Goldrausch in Alaska

 

Alles begann am 15. Juli 1897 am Hafen von San Francisco, meiner Heimatstadt, als ein paar ausgemergelte Gestalten, beladen mit seltsamen Gepäckstücken von offenbar großem Gewicht, Kanistern, Leinensäcken, Gläsern mit Schraubdeckeln, von Bord des Dampfers Excelsior, der aus Alaska gekommen war, gingen. Ich ging gerade am Pier spazieren, ich hatte nichts zu tun, keinen Job, also ging ich ihnen hinterher in den Saloon, der Direkt am Pier lag. Sie sahen aus, als würden sie ein paar Geschichten auf Lager haben, und ich hatte eh nichts besseres vor. Ich hatte schon in vielen Zeitungen über den Goldfund im Yukon Territorium gelesen, den dieser George Washington Carmack gemacht haben soll. Ich konnte trotzdem diese ganzen Verrückten nicht verstehen, die loszogen, um Gold zu suchen, und wahrscheinlich gar keines zu finden. Aber als in dem Saloon diese paar zerlumpten Männer einen Haufen reinen Goldes auf die Theke leerten, wusste ich, dass ich dabei sein würde, beim Goldrausch in Alaska. In diesem Moment wusste ich noch nichts von den ungeheuren Strapazen im Kreuzfeuer der Naturgewalten – bei dem gnadenlosen Run auf Dawson City.

Ich musste eisern sparen, um mir in Skagway eine Ausrüstung und genügend Vorräte zu kaufen, deshalb hatte ich weder den Fahrpreis für das Schiff bezahlt (ich bin als blinder Passagier mitgereist), auf dem ich mich später, im Oktober 1897, kurz vor Skagway befand, noch hatte ich zuvor während dem Zwischenstop in Ketchikan mein Geld in diesem Puff, Dolly’s Haus hieß er, verschleudert, wie viele andere Passagiere. Gleich nachdem ich in Skagway von Bord gegangen war, bot mir ein schräger Typ an, für 5 Dollar ein Telegramm an meine Familie zu schicken, aber da ich Vollwaise bin, war das nicht nötig. Außerdem veranstaltete ein Mann mit dem Spitznamen Soapy Smith eine Lotterie, in der er sehr teure Seifenstücke verkaufte. In einem dieser Seifenstücke sollte ein 100 Dollar Schein gewesen sein. Das hätte zwar für eine Jahresration Essen und eine komplette Ausrüstung gereicht, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Am nächsten Morgen hörte ich Schreie von der Straße, und als ich dort war, sah ich Soapy Smith mit seiner Winchester im Anschlag durch die Straßen laufen, als sich ihm plötzlich ein Mann entgegenstellte – Frank Reid, ein Landvermesser, der Soapy bis aufs Blut hasste, wie ich später hörte. Reid zog seine Waffe und feuerte Soapy, der im selben Moment Abdrückte, ins Herz. Soapy starb noch am selben Ort, Reid wurde von der Kugel das Becken zertrümmert, 12 Tage darauf stirbt auch er. Ich fand heraus, dass Soapy’s Lotterie ein Schwindel war und dass Skagway gar keine Telegraphenverbindung hatte, die Kerle, die den ankommenden Goldsuchern Telegramme anboten, waren Soapy’s Leute und er sackte die Kohle ein. Deshalb beriet sich ein Bürgerkomitee über das Vorgehen gegen ihn, und als er davon Wind bekam, startete er seine Amoklauf.

Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn ich wollte noch vor Wintereinbruch über den White Pass zum Yukon River, über den ich dann sobald das Eis brach per Floß nach Dawson City fahren wollte. Ich wählte den White Pass, weil ich gehört hatte, dass man ihn mit Maultieren überqueren könnte, den Chilkoot Pass jedoch nicht. Weil ich nicht genug Geld für Maultiere hatte, stahl ich ein paar kaufte mir schnell Ausrüstung und Vorräte an Lebensmitteln und schloss mich einer Gruppe Digger aus dem Osten an. Doch der White Pass sollte sich als mörderische Falle erweisen. Die Tragetiere rutschten ab, brachen sich am harten Fels die Knöchel, stürzten mit ihren Besitzern in die Tiefe, und alle paar hundert Fuß ein Felsrutsch. Ein schmaler Pfad, auf der einen Seite steile Felswand, auf der anderen der Abgrund, in dem Häufen von Tier- und menschlichen Skeletten lagen, später sollte dieser Platz Dead Horse Gulch genannt werden. Ich war einer der wenigen, die die Strapazen überlebt haben. Mitte Dezember erreichte ich den Yukon River, von meinen sechs Mulis waren die Hälfte gestorben, und ich hatte noch Glück gehabt. Ich hatte nur noch einen Bruchteil der Nahrungsmenge, die nötig gewesen wären, um Dawson zu erreichen. Die einzige Möglichkeit, zu überleben, war die Leichen derer, die auf dem Trail ihr Leben lassen mussten, zu fleddern. In einer der von Diggern errichteten Zeltstädte wartete ich auf die Schneeschmelze. Am 5. Juni, als das Eis brach, machte ich mich auf, mit meinem selbst gebauten Floß mit dieser Armada aus Floßen mitzusegeln. Auch während dieser Etappe starben viele Digger aus der Kolonne, und mein eigenes Floß ist ein paar mal fast zerbrochen, in den tückischen Stromschnellen des Yukon. Auch hier versorgte ich mich mit Ersatzteilen aus den Vorräten toter Kameraden. Kurz vor Dawson kam das Gerücht auf, dass schon fast alle Claims abgesteckt sind, aber wir segelten weiter, in der Hoffnung, dass doch nicht alles umsonst gewesen war. In Dawson angekommen, erfuhr ich, dass wirklich kaum noch Gebiete frei waren. Sie waren alle schon abgesteckt worden, bevor ich mich überhaupt auf die Reise gemacht hatte. Alle Strapazen waren umsonst gewesen, und die tausenden von Diggern, die von fern angereist kamen, machten aus Dawson City eine Vergnügungsstadt. Sie hatten die Schinderei satt, und tratschten nur noch über Goldfunde, anstatt sich auf die Suche zu machen, welche inzwischen fast aussichtslos gewesen wäre. Der Goldrausch war sang- und klanglos abgeflaut. Und mit der untergehenden Sonne über dem wilden Land der Abenteurer, starb der Traum vom Gold.