Dreimächtekonferenz in Potsdam
("Potsdamer Abkommen" - Auszüge)
Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin, 2.
August 1945
I.
Am 17. Juli 1945 trafen sich der Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika, Harry S. Truman, der Vorsitzende des
Rates der Volkskommissare der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
Generalissimus J. W. Stalin, und der Premierminister Großbritanniens,
Winston S. Churchill, sowie Herr Clement R. Attlee auf der von den drei Mächten
beschickten Berliner Konferenz. Sie wurden begleitet von den Außenministern
der drei Regierungen, W. M. Molotow, Herrn D. F. Byrnes und Herrn A. Eden,
den Stabschefs und anderen Beratern.
In der Periode vom 17. bis 25. Juli fanden neun Sitzungen statt. Darauf
wurde die Konferenz für zwei Tage unterbrochen, an denen in England die
Wahlergebnisse verkündet wurden.
Am 28. Juli kehrte Herr Attlee in der Eigenschaft als Premierminister
in Begleitung des neuen Außenministers, Herrn E. Bevin, zu der Konferenz
zurück. Es wurden noch vier Sitzungen abgehalten. Während der Konferenz
fanden regelmäßige Begegnungen der Häupter der drei Regierungen, von
den Außenministern begleitet, und regelmäßige Beratungen der Außenminister
statt.
Die Kommissionen, die in den Beratungen der Außenminister für die
vorherige Vorbereitung der Fragen eingesetzt worden waren, tagten
gleichfalls täglich. Die Sitzungen der Konferenz fanden in Cäcilienhof
bei Potsdam statt.
Die Konferenz schloß am 2. August 1945. Es wurden wichtige
Entscheidungen und Vereinbarungen getroffen. Es fand ein Meinungsaustausch
über eine Reihe anderer Fragen statt. Die Beratung dieser Probleme wird
durch den Rat der Außenminister, der auf dieser Konferenz geschaffen
wurde, fortgesetzt.
Präsident Truman, Generalissimus Stalin und Premierminister Attlee
verlassen diese Konferenz, welche das Band zwischen den drei Regierungen
fester geknüpft und den Rahmen ihrer Zusammenarbeit und Verständigung
erweitert hat, mit der verstärkten Überzeugung, daß ihre Regierungen
und Völker, zusammen mit anderen Vereinten Nationen, die Schaffung eines
gerechten und dauerhaften Friedens sichern werden.
II.
Die Einrichtung eines Rates der Außenminister
Die Konferenz erreichte eine Einigung über die Errichtung eines Rates
der Außenminister, welche die fünf Hauptmächte vertreten, zur
Fortsetzung der notwendigen vorbereitenden Arbeit zur friedlichen Regelung
und zur Beratung anderer Fragen, welche nach Übereinstimmung zwischen den
Teilnehmern in dem Rat der Regierungen von Zeit zu Zeit an den Rat übertragen
werden können.
Der Text der Übereinkunft über die Errichtung des Rates der Außenminister
lautet.
1. Es ist ein Rat zu errichten, bestehend aus den Außenministern des
Vereinigten Königreiches, der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken, Chinas, Frankreichs und der Vereinigten Staaten von
Amerika.
2. (I) Der Rat tagt normalerweise in London, wo der ständige Sitz des
Vereinigten Sekretariats sein wird, das durch den Rat zu schaffen ist.
Jeder Außenminister wird durch einen Stellvertreter von hohem Rang
begleitet werden, welcher gegebenenfalls bevollmächtigt ist, während
seiner des Außenministers Abwesenheit die Arbeit weiterzuführen, sowie
von einem kleinen Stab technischer Mitarbeiter.
(II) Die erste Sitzung des Rates findet in London nicht später als
am 1. September 1945 statt. Die Sitzungen können nach allgemeiner Übereinkunft
nach anderen Hauptstädten einberufen werden, diese Übereinkunft kann
von Zeit zu Zeit herbeigeführt werden.
3. (I) Als eine vordringliche und wichtige Aufgabe des Rates wird ihm
aufgetragen, Friedensverträge für Italien, Rumänien, Bulgarien,
Ungarn und Finnland aufzusetzen, um sie den Vereinten Nationen
vorzulegen und Vorschläge zur Regelung der ungelösten territorialen
Fragen, die in Verbindung mit der Beendigung des Krieges in Europa
entstehen, auszuarbeiten Der Rat wird zur Vorbereitung einer friedlichen
Regelung für Deutschland benutzt werden, damit das entsprechende
Dokument durch die für diesen Zweck geeignete Regierung Deutschlands
angenommen werden kann, nachdem eine solche Regierung gebildet sein wird
. . .
III.
