Wirtschaftspolitik

 

Ziele der Wirtschaftspolitik Hitlers

 

Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der NSDAP

 

Die Phase der Rüstungskonjunktur 1933 bis 1939

 

Kriegswirtschaft

 

Geld spielt keine Rolle 

 

 

Ziele der Wirtschaftspolitik Hitlers

1. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - Das Erreichen dieses Zieles verschaffte Hitler die Popularität, um die Wirtschaft gleichzuschalten und den Krieg vorzubereiten. Die Arbeitslosigkeit wurde beseitigt durch:

  • Hinausdrängen der Frauen aus dem Arbeitsmarkt
  • Verhaftung politischer Gegner
  • Aufrüstung
  • Wehrpflicht
  • Arbeitsdienst
  • Ankurbelung der Wirtschaft durch Staatsaufträge (Rüstung, Autobahnbau, Wohnungsbau,...)

3. Autarkie - Deutschland sollte von Importen aller Art unabhängig werden, um Krieg führen zu können (Hydrierwerke, Buna, Steigerung der Landwirtschaft, ....) 

4. Aufrüstung - Die Aufrüstung schon vor der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht schuf Arbeitplätze. Das Finanzierungsproblem durch Mefo-Wechsel s.u. gelöst.

5. wirtschaftliche Kriegsfähigkeit

Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der NSDAP

1. Auflösung aller Arbeiter (2. Mai 1933)- und Unternehmerorganisationen, sowie deren Zusammenschluss in der Deutschen Arbeitsfront.

2. Neues Berufsbeamtengesetz zur Arisierung von Staat und Verwaltung.

3. Organisierung der "Selbsthilfe" gegen die Korruption. Sie diente hauptsächlich dazu, um Staatsaufträge an Nazi- oder ihnen nahestehenden Unternehmen zu vergeben. Es wurden "auf eigene Faust Boykott und Verhaftung von wirklichen und vermeintlichen Korruptionisten" vorgenommen.

4. Hugenberg, der sich der Nazifizierung der Wirtschaft widersetzte, wurde am 27. Juni 1933 zum Rücktritt gezwungen. Die DNVP löste sich auf. Anlass für den Rücktritt Hugenbergs war dessen Auftreten auf der Londoner Weltwirtschaftskonferenz im Juni/Juli 1933 gewesen. Er hatte dort gefordert, dem "landlosen" deutschen Volk neuen Boden im Osten zur Verfügung zu stellen. Neuer Wirtschaftsminister wurde Kurt Schmitt von der Allianz- Versicherung, der das volle Vertrauen der Naziführung hatte.

5. Ein neues Kartellgesetz (15.7.33) förderte die weitere Konzentration in der Wirtschaft. Von 1933 bis 36 wurden über 1.600 Kartellverträge geschlossen und 120 Zwangskartelle errichtet.

6. Das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" (20.1.34) erklärte die Arbeitnehmer zur Gefolgschaft der Unternehmer und unterstellte sie deren Befehl (Durchsetzung des Führerprinzips im Betrieb). Die gesamte Organisation, Entlohnung und Bestrafung bestimmte allein der Unternehmer.

7. Das "Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft" organisierte die gesamte Wirtschaft in Reichsgruppen die in den Staatsapparat eingegliedert wurden und direkt dem Wirtschaftsminister unterstanden. Alle Unternehmen mussten ihnen beitreten. Entscheidenden Einfluss besaßen die Reichsgruppe Industrie und Banken.

8. Festlegung der Dividende auf 6 % (Ausnahme 8 %) zur Stärkung der Großaktionäre.

9. Das "Gesetz über den Aufbau des Reichsnährstandes" löste alle Genossenschaften und Handelsorganisationen für landwirtschaftliche Produkte auf. An ihre Stelle trat der Reichsnährstand, der die Preise und die Marktordnung festlegte. Das "Reichserbhofgesetz" vom 29.9.1933 legte fest, dass der Erbhof ungeteilt an den ältesten Sohn überging, sofern dieser seine "arische Reinrassigkeit" seit 1800 nachweisen konnte.

