Lage in Berlin, Friedrichstraße: Bericht von Stefan Brant, vom 17.6.1953

 

Kurz nach Mittag rasseln Sowjetpanzer durch die Friedrichstraße. In der offenen Turmluke eines T 34 steht ein sowjetischer Offizier, gibt Anweisungen an die Volkspolizei. Man erkennt den sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin, General Dibrowa. Die Arbeiter pfeifen, schreien „Iwan raus!“ Die Vopos preschen vor. Ein Steinhagel schlägt ihnen entgegen. Die Panzer schieben sich vor. Eine Maschinengewehrsalve fegt in die Menge, eine zweite, dritte. Verwundete. Tote. In panischer Flucht stieben die Massen zurück, dem Potsdamer Platz zu, suchen in den Ruinen Schutz, werfen sich hinter Mauern und Schutthügel. Die Panzer stehen. Die Demonstranten fluten wieder vor. Arbeiter haken sich unter, gehen in geschlossenen Reihen auf die Panzer zu. Junge Burschen springen auf die Geschütztürme, werfen Holzstücke in die Geschützrohre, versuchen, die Antennen abzureißen, ziehen Balken und Eisenträger aus den Trümmern, versuchen, sie in die Ketten zu schieben. Neue Salven, Flucht, Stille, Minuten des Wartens. Meter für Meter schieben sich die großen schrecklichen Stahltiere durch die Leipziger Straße auf den Potsdamer Platz herein. Wie Flut und Ebbe stürmen die Arbeiter vor und zurück. Die Szene ist gespenstisch.

 

(in: Stefan Brant, Der Aufstand, Stuttgart 1954, S. 131)

 

 

Volkszorn in Brandenburg: Bericht von Stefan Brant, vom 17.6.1953

 

Richter und Staatsanwalt marschieren an der Spitze des Demonstrationszuges zum Markt hinüber. In einigen Männern zerbricht der Hass alle Hemmungen. Sie schlagen auf die Beiden ein. Benkendorf sinkt zusammen, noch ehe der Markt erreicht ist. Man trägt ihn weiter, schleppt ihn auf die Tribüne, auf der sonst die Parteiführer die Paraden der „werktätigen Massen“ abnehmen. Fünftausend Menschen – oder sind es zehntausend? – drängen sich zusammen. Man will mit den beiden Genossen ein Verhör anstellen. Sie können nicht mehr antworten. Der „Volksrichter“ stößt noch hervor, dass er stets nur auf ausdrückliche Weisung gehandelt und geurteilt habe. Schreie: Hängt die Beiden auf! Vernünftige Arbeiter mahnen zur Ruhe. Sie bringen Benkendorf und Bechtel zu einem Arzt. Sie werden verbunden und später von einem Krankenwagen abgeholt. Benkendorf erliegt seinen Verletzungen; auch Staatsanwalt Bechtel stirbt.

 

(in: Stefan Brant, Der Aufstand, Stuttgart 1954, S. 148)