Deutschland
Alliierte Armeen führen die Besetzung von ganz Deutschland durch, und
das deutsche Volk fängt an, die furchtbaren Verbrechen zu büßen, die
unter der Leitung derer, welche es zur Zeit ihrer Erfolge offen gebilligt
hat und denen es blind gehorcht hat, begangen wurden. Auf der Konferenz
wurde eine Übereinkunft erzielt über die politischen und
wirtschaftlichen Grundsätze der gleichgeschalteten Politik der Alliierten
in bezug auf das besiegte Deutschland in der Periode der alliierten
Kontrolle.
Das Ziel dieser Übereinkunft bildet die Durchführung der
Krim-Deklaration über Deutschland. Der deutsche Militarismus und Nazismus
werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger
Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen,
die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die
Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.
Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu
vernichten oder zu versklaven. Die Alliierten wollen dem deutschen Volk
die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer
demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen. Wenn
die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die
Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein,
zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern
der Welt einzunehmen . . .
A. Politische Grundsätze
. . . . Bis auf weiteres wird keine zentrale deutsche Regierung
errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche
Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre
stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Transportwesens,
des Verkehrswesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen
werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein . .
B. Wirtschaftliche Grundsätze
. . . . Mit dem Ziele der Vernichtung des deutschen Kriegspotentials
ist die Produktion von Waffen, Kriegsausrüstung und Kriegsmitteln, ebenso
die Herstellung aller Typen von Flugzeugen und Seeschiffen zu verbieten
und zu unterbinden. Die Herstellung von Metallen und Chemikalien, der
Maschinenbau und die Herstellung anderer Gegenstände, die unmittelbar für
die Kriegswirtschaft notwendig sind, ist streng zu überwachen und zu
beschränken, entsprechend dem genehmigten Stand der friedlichen
Nachkriegsbedürfnisse Deutschlands . . . .Die Produktionskapazität,
entbehrlich für die Industrie, welche erlaubt sein wird, ist entsprechend
dem Reparationsplan, empfohlen durch die interalliierte
Reparationskomission und bestätigt durch die beteiligten Regierungen,
entweder zu entfernen oder, falls sie nicht entfernt werden kann, zu
vernichten . . .
IV.
Reparationen aus Deutschland
In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Krim-Konferenz, wonach
Deutschland gezwungen werden soll, in größtmöglichem Ausmaß für die
Verluste und die Leiden, die es den Vereinten Nationen verursacht hat, und
wofür das deutsche Volk der Verantwortung nicht entgehen kann, Ausgleich
zu schaffen, wurde folgende Übereinkunft über Reparationen erreicht:
1. Die Reparationsansprüche der UdSSR sollen durch Entnahmen aus der
von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und durch angemessene deutsche
Auslandsguthaben befriedigt werden.
2. Die UdSSR wird die Reparationsansprüche Polens aus ihrem eigenen
Anteil an den Reparationen befriedigen.
3. Die Reparationsansprüche der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreiches
und der anderen zu Reparationsforderungen berechtigten Länder werden aus
den westlichen Zonen und den entsprechenden deutschen Auslandsguthaben
befriedigt werden.
4. In Ergänzung der Reparationen, die die UdSSR aus ihrer eigenen
Besatzungszone erhält, wird die UdSSR zusätzlich aus den westlichen
Zonen erhalten:
a) 15% derjenigen verwendungsfähigen und vollständigen industriellen
Ausrüstung, vor allem der metallurgischen, chemischen und Maschinen
erzeugenden Industrien, soweit sie für die deutsche Friedenswirtschaft
unnötig und aus den westlichen Zonen Deutschlands zu entnehmen sind, im
Austausch für einen entsprechenden Wert an Nahrungsmitteln, Kohle, Kali,
Zink, Holz, Tonprodukten, Petroleumprodukten und anderen Waren, nach
Vereinbarung .
b) 10'% derjenigen industriellen Ausrüstung, die für die deutsche
Friedenswirtschaft unnötig ist und aus den westlichen Zonen zu entnehmen
und auf Reparationskonto an die Sowjetregierung zu übertragen ist ohne
Bezahlung oder Gegenleistung irgendwelcher Art . . .
VI.
Stadt Königsberg und das anliegende Gebiet
Die Konferenz prüfte einen Vorschlag der Sowjetregierung, daß
vorbehaltlich der endgültigen Bestimmung der territorialen Fragen bei der
Friedensregelung derjenige Abschnitt der Westgrenze der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken, der an die Ostsee grenzt, von einem
Punkt an der östlichen Küste der Danziger Bucht in östlicher Richtung nördlich
von Braunsberg-Goldap und von da zu dem Schnittpunkt der Grenzen Litauens,
der Polnischen Republik und Ostpreußens verlaufen soll.
Die Konferenz hat grundsätzlich dem Vorschlag der Sowjetregierung
hinsichtlich der endgültigen Übergabe der Stadt Königsberg und des
anliegenden Gebietes an die Sowjetunion gemäß der obigen Beschreibung
zugestimmt, wobei der genaue Grenzverlauf einer sachverständigen Prüfung
vorbehalten bleibt.
