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Carepaket

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"Amerikas bekannte Geheimwaffe"

Die ersten CARE-Pakete kommen im französischen Le Havre an

zitiert nach: http://www.general-anzeiger-bonn.de

Von Uwe Knüpfer

Winter 1946: In den USA machen Berichte über hungernde europäische Kinder Schlagzeilen. Amerikaner lesen erschüttert, daß Polen, Ungarn, Deutsche im Schnitt täglich nur 800 Kalorien aufnehmen. In den USA ist der Jubel über das Ende des Krieges verklungen, die meisten Soldaten sind heimgekehrt, die Wirtschaft brummt, die Mägen sind voll.

Viele Amerikaner haben Verwandte oder Freunde in Europa. Der Krieg hat den Kontakt zumeist unterbrochen. Die Bereitschaft zu helfen ist groß. Aber wie? Der Bürgermeister von New York schlägt vor, alle Amerikaner sollten zugunsten hungernder Europäer eine Mahlzeit pro Woche auslassen. Vorschläge wie dieser sind populär. Aber wie sollten die Lebensmittel aus Amerika nach Europa finden?

Ein Mann namens Lincoln Clark schlägt vor, Pakete zu schicken. Die Idee ist nicht neu, hat sich bereits im Ersten Weltkrieg bewährt. Neu ist die Organisation, die Clark aus der Taufe hebt: CARE - die "Cooperative for American Remittances to Europe". Care bedeutet aber auch: Sorge, Fürsorge. Selten traf ein Kürzel so die Sache. Später wird "Europe" durch "Everywhere" - überall - ersetzt werden und Remittances (Überweisungen) durch das schlichtere "Relief" (Hilfe). Aber da ist CARE längst zu einem Markenzeichen der Hilfsbereitschaft geworden.

Trudy McVicker, heute Amerikanerin, empfing das erste CARE-Paket als elfjähriges Mädchen in Bayern, im Winter 1946. "Keine Mahlzeit wird mir je wieder so gut schmecken wie jene Lebensmittel aus dem CARE-Paket", sagt sie - und daß eines fast noch wichtiger war als satt zu werden: die Erfahrung, daß sich jemand kümmerte: "Menschen, die noch vor kurzem im Krieg mit Deutschland waren, sahen über alle Vorbehalte hinweg und halfen, statt sich an unserem Elend zu weiden. Es war mir eine unschätzbare Lehre." Dankesschreiben solchen Inhalts hat CARE seither zehntausendfach erhalten, aus aller Welt. Unvergessen ist der Besuch Konrad Adenauers im CARE-Hauptquartier 1957. Und auch, daß dankbare Deutsche die ersten waren, die eine eigene CARE-Organisation außerhalb der USA auf die Beine stellten. Als CARE sich am 27. November 1945 vorstellt, ist der Erfolg alles andere als sicher. Die Organisation ist winzig, die Aufgabe gewaltig. Die US-Army hat für die geplante Invasion in Japan 2,8 Millionen Proviantpakete eingelagert. Nach Japans Kapitulation brauchen die GIs die Pakete nicht mehr. Die US-Regierung stellt sie CARE zur Verfügung. Nun werden US-Bürger gesucht, die eine Patenschaft für einzelne Pakete übernehmen und Adressaten in Europa benennen. CARE gibt die Garantie, daß die Pakete ihre Empfänger auch erreichen werden. Ansonsten: Geld zurück. Diese Zusage einzuhalten, erweist sich als schwierig, jedenfalls in der Anfangszeit. US-Präsident Harry Truman finanziert die ersten hundert Pakete. Die Witwe seines Vorgängers, Eleanor Roosevelt, der Boxer Joe Louis, die Schauspielerin Marlene Dietrich und viele Prominente mehr machen Werbung für CARE.

Am 11. Mai 1946 erreichen die ersten Pakete Le Havre in Frankreich. Im Juli schon unterhält CARE Büros und Lagerhallen in elf europäischen Ländern sowie in der amerikanischen, britischen und der französischen Besatzungszone in Deutschland. Die Mitarbeiter von CARE sind Veteranen amerikanischer Hilfsorganisationen, zum Teil Quäker, Gewerkschafter, Journalisten. Einige waren Soldaten und Agenten des US-Geheimdienstes OSS (Office of Strategic Services). Aus dem OSS ging nach dem Krieg die CIA hervor.

Diese Geheimdienstverbindung erschwert es CARE, Pakete auch nach Osteuropa und in die sowjetisch besetzten Länder Mitteleuropas zu liefern. Eine Anzeige in US-Zeitungen preist die Pakete als "Amerikas bekannte Geheimwaffe".

Moskau verteufelt CARE-Pakete als ideologische Handgranaten, als Instrumente des US-Imperialismus. Dennoch: 1946 werden eine Million Pakete ausgeliefert, 1947 schon 2,6 Millionen. Bis 1963 werden Amerikaner zehn Millionen CARE-Pakete allein an deutsche Empfänger schicken.

 

 

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