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Die Wurzeln der
marktwirtschaftlichen Ordnung liegen fast 300 Jahre zurück. Man kann
hier die Quellen für die vier Grundprinzipien finden, aus denen sich
letztlich das System der Marktwirtschaft entwickelte:
- Das Prinzip des Individualismus
und Skeptizismus, das auf J. Locke, D. Hume und I. Kant zurückgeht
und die Autonomie des Menschen gegenüber Autoritäten und der Natur
herausstellt. Es ist die gemeinsame Grundlage von Demokratie und
liberaler Wirtschaftsordnung.
- Das Harmonieprinzip, die
"harmonia praestabilata", von der G.W. Leibniz sagt, daß
sie als natürliche, gottgewollte Ordnung im menschlichen Leben
existiert. Es ist von A. Smith als Grundlage des Marktes übernommen
worden.
- Das Prinzip des Utilitarismus
eines J. Bentham, der in dem Streben des Einzelnen nach Erfolg und
Glück (Leistungsprinzip) die Grundlage für den größten Erfolg
einer Gemeinschaft sah.
- Das Selektionsprinzip, das in
den biologischen Analysen eines C. Darwin zwar erst später
publiziert wurde, jedoch als Auslese im Wettbewerb durchaus auch
vorher bekannt war.
Aus diesen Quellen entwickelten die
klassischen Nationalökonomen, mit Adam Smith (1723 - 1790) und seinem
wichtigsten Werk "An inquiry into the nature and causes of the
wealth of nations" (1776) die Grundkonzeption der Marktwirtschaft.
Als die beiden wichtigsten Merkmale dieser kapitalistischen
Wirtschaftsordnung kann man das individuelle, private Eigentum (auch an
Produktionsmitteln) und den Leistungswettbewerb ansehen. Angebot und
Nachfrage bestimmen den Preis, die Art und die Menge der produzierten Güter.
Das setzt allerdings voraus, daß eine Vielzahl von Produzenten
vorhanden ist, die sich im Konkurrenzkampf gegenüberstehen.
Mit der Sozialen Marktwirtschaft
wird versucht, den negativen Begleiterscheinungen eines solchen
Wirtschaftssystems entgegenzuwirken und Ungerechtigkeiten der
Marktwirtschaft zu vermeiden. Die meisten Merkmale der freien
Marktwirtschaft werden zwar übernommen; doch erfolgt eine - nicht
allgemeingültig festgelegte - Veränderung, Ergänzung, Abwandlung mit
drei Zielsetzungen:
- Wettbewerbspolitische Ziele: Da der
Wettbewerb die Tendenz hat "sich selbst zu vernichten"
(wenn ständig Wettbewerber im Leistungskampf ausscheiden und keine
neuen nachkommen), muß der Staat für eine Aufrechterhaltung des
Wettbewerbs und eine Sicherung der Stellung der - systembedingt schwächeren
- Verbraucher sorgen.
- Stabilitätspolitische Ziele: Da das
Wirtschaftssystem bei der marktwirtschaftlichen Selbststeuerung längere
Phasen von höherer Arbeitslosigkeit mit sich bringen kann, muß der
Staat vorsorgend eingreifen, um den Wirtschaftsablauf zu
verstetigen.
- Sozialpolitische Ziele: Da das
Wirtschaftssystem leistungsbetont ist und sein muß, wenn es
funktionieren soll, kann es zu nicht hinnehmbaren Härten für
Leistungsschwache kommen, die - bei Vorrang des Subsidiaritätsprinzips
- durch den Staat korrigiert werden müssen. Dazu trägt
insbesondere das System der progressiven Besteuerung bei, bei dem
die besonders Leistungsfähigen die Hauptlast tragen, während die
wenig oder nicht Leistungsfähigen nicht zu den staatlichen
Leistungen beitragen müssen, sondern Transferzahlungen erhalten.
Der Begriff "Soziale
Marktwirtschaft" wurde wohl erstmals 1946 gebraucht. Vertreten
wurde er in einer zunächst kontroversen Diskussion von A. Müller-Armack,
dem geistigen Führer der Erneuerung des Wirtschaftssystems in der
Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Ludwig Erhard,
Wirtschaftsminister und später auch Bundeskanzler, füllte diesen
Begriff mit praktischen und politischen Inhalten. Dabei sollte man aber
nicht vergessen, daß schon in der Zeit der hitlerschen
Zentralverwaltungswirtschaft in Deutschland eine Gruppe von
Wissenschaftlern der "Freiburger Schule", unter ihnen Franz Böhm
und Walter Eucken, die Idee einer Wirtschaftsordnung entwarfen, die zwar
freiheitlich angelegt, aber staatlich ausgestaltet und sozial
verpflichtend sein sollte.
Die Initiatoren sahen in der Sozialen Marktwirtschaft einen dritten Weg
zwischen unkontrolliertem Liberalismus und totalitärem Zentralismus.
Die Soziale Marktwitschaft kann als eine Ordnung definiert werden, deren
Ziel es ist, auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie
Initiative mit einem gerade durch die marktwirtschaftliche Leistung
gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden. Auf der Grundlage einer
marktwirtschaftlichen Ordnung kann ein vielgestaltiges und vollständiges
System sozialen Schutzes errichtet werden. (Müller-Armack)
Zu den wichtigen Wesensmerkmalen einer
Sozialen Marktwirtschaft kann man rechnen:
- Persönliche Freiheit
- Die persönliche Freiheit der
Menschen erstreckt sich auch auf die wirtschaftliche Freiheit, d.h.
Produktionsfreiheit, Handelsfreiheit, Gewerbefreiheit, freie
Berufswahl, freie Arbeitsplatzwahl, Konsumfreiheit u.a.m. Dabei ist
zu beachten, daß die Freiheiten nicht zum Schaden anderen Menschen
ausgenutzt werden dürfen.
Soziale
Sicherheit
- Die soziale Sicherheit der Menschen
wird gewährleistet. Der Staat soll dort helfen, wo einzelne oder
eine Gruppe nicht oder nur schwer überlebensfähig sind.
Wirtschaftliches
Wachstum
- Dieses drückt sich vor allem in
einer Zunahme des Inlandsprodukts aus, das dazu beitragen muß, die
Lebensqualität in der Gesellschaft zu verbessern.
Die Soziale Marktwirtschaft kann nur als
Prozeß und nicht als abgeschlossenes Regelungssystem angesehen werden.
Sie soll in der sich ständig wandelnden Gesellschaft immer wieder
optimale Lösungen im Spannungsfeld von individueller Freiheit und
sozialer Bindung finden, d.h. die im Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland verankerten sozioökonomischen Freiheitsrechte und die
ebenfalls dort verankerte sozialstaatliche Verpflichtung gleichzeitig
sichern.
- Art. 2:
Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt ...
- Art. 12:
Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen.
- Art. 14:
Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.
- Art. 20:
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat.
Da sich diese Aufgabe laufend neu stellt,
wird die Konkretisierung von übergeordneten Zielen wie Freiheit,
Wohlstand und soziale Gerechtigkeit im Zeitablauf immer wieder anders
aussehen. Die Schaffung einer Wirtschaftsordnung ist also eine
permanente Gestaltungsaufgabe.
MARKT, Ausgabe 21
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