Der Präsident der USA und der britische Premierminister haben erklärt,
daß sie den Vorschlag der Konferenz bei der bevorstehenden
Friedensregelung unterstützen werden.
VII.
Kriegsverbrecher
Die drei Regierungen haben von dem Meinungsaustausch Kenntnis genommen,
der in den letzten Wochen in London zwischen britischen, USA-,
sowjetischen und französischen Vertretern mit dem Ziele stattgefunden
hat, eine Vereinbarung über die Methoden des Verfahrens gegen alle
Hauptkriegsverbrecher zu erzielen, deren Verbrechen nach der Moskauer Erklärung
vom Oktober 1943 räumlich nicht besonders begrenzt sind.
Die drei Regierungen bekräftigen ihre Absicht, diese Verbrecher einer
schnellen und sicheren Gerichtsbarkeit zuzuführen. Sie hoffen, daß die
Verhandlungen in London zu einer schnellen Vereinbarung führen, die
diesem Zwecke dient, und sie betrachten es als eine Angelegenheit von größter
Wichtigkeit, daß der Prozeß gegen diese Hauptverbrecher zum frühestmöglichen
Zeitpunkt beginnt.
Die erste Liste der Angeklagten wird vor dem1.September dieses Jahres
veröffentlicht werden . . .
IX.
Polen
Die Konferenz hat die Fragen, die sich auf die Polnische Provisorische
Regierung der Nationalen Einheit und auf die Westgrenze Polens beziehen,
der Betrachtung unterzogen . . .
. . . Bezüglich der Westgrenze Polens wurde folgendes Abkommen
erzielt:
In Übereinstimmung mit dem bei der Krim-Konferenz erzielten Abkommen
haben die Häupter der drei Regierungen die Meinung der Polnischen
Provisorischen Regierung der Nationalen Einheit hinsichtlich des
Territoriums im Norden und Westen geprüft, das Polen erhalten soll. Der
Präsident des Nationalrates Polens und die Mitglieder der Polnischen
Provisorischen Regierung der Nationalen Einheit sind auf der Konferenz
empfangen worden und haben ihre Auffassungen in vollem Umfange dargelegt.
Die Häupter der drei Regierungen bekräftigen ihre Auffassung, daß die
endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zu der Friedenskonferenz
zurückgestellt werden soll.
Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, daß bis zur
endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früher deutschen
Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von
Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der
westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur
tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teiles Ostpreußens,
der nicht unter die Verwaltung der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den auf dieser Konferenz
erzielten Vereinbarungen gestellt wird und einschließlich des Gebietes
der früheren Freien Stadt Danzig, unter die Verwaltung des polnischen
Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen
Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen . . .
XIII.
Ordnungsmäßige Überführung
deutscher Bevölkerungsteile
Die Konferenz erzielte folgendes Abkommen über die Ausweisung
Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn:
Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten
beraten und erkennen an, daß die Überführung der deutschen Bevölkerung
oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben
sind, nach Deutschland durchgeführt werden muß. Sie stimmen darin überein,
daß jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer
und humaner Weise erfolgen soll. Da der Zustrom einer großen Zahl
Deutscher nach Deutschland die Lasten vergrößern würde, die bereits auf
den Besatzungsbehörden ruhen, halten sie es für wünschenswert, daß der
alliierte Kontrollrat in Deutschland zunächst das Problem unter
besonderer Berücksichtigung der Frage einer gerechten Verteilung dieser
Deutschen auf die einzelnen Besatzungszonen prüfen soll. Sie beauftragen
demgemäß ihre jeweiligen Vertreter beim Kontrollrat, ihren Regierungen
so bald wie möglich über den Umfang zu berichten, in dem derartige
Personen schon aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland
gekommen sind, und eine Schätzung über Zeitpunkt und Ausmaß vorzulegen,
zu dem die weiteren Überführungen durchgeführt werden könnten, wobei
die gegenwärtige Lage in Deutschland zu berücksichtigen ist. Die
tschechoslowakische Regierung, die Polnische Provisorische Regierung und
der Alliierte Kontrollrat in Ungarn werden gleichzeitig von obigem in
Kenntnis gesetzt und ersucht werden, inzwischen weitere Ausweisungen der
deutschen Bevölkerung einzustellen, bis die betroffenen Regierungen die
Berichte ihrer Vertreter an den Kontrollausschuß geprüft haben.
XIV.
Militärische Besprechungen
Während der Konferenz fanden Sitzungen zwischen den Stabschefs der
drei Regierungen über militärische Themen gemeinsamen Interesses statt.
2. August 1945.
gez. J.W. Stalin
gez. Harry S. Truman
gez. C.R. Attlee
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