NS-Kulturpolitik
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"... Im Lautsprecher Höre ich die Siegesmeldungen des Abschaums. Neugierig Betrachte ich die Karte des Erdteils. Hoch oben in Lappland Nach dem nördlichen Eismeer zu Sehe ich noch eine kleine Tür" |
Dieser Auszug aus einem Gedicht Bertolt Brechts vermittelt eindringlich die Situation vieler deutscher Intellektueller, die aus politischen und ideologischen Gründen oder wegen ihrer jüdischen Herkunft vor der Alternative Emigration oder Konzentrationslager standen und verzweifelt nach einem Ausweg aus dem besetzten Europa suchten.
Wie konnte es dazu kommen, dass man für ein Buch, ein Bild oder eine Skulptur um sein Leben fürchten mußte?
Schon Ende der zwanziger Jahre hatten u.a. Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler die "Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur" (die später in "Kampfbund für deutsche Kultur" umbenannt wurde) gegründet und mit Hilfe von einflussreichen Förderern und zahlreichen renommierten Rednern sowie durch ein dichtes Organisationsnetz die sogenannte "Entartete Kunst" bekämpft und die öffentliche Meinung zu beeinflussen versucht. Beispielsweise wurden auf öffentlichen Vorträgen die Werke von Otto Dix und George Grosz mit Bildern von Patienten aus psychiatrischen Kliniken verglichen. Nur Erzeugnisse, die der nationalsozialistischen Weltanschauung dienten, betrachtete man als Kulturgut, alles andere sollte der Ächtung verfallen.
Die systematische Überwachung des deutschen Geisteslebens durch den NS-Staat begann am 22. September 1933 mit der Einrichtung einer Reichskulturkammer, die dem "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", Joseph Goebbels, unterstand. In ihr wurden Unterabteilungen für Schrifttum, Musik, Bildende Künste, Presse, Rundfunk, Theater und Film gebildet. Jeder "Kulturschaffende" musste Mitglied einer Kammer sein. Die Mitgliedschaft war an Ariernachweis und Unterwerfung unter die nationalsozialistische Kunstanschauung gebunden, ein Ausschluss bedeutete Berufsverbot. Die Marschrichtung gab Goebbels in einer Rede an: Die Kunst sei frei und solle frei bleiben, wobei er hinzufügte: "Allerdings muss sie sich an bestimmte Normen gewöhnen".
Bücherverbrennung in
Berlin (10.Mai 1933) |
Die gesetzlichen Grundlagen für die totale Kontrolle waren schon vorher geschaffen worden. So ermöglichte das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" - ein für die damalige Terminologie typischer Euphemismus - die Entlassung nichtarischer Beamter. Die "Säuberung" von Universitäten, Akademien, Museen, Bibliotheken, Konzerthäusern und Theatern war damit in Angriff genommen. Ein weiteres Beispiel: Das "Filmkammergesetz" vom 14. Juni 1933 leitete die Gleichschaltung des zu Zeiten der Weimarer Republik international anerkannten deutschen Films ein. Die Berufsausübung konnte denjenigen entzogen werden, die nicht die "erforderliche Zuverlässigkeit" besaßen. Und das "Reichslichtspielgesetz" vom Februar 1934 bot die Handhabe, solche Filme zu verbieten, die das "nationalsozialistische Empfinden" verletzten; bereits im ersten Jahr waren davon mehr als 100 Werke betroffen! Einen unrühmlichen Höhepunkt in der Verfolgung Andersdenkender bilden die Bücherverbrennungen, die überall im Reich durchgeführt wurden. Grundlage dafür waren die "Schwarzen Listen", die seit dem Frühjahr 1933 erstellt wurden und alle Bücher und Autoren nannten, die aus den öffentlichen Büchereien entfernt und "ausgemerzt" werden sollten. In ganz Deutschland beschlagnahmten SA und Polizei mit Hilfe von Studenten die Bücher dieser Autoren und verbrannten sie am 10. Mai 1933 öffentlich in den Universitätsstädten. Allein in Berlin wurden ca. 20000 "undeutsche Bücher" vernichtet, auf dem Opernplatz warfen die Studenten die Bände auf einen riesigen Scheiterhaufen und stimmten dabei Hetzparolen an, die auch im Rundfunk übertragen wurden: "Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht und Sitte in Familie und Staat. - Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Gläser, Erich Kästner". Oder: "Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist. - Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky". Diese Aktionen bewirkten einen Exodus von etwa 250 Autoren, denen in den folgenden Jahren viele weitere folgen sollten.
"Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" Heinrich Heine |
Vom "Kampfbund für deutsche Kultur" ging auch die Initiative zu einem Bildersturm gegen die moderne Kunst aus. Im Juli 1937 wurde in München die Ausstellung "Entartete Kunst" eröffnet, für die man rund 5000 Gemälde und Plastiken von über 100 Künstlern aus deutschen Museen entwendete. Als "entartet" galten die Werke jüdischer Künstler, solche mit pazifistischer oder sozialistischer Thematik und die gesamte abstrakte Kunst. Über zwei Millionen Besucher kamen allein in München zu dieser Ausstellung, die anschließend in weiteren Städten gezeigt wurde. Die Künstler, die hier denunziert wurden, waren schweren Repressalien ausgesetzt - sofern sie sich noch in Deutschland aufhielten. Ihre Werke wurden später auf internationalen Auktionen verschleudert oder bei einer öffentlichen Verbrennung 1939 in Berlin vernichtet. Die Verluste, die diese barbarische Politik mit sich gebracht hat, sind bis heute nicht überwunden.
1933
27. 11: Gründung der Freizeitorganisation: Kraft durch Freude
1934
28. 11: Gesetz zum Schutze von Volk und Staat
1935
1936
27. 11: Göbbels meldet: Reichskulturkammer judenfrei
1937:
18. 12: Anordnung über unerwünschte, schädliche Musik Erste Swingtanzverbote
1938
22.-29.05: Reichsmusiktage in Düsseldorf
Ereignissen teilnehmen"
1939
* 3285 Aquarelle, Zeichnungen und graphische Blätter
01. 09: Erste Liste unerwünschter Musikwerke
1941:
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