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"Diese Augen werden mich immer verfolgen"

Fotograf Gerhard Gronefeld (85) dokumentierte Greueltaten der Wehrmacht

München (AP) - Manchmal kann der ehemalige Fotograf Gerhard Gronefeld (Foto) nicht einschlafen. In diesen Nächten verfolgen den 85jährigen Münchner die Gesichter von 36 ermordeten Zivilisten. Sie erinnern ihn an den Tag im Jahr 1941, an dem er sie fotografiert hatte - kurz bevor sie von deutschen Wehrmachtssoldaten erschossen wurden. Es sind besonders die um Gnade flehenden Augen dieser Menschen - 35 Männer und eine Frau -, die den Rentner nicht schlafen lassen. "Diese Augen werden mich immer verfolgen", sagt Gronefeld.

Der Münchner zog als offizieller Propaganda-Fotograf der Wehrmacht während des Krieges von einer Schlacht zur nächsten. Elf seiner Fotos des Massakers in der serbischen Stadt Pancevo sind derzeit in der bayerischen Landeshauptstadt zu sehen. Sie sind Teil der umstrittenen Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung über die Verbrechen der Wehrmacht, gegen die am vergangenen Wochenende Tausende von Rechtsextremen auf die Straße gingen. Rund 13.000 Menschen haben die Fotoschau seit ihrer Eröffnung vor rund zehn Tagen schon gesehen.

 

Nicht an Vorgesetzte weitergegeben

Gerhard Gronefeld hatte bereits als Zeitungs- und Zeitschriftenfotograf Karriere gemacht, als er 1940 in eine Propaganda-Kompanie der Wehrmacht eingezogen wurde. Der 85jährige sagt heute, er habe Hitler und seine Ideologie abgelehnt. "Ich habe mich nie als Soldat verstanden, sondern nur als Fotograf", sagt der Rentner, der heute im Rollstuhl sitzt. Gleichwohl habe er sich nicht an Widerstandsaktionen beteiligt.

Doch von einer Tat ließ er sich nicht abhalten, die für ihn hätte gefährlich werden können: Er gab die Bilder von den Greueltaten in Serbien nicht an seine Vorgesetzten weiter, weil er damit rechnen mußte, daß sie zerstört werden würden. Daher sind seine Fotos die einzigen der über 100 Bilddokumente in der Hamburger Wanderausstellung, die von einem offiziellen Wehrmachtsfotografen stammen. Die übrigen Ausstellungsstücke sind vor allem Privataufnahmen von Landsern, die nach dem Krieg in Militärarchive gelangten.

 

"Schrecklichste Szene, die ich je fotografiert habe"

Fotograf Gronefeld sagt, die Exekution in Serbien sei die einzige Greueltat gewesen, bei der er als Zeuge dabeigewesen sei. Er habe die Opfer auf dem Weg zum Friedhof aufgenommen, wo sie getötet werden sollten. Das Mitglied der Propaganda-Einheit drückte selbst dann noch auf den Auslöser, als ein Teil der Zivilisten erhängt wurde. "Ich stand ganz nahe bei ihnen. In ihren Augen habe ich in den Sekunden vor dem Tod eine letzte Bitte um Gnade gesehen", sagt der Münchner.

Nach der Erhängung wurden die restlichen Opfer an eine Friedhofswand gestellt und von Wehrmachtssoldaten erschossen. Gronefeld fotografierte einen Landser, der seine Pistole zieht und noch einmal auf einen Sterbenden feuert. "Dieses Bild ist die schrecklichste Szene, die ich je fotografiert habe", sagt der Rentner heute. Damals habe er den Wunsch der Wehrmacht verstanden, sich für den Tod der deutschen Soldaten zu rächen. Aber er habe auch schon damals Mitleid empfunden für die Opfer. Ein Gefühl, das in der Nacht wiederkehrt, wenn ihn die Augen der toten Serben nicht einschlafen lassen. Archivfoto: AP

Dank an das ausgezeichnete Archiv der Rhein-Zeitung

 
 
 
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