Die Phase der Rüstungskonjunktur 1933 bis 1939

Die Weltwirtschaftskrise hatte 1932 ihren Höhepunkt erreicht. 1933 entspannte sich die Lage bereits und die Konjunkturlage verbesserte sich weltweit. Während man in den USA auf eine "liberale" Wirtschaftspolitik setzte und zum ersten Mal eine antizyklische Konjukturpolitik (New Deal) praktizierte, setzte man in Deutschland auf totalen Dirigismus mit staatlich initiierter Geldschöpfung ohne Waren- oder Devisendeckung.

Der Schwerpunkt der Maßnahmen richtete sich in Deutschland ausschließlich auf die Aufrüstung. So entfielen im Staatshaushalt 1934 bereits 2,6 Mrd. RM auf Ausgaben für die Wehrmacht, während für die "zivilen" Investitionen nur 1 Mrd. RM zur Verfügung gestellt wurden. Dem Reichsarbeitsdienst, der im Rahmen der Arbeitsbeschaffung, die "zivilen" Arbeiten durchführte, wurde bereits 1934 untersagt, Projekte weiter zu führen, wenn ihre militärische Bedeutung nicht klar erwiesen war. Bis auf den Autobahnbau, der schon in der Weimarer Republik projektiert wurde, wurden alle anderen zivilen Arbeiten eingestellt. Dies beweist nur den strategischen Wert, den ihm die Nazis beigemessen haben.

Die Hauptfinanzierung der Rüstung lief nicht über Staatsaufträge und Staatsanleihen wie im ersten Weltkrieg, sondern konnte nur verschleiert durchgeführt werden, da das Reichsbankgesetz die Diskontierung langfristiger Investitionswechsel der Regierung über 400 Mill. RM Gesamtsumme untersagte. So bediente man sich eines von Schacht (Reichsbankpräsident, Wirtschaftsminister und Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft) ausgedachten besonderen "Tricks", indem man den Mefo-Wechsel erfand (Mefo = Metallurgische Forschungsgesellschaft m.b.H.). Alle Rüstungsaufträge wurden von der Mefo vergeben und mit kurzfristigen Wechseln (Laufzeit sechs Monate, die auf unbestimmte Zeit verlängert werden konnte) bezahlt. Abgelaufene Wechsel wurden mit neuen Wechseln beglichen. So schaffte man die Voraussetzung, langfristige in kurzfristige Wechsel zu verwandeln und damit entstand die Verpflichtung der Reichsbank, diese Wechsel in Zahlung zu nehmen. Von 1934 bis 1939 wurden Mefo-Wechsel in Höhe von 12 Mrd. RM ausgegeben. Die Mefo-Wechsel wurden vom Reich nie eingewechselt, sondern die Reichsbank erwarb sie als Treuhänder für das Reich und behielt sie als Belege für die Ausstellung von sogenannten Mefo-Wechsel-Bescheinigungen. Des weiteren hat die Regierung von 1933 bis 1935 statt langfristiger Schatzwechsel, "kurzfristige Arbeitsbeschaffungs-Wechsel" in Höhe von 3 Mrd. RM bei der Reichsbank in Zahlung gegeben.

Somit ist eine enorme Geldschöpfung betrieben worden, die unter normalen Bedingungen zu einer galoppierenden Inflation geführt hätte. Um dies zu verhindern, wurde am 26. November 1936 zu dem schon bestehenden Lohnstopp ein allgemeiner Preisstopp beschlossen.

Trotz dieser Manipulation funktionierte die Aufrüstung nicht so schnell wie dies von Hitler gewünscht wurde, da ein Mangel an vielen rüstungswichtigen Rohstoffen bestand, die aus Devisenmangel nicht importiert werden konnten, obwohl man die Zwangsbewirtschaftung der Importe (50 %) aus der Brüning-Zeit beibehalten hatte.

