Die Kohlenkrise Ein Hamburger Bürger schrieb im Februar 1947 an einen deutschen
Emigranten in New York:
In Hamburg starben im Monat Januar 1947 224 Personen an
Lungenentzündung. [...] Die Säuglingssterblichkeit ist im Januar 1947 auf 15 Prozent
gestiegen. Am 15. Februar gab es in Hamburg allein 5200 arbeitsunfähige Grippekranke. 5°
Minus ist die normale Temperatur in den Wohnungen. [...] Und keine Kohlen! Und zwei
Stunden am Tag elektrischer Strom! Und die Menschen halb verhungert und ausgemergelt!
Niemand darf vergessen, daß wir hier die Entfettungskur nicht erst seit 1945 machen.
[...] So ist es denn also kein Wunder, daß das Kohlenklauen" zu einer
Massenbewegung geworden ist, von der man sich in anderen Ländern kein Bild machen kann.
Ein Kohlenzug, der gezwungen ist, im Stadtgebiet oder am Rande der Stadt zu halten, wird
in wenigen Minuten um einen riesigen Teil seiner kostbaren Ladung leichter gemacht, ohne
daß das irgend eine Macht verhindern könnte. Plötzlich sind Kinder und Erwachsene in
der Masse eines Heuschreckenschwarmes aus der Erde gewachsen und holen sich, worauf sie in
der unerbittlichen Kälte stundenlang gewartet haben. Viele von ihnen arbeiten am Tage und
gehen in der Nacht oder schon am Abend los, um sich an bereits bekannten Stellen auf die
Lauer zu legen. Es ist für sie die einzige Möglichkeit, ihrer Familie eine warme Stube,
eine warme Suppe oder das Waschen der Wäsche zu ermöglichen. Der An- und Abmarsch ist
eine ständige Demonstration des Elends. |
Preise am Markt 1946
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