Erklärung der Ministerpräsidenten 7.6.47 München

 

 

Seit zwei Jahren wartet das deutsche Volk vergeblich auf eine Klärung seines Schicksals. Alle Versuche, sie herbeizuführen, sind bisher gescheitert. Abgeschlossen von der Welt, in vier Zonen zerrissen, in Unkenntnis seiner politischen Zukunft, ohne unmittelbare Verbindung zu der in Deutschland zur Zeit verantwortlichen Regierung der Alliierten, ohne den lebensnotwendigen Außenhandel und daher auch ohne die erforderlichen Rohstoffe für seine Industrie, ohne sichere industrielle Basis, außerstande, über den Ertrag seiner wichtigsten landwirtschaftlichen Gebiete zu verfügen, sinkt das deutsche Volk in wirtschaftlicher Selbstaufzehrung von Monat zu Monat in immer größere Verelendung und Not.

Die Ministerpräsidenten haben sich daher in München zusammengefunden, um klar und nüchtern festzustellen, unter welchen Bedingungen der völlige Zusammenbruch verhindert und eine Wandlung zum Besseren herbeigeführt werden kann. Die Ministerpräsidenten fühlten sich vor ihrem Gewissen verpflichtet, rückhaltlos die Gründe der jüngsten Entwicklung aufzuzeigen, um ihrer Verantwortung vor dem deutschen Volke zu genügen.

Wenn es gegen das Völkerrecht war, dass Hitler die Welt mit einem verbrecherischen Krieg überzog, so widerspricht es ebenso den gültigen Grundsätzen des Völkerrechts, einem demokratischen Deutschland Frieden und ausreichende Lebensmöglichkeiten zu versagen. Das zerstörte und abgerüstete Deutschland ist keine Gefahr für die Welt, wohl aber ein Deutschland, das, verelendet, zu einem Seuchenherd für alle anliegenden Völker wird und damit den Wiederaufbau Europas gefährdet. Darum muss die deutsche Frage unverzüglich geregelt werden.

Die Ministerpräsidenten haben Vorschläge ausgearbeitet, die sie den Militärregierungen überreichen. Eine Delegation von vier Länderchefs ist beauftragt, dem Kontrollrat nähere Erklärungen und Erläuterungen mündlich vorzutragen.

Die Ministerpräsidenten rufen das deutsche Volk auf, unter Anspannung aller Kräfte ihren Versuch, eine Wendung zum Besseren herbeizuführen, zu unterstützen und unter Zurückstellung aller Gegensätze gemeinsam an der Wiederherstellung eines friedlichen demokratischen Deutschland zu arbeiten. 

II. Die in München versammelten Chefs der deutschen Länderregierungen können ihre Beratungen zur Steuerung der unmittelbaren Not des deutschen Volkes im kommenden Winter nicht schließen, ohne vor der ganzen Welt das große Ziel der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands aufzustellen und den Willen zu friedlicher Zusammenarbeit mit allen Völkern ausdrücklich zu bekunden.

Der Neuaufbau unseres Lebens kann aber nur auf dem Wege echter Demokratie verwirklicht werden, in der alle Grundrechte menschlicher Freiheit gewährleistet sind.

Nur wenn sich die Maßnahmen des Staates ausschließlich auf den in freien Wahlen festgestellten Willen des Volkes berufen können, besteht Aussicht, das hohe Ziel der friedlichen Völkergemeinschaft, der Freiheit von Furcht und des wahren sozialen Fortschrittes zu erreichen.

  

Welche Vorstellungen haben die westdeutschen Ministerpräsidenten im Jahre 1947 von einem zukünftigen Deutschland