Der 1934 von Schacht entworfene "Neue Plan" sollte hier Abhilfe schaffen. Es wurde ein volles Moratorium auf alle auswärtigen Schulden erklärt. Jedes einzelne Außenhandelsgeschäft musste von staatlichen Stellen genehmigt werden. Mit dieser hundertprozentigen Kontrolle des Außenhandels wurden die Nahrungsmittelimporte zu Gunsten von rüstungswichtigen Rohstoffenimporten gedrosselt. Des weiteren wurden mit den von Deutschland ökonomisch abhängigen Staaten (Türkei, Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn) bilaterale Handelsverträge abgeschlossen, die einen devisenlosen Zahlungsverkehr beinhalteten. An die Stelle der Bezahlung für deutsche Importe trat eine Gegenleistung in Ware - mit Verechnungseinheiten als Preismaßstab. Um devisenbringende Exporte nach anderen Ländern zu steigern, wurde zur Dumpingpolitik gegriffen. Die von 1933 bis 1935 entstandenen Außenhandelsverluste in Höhe von 5 Mrd. RM wurden den Unternehmen aus den Exportausgleichskassen ersetzt, in die alle Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz ihres Umsatzes einbezahlen mussten.

Der "Neue Plan" zeigte zunächst gewisse Erfolge. Das Außenhandelsvolumen stieg beispielsweise um 19 %. Bereits Anfang 1936 zeigten sich erneut erhebliche Engpässe. Die Importmenge ging um 12 % zurück, die Reserve an Arbeitskräften war erschöpft und die Produktionskapazitäten der Industrie reichten nicht mehr aus, um das gewünschte Tempo der Aufrüstung zu gewährleisten.

In dieser Situation verfasste Hitler im August 1936 eine geheime Denkschrift für einen "Vierjahresplan", die im wesentlichen auf den Ausarbeitungen des IG-Farben-Direktors Carl Krauch beruhte, der eine Politik der wirtschaftlichen Autarkie vertrat. Ohne Rücksicht auf die Kosten sollte die Selbstversorgung mit synthetischem Treibstoff, Gummi und Erzen für den Kriegsfall sichergestellt werden. Hitler fasste die Ziele dieser Autarkiepolitik in zwei Punkten zusammen:

1. Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein. 2. Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.

Göring, der Vertauensmann von IG-Farben, trug die Denkschrift in einer Kabinettssitzung am 4. September 1936 vor. Er erörterte die Pläne mit den Worten: "Sie geht von dem Grundgedanken aus, dass die Auseinandersetzung mit Russland unvermeidbar ist." Er schloss die Kabinettssitzung mit dem Hinweis: "Alle Maßnahmen haben so zu erfolgen, als ob wir im Stadium der drohenden Kriegsgefahr uns befänden."

Am 28. Oktober 1936 offerierte Göring im Berliner Sportpalast den "Vierjahresplan" als eine Konzeption zur Sicherung der Ernährung des Volkes. Unter der Parole "Kanonen statt Butter" verkündete er lautstark: "Erst schafft eine starke Nation. Zuviel Fett - zu dicke Bäuche. Ich habe selbst weniger Butter gegessen und habe zwanzig Pfund abgenommen."

