Abitur Grundkurs Bayern  
Bismarck und das Parlament/Parteien

 

DIE REICHSGRÜNDUNG UND IHRE EUROPÄISCHE
BEDEUTUNG - DAS KAISERREICH
 
Erarbeiten Sie vergleichend die Argumentation der beiden Stellungnahmen zum Vorschlag, Bismarck seitens des Reichtags zum Geburtstag zu beglückwünschen (Material A und B)!  12
 
Stellen Sie vor dem Hintergrund der Äußerungen von Graf Hompesch (Material A) das Verhältnis zwischen dem Zentrum und Bismarck in der Zeit zwischen 1871 und 1890 dar!  10
 
"Zoll- und Steuerpolitik hat schwere Schädigungen über das deutsche Volk gebracht ..." (Material B).
Legen Sie für die Zeit Bismarcks als Reichskanzler in Grundzügen die Entwicklung der Wirtschaftskonjunktur sowie der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland dar, und berücksichtigen Sie dabei auch Auswirkungen auf die Arbeiterschaft!
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Beurteilen Sie die Einflußmöglichkeiten der Parteien auf die Reichspolitik in der Ära Bismarck!  12
 
"Die allgemeine Erleichterung bei Bismarcks Rücktritt verhinderte nicht seine Glorifizierung ..." (W. Hardtwig*).
Nennen Sie Erscheinungsformen der Bismarck-Verehrung im wilhelminischen Kaiserreich, und erwägen Sie die der Bismarck-Verklärung zugrundeliegenden Motive!
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*deutscher Historiker, geb. 1944
 

 

Erklärungen des Zentrums und der SPD zu dem Vorschlag des Reichstagspräsidiums, den Fürsten Bismarck zum 80. Geburtstag zu beglückwünschen, vom 23. März 1895

Material A: Zentrum (Abg. Graf Hompesch)

 

"Die beantragte Beglückwünschung des Fürsten Bismarck seitens des Reichstags gilt der politischen Persönlichkeit, ist ein politischer Akt, um so mehr, als schon seit Wochen einen desfallsigen Schritt des Reichstags die Eigenschaft ganz besonderer Ehrung des Staatsmannes als solchem beigemessen wurde. Das Zentrum kann sich an einer unterschiedslosen Billigung der Grundsätze, nach denen Fürst Bismarck die deutsche und preußische Politik geleitet hat und heute noch zu beeinflussen bestrebt scheint, und einer unterschiedslosen Billigung zahlreicher einstigen Angelegenheiten und Handlungen, in denen diese Grundsätze Ausdruck fanden, nicht beteiligen. Das Zentrum könnte ebensowