wir verlangen, daß die Bildung durch
Unterricht allen gleich zugänglich werde.
Die Mittel dazu hat die Gesamtheit in gerechter
Verteilung aufzubringen.
Art. 10. Wir verlangen Ausgleichung des
Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Kapital.
Die Gesellschaft ist schuldig, die Arbeit zu heben und
zu schützen.
Art. 11. Wir verlangen Gesetze, welche freier
Bürger würdig sind und deren Anwendung durch Geschworenengerichte.
Der Bürger werde von dem Bürger gerichtet. Die
Gerechtigkeitspflege sei Sache des Volkes.
Art. 12. Wir verlangen eine volkstümliche
Staatsverwaltung.
Das frische Leben eines Volkes bedarf freier Organe.
Nicht aus der Schreibstube lassen sich seine Kräfte regeln und bestimmen. An
die Stelle der Vielregierung der Beamten trete die Selbstregierung des
Volkes.
Art. 13. Wir verlangen Abschaffung aller
Vorrechte.
Jedem sei die Achtung freier Mitbürger einziger Vorzug
und Lohn.
Offenburg, 12. September 1847.
(Buchdruckerei von Heinrich Hoff in Mannheim)
zitiert nach:
Revolution 1848
Die Forderungen des Volkes. |