Göring wurde zum "Beauftragten für den Vierjahresplan" ernannt und zog immer mehr Kompetenzen des Wirtschaftsministers Schacht an sich. Er schuf ein neues System der Lenkung der Wirtschaft in Gestalt weitverzweigter "Vierjahresplan"-Behörden. Für Devisenvergehen wurde am 1. Dezember 1936 die Todesstrafe verfügt. Der Investitionsbedarf zur Realisierung des "Vierjahresplanes" wurde auf 8,6 Mrd. RM veranschlagt, wobei die Industrie lediglich 2,7 Mrd. RM selbst aufbringen sollte und der Staat 5,9 Mrd. RM aus dem Staatshaushalt bereitstellte. Zusätzlich wurden 2,3 Mrd. RM für besonders kostspielige Projekte als "verlorene Zuschüsse" bewilligt. Im Rahmen des "Vierjahresplanes" wurden die Aktien, die der Staat während der Weltwirtschaftskrise übernommen hatte, zu günstigen Bedingungen reprivatisiert. Um den Konzentrationsprozess noch zu beschleunigen, wurde am 30. Januar 1937 ein neues Aktiengesetz verkündet. Alle Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital unter 100.000 RM mussten aufgelöst werden. Neugründungen wurden nur mit einem Grundkapital über 500.000 RM zugelassen. Zugleich erhöhte das Gesetz die Vollmachten der Vorstände gegenüber der Aktionärsversammlung (Führerprinzip).

Um die unrentable Erzförderung zu betreiben, wurde von der Nazi- Regierung die AG "Reichswerke Hermann Göring" gegründet, die den Anteil der in Deutschland geförderten Erze von 12,5 auf 50 % steigerte. Die Rohstoffe wurden der Industrie zu günstigen Preisen zur Verfügung gestellt. Die Verluste trug die Staatskasse.

Bereits am Ende 1937 waren sämtliche Rohstoffvorräte aufgebraucht und die gesamten Gold- und Devisenreserven des Reiches betrugen nur noch 74 Mill. RM - eine Summe die kaum ausreichte, die Tagesausgaben zu decken. Anfang 1938 war die Handelsbilanz wieder negativ und erreichte im Laufe des Jahres ein Defizit von 132 Mill. RM. Die Industrieproduktion ging drastisch zurück.

Die Gruppe um Schacht schlug vor, dem Export zeitweilig den Vorrang zu lassen, eine enge Zusammenarbeit mit den Westmächten anzustreben, um über eine Anleihe und die Rückgabe der Kolonien zu verhandeln.

Die IG-Farben-Gruppen setzte alles auf die Karte "Rüstung" und verlangte den Vierjahresplan-Kurs auf Biegen und Brechen fortzuführen und sofort mit der Ausführung des Eroberungsprogramms zu beginnen - auch gegen die Westmächte.

Am 5. November 1937 fand in der Reichskanzlei eine Besprechung (siehe "Hoßbach-Protokoll") statt, in deren Verlauf Hitler eingestehen mußte, daß die Vierjahresplan-Politik fehlgeschlagen war. Er erklärte, dass die ersten Schritte die Niederwerfung der Tschechoslowakei und Österreichs seien und spätestens 1943/45 sei die Raumfrage zu lösen.

Am 15. März 1938 erfolgte der "Anschluss" Österreichs. Bereits elf Tage später war das ganze Bankwesen Österreichs unter der Kontrolle der Deutschen- und Dresdener Bank. Die gesamte Schwerindustrie wurde den Reichswerken "Hermann Göring" einverleibt.

Obwohl Deutschland die gesamte Finanz- und Wirtschaftskraft Österreichs absorbierte, traten bereits im Sommer 1938 noch größere Rohstoff- und Finanzprobleme als 1937 auf. Diese veranlassten den Finanzminister, am 1. September 1938 Hitler mitzuteilen, dass die Maßnahmen "die Kassenbestände vollkommen aufzehren". Göring verordnete bereits am 22. Juni 1938 die "Dienstpflicht zur Überwindung des Mangels an Arbeitskräften". Doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ließen sich nicht mehr überwinden, somit kam zum politischen Willen Krieg führen zu wollen, die ökonomische Notwendigkeit und damit wurde der Krieg unausweichlich.

