Jürgen Müller-Hohagen zitiert nach :
http://www.dachau
8. Mai - Jahrestag der Niederlage oder der Befreiung?
Größere Öffentlichkeit erhielt diese Frage wohl erstmals 1995 - fünfzig
Jahre "danach". Es gab Tagungen, Vorträge, verschiedene Darstellungen in den
Medien.
Aber ist das denn wirklich weiterhin eine Frage? Wer heute noch mit Blick
auf den 8. Mai 1945 an Niederlage denkt, ist der nicht hoffnungslos
identifiziert mit den furchtbarsten Tätern der menschlichen Geschichte? Für
jeden einigermaßen empfindungsfähigen Menschen müsse doch, sollte man
meinen, die Perspektive der damals Verfolgten Vorrang haben, ihrer Befreiung
mehr Gewicht zukommen als allen noch so schmerzlichen Verlusten auf Seiten
der damaligen "Volksgenossen" und ihrer Nachkommen.
Das ist ein Blickwinkel, der erst langsam einen Platz erhält in
Deutschland.
Jahrzehntelang dagegen kam ein Gedanke an Befreiung wohl nur selten
außerhalb des Kreises der Verfolgten und ihrer Nachkommen vor. Das zieht
sich durch bis heute. Zahlreiche unsachliche Angriffe auf die
Wehrmachtsausstellung oder auf das Buch von Goldhagen wären nie erfolgt,
hätte man sich in die Situation der Verfolgten hineinversetzt. 8. Mai 1945
als Befreiung - undenkbar.
Vieles spricht dafür, dass diese Haltung sich auf die nachkommenden
Generationen fortgepflanzt hat, weniger allerdings in den bewussten
Einstellungen, als vielmehr in den psychischen Untergründen. Die
Nachgeborenen sind im allgemeinen aufgewachsen mit einer neutralen,
"politisch korrekten" Definition des 8. Mai 1945, nämlich als Tag der
"bedingungslosen Kapitulation". Darin aber steckte Niederlage weit mehr als
Befreiung. Und das war nur der offizielle Teil. Jedenfalls bestehen bis
heute auch bei Zeitgenossen aus dem demokratischen Spektrum, also keineswegs
nur unter Rechtsradikalen, Ressentiments, stille Loyalitäten, untergründige
Bindungen und eigentümliche Traditionen massenhaft weiter. Schiefe Töne,
Halbheiten, Peinlichkeiten, Abgründe an Einfühlungsverlust und Mangel an
humaner Orientierung sind alles andere als eine Seltenheit, wenn es jenseits
offizieller Verlautbarungen um das Nazi-Reich geht.
Also 8. Mai als Befreiungstag für alle "aufrechten Deutschen"?
Das wäre wohl moralischer Rigorismus.
Und es wäre eine Etikette, hinter der sich so manche untergründige
Täteridentifizierung verbergen ließe.
Wie dann?
Diese Frage "Niederlage oder Befreiung" enthält für Nachkommen ehemaliger
"Volksgenossen", und das sind nun einmal die meisten Deutschen, einen
extremen Spannungsbogen. Dieser reicht von der Einfühlung in die Opfer bis
ins Wahrnehmen der eigenen Enttäuschung, dass "wir" den Krieg verloren haben
und doch nicht die Größten sind. Das verbindet sich mit dunklen
Ressentiments von Eltern, Lehrern, Allgemeinheit.
8. Mai 1945 - Jahrestag der Niederlage oder der Befreiung, wie sieht es
da in Ihnen aus?
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