Die Kriegswirtschaft 1939 bis 1945

Am Anfang des Krieges standen vorwiegend organisatorische Maßnahmen. Am 17. März 1940 wurde das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Todt gebildet, das der Ausgangspunkt für die weitgehende Zentralisierung der Wirtschaft wurde. Bereits am 27. August 1939 wurde mit Wirkung vom nächsten Tag die Rationierung von Lebensmitteln, Kleidung, Energie und Grundstoffen angeordnet. Aufgrund der Erfahrungen aus dem I. Weltkrieg wurde diese Maßnahme seit 1934 systematisch vorbereitet und bis 1944 auf dem festgelegten Niveau durchgehalten. Dies war nur möglich, da die Nahrungsmittel der besetzten Länder rigoros dem deutschen Markt zugeführt wurden. Nur 1942 gab es eine Kürzung bei wichtigen Grundnahrungsmitteln, die dann ab 1945 in zunehmendem Maße durch Ersatzstoffe ersetzt wurden.

Auf industriellem Gebiet konnte der Ausstoß an Kriegsmaterial in etwa gehalten werden, obwohl in Deutschland die Investitionen laufend zurück gingen und 1944 nur noch 40 % des Standes von 1938 erreichten. Die Differenz mussten die besetzten Länder liefern.

Um den enormen Finanzbedarf zu sichern, wurden seit Kriegsbeginn die Steuern laufend erhöht. Das Steueraufkommen stieg bis 1943 an, um dann bis Kriegsende stark abzusinken. Durch Steuern wurden während des Krieges etwa 190 Mrd. RM für die Kriegsausgaben aufgebracht. Doch diese Summe reichte bei weitem nicht aus. Deshalb wurde bereits vor Kriegsbeginn am 15. Juni 1939 das Reichsbankgesetz geändert, das nun den Schatzwechsel wie 1914 als Mittel zur Deckung der Währung wieder zuließ (letzter Anlass für das "Zerwürfnis" mit Schacht). Nur so ist es möglich gewesen, dass Deutschland im Laufe des Krieges 830 bis 850 Mrd. RM ausgeben konnte. Von diesen Staatsschulden stellten die Privatbanken und Sparkassen 164 Mrd. RM zur Verfügung.

Die Auslandsschulden erhöhten sich von 1,8 Mrd. RM im Jahre 1940 auf 31,5 Mrd. RM im Jahre 1944.

Noch weitere Geldquellen erschlossen sich die Nazis in den besetzten Ländern. Sie mussten Besatzungskosten bezahlen, die sich zwischen 1940 und 1944 auf 84 Mrd. RM beliefen. Die einfallsreichste Geldbeschaffung war das Ausstellen von Kreditkassenscheinen, die von der Wehrmacht und anderen Nazi- Organisationen als Zahlungsmittel ausgestellt wurden. Sie stellten eine fiktive Anweisung auf das Guthaben des besetzten Landes dar, die nach dem Krieg eingelöst werden sollte. Mit Hilfe dieser Methoden gelang es den Nazis bis 1944 insgesamt 124,6 Mrd. RM aus diesen Ländern herauszupressen.

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Geld spielt keine Rolle - die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Nationalsozialisten - Vom Beschäftigungswunder zum Staatsbankrott


Geld spielt keine Rolle - das war, vom Anfang bis zum Ende, die bestimmende Devise nationalsozialistischer Wirtschafts- und Finanzpolitik. Hitler glaubte, sich über ökonomische Gesetze hinwegsetzen zu können. Ihn interessierte nur, die Wirtschaft so schnell wie möglich kriegsfähig zu machen. Als das NS-Regime dann ab 1943 auf die völlige Zerrüttung der Staatsfinanzen zusteuerte, blendete er die Tatsache einfach aus. (...)
Immer stärkere Eingriffe des Staates in die Wirtschaft kennzeichneten von Beginn an die Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus. (...)

Zunächst musste nach Hitlers Machtergreifung die Massenarbeitslosigkeit bekämpft werden. Hitler kam dabei nicht nur zugute, dass die Weltwirtschaftskrise seit dem Spätsommer 1932 abklang und inzwischen auch das Reparationenproblem gelöst war. Der "Führer" konnte darüber hinaus auf jenes Instrumentarium aus steuerlichen Anreizen für Unternehmer und öffentlich finanzierten Arbeitsbeschaffungsprogrammen zurückgreifen, das schon vom letzten Weimarer Präsidentialkabinett (...) zur Krisenbekämpfung eingesetzt worden war. (...) Immer mehr ehemals arbeitslose Deutsche wurden in die "Deutsche Arbeitsfront" eingegliedert, die 1933 an die Stelle der gewaltsam aufgelösten Gewerkschaften getreten war. Der private Wohnungsbau und der Bau neuer Autobahnen bildeten die Eckpfeiler der verschiedenen Programme - letzeres verknüpfte in idealer Weise Arbeitsbeschaffung und Kriegszielpolitik. 1937 war die Vollbeschäftigung erreicht. (...)

Da die deutsche Wirtschaft (...) eine Art Kriegswirtschaft im Frieden war, bedeutet der Beginn des Zweiten Weltkriegs für sie keine Zäsur. Erst mit dem Scheitern der Blitzkriegstrategie im Winter 1941/42, dem Übergang zum Durchhaltekrieg und schließlich, nach Stalingrad, der Entfesselung des totalen Krieges traten immer größere Probleme auf. (...) Den durch die militärische Entwicklung hervorgerufenen Arbeitskräftemangel konnte der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz (...) nicht beseitigen. Im Ausland, vor allem in Osteuropa, war er aber mit regelrechten Menschenjagden erfolgreich. Obwohl die "Fremdvölkischen" nach der NS-Rassenindeologie angeblich die "Blutreinheit" des deutschen Volkes bedrohten, zählte im September1944 jeder dritte in der deutschen Wirtschaft Beschäftigte zu der Kategorie "Fremdarbeiter", "Kriegsgefangener" oder "KZ-Häftling". Innerhalb Deutschlands gab es mehr als 30 000 Lager, in denen die Ausländer oft unter menschenunwürdigen Bedingungen lebten. (...)

Arbeitsbeschaffungsprogramme und Aufrüstung, zum guten Teil auf Pump finanziert, führten zwischen Anfang 1933 und Kriegsbeginn zu einer Verdreifachung der Staatsschuld. Im Krieg dann stieg die Verschuldung in astronomische Höhe, zuletzt auf mindestens 450 Milliarden Mark, das Fünffache des im Haushaltsjahr 1943/44 erwirtschafteten Sozialprodukts. (...)

Die Bevölkerung hatte der Propanganda von der "Stabilität der Reichsmark" lange Zeit geglaubt. Denn das NS-Regime verfolgte eine Politik der "unsichtbaren", zurückgestauten Inflation, weil "die Finanzlage des Reichs", wie Hitler befohlen hatte, "nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollte." (...) Da der Lohn- und Preisstopp eine Entlastung der Inflationspotentials verhinderte, zapfte das Regime über verschiedene Umwege einen großen Teil der privaten Guthaben bei Banken und Sparkassen ab. Das Geld stand zwar noch im Sparbuch, war aber nur noch ein fiktiver Wert, in die Aufrüstung geflossen und an der Front verpulvert worden. (...)

Der Nationalsozialismus hinterließ auch auf finanzwirtschaftlichem Feld verbrannte Erde. Die Rechnung, den Schuldenberg auf die "besiegten Feindstaaten" abzuwälzen, war nicht aufgegangen. Das wurde auch dem letzten Deutschen am 20. Juni 1948 klar: Bei der Währungsreform gab es für 100 Reichsmark ganze 6,50 D-Mark.

Michael Brackmann
"General-Anzeiger", Bonn, 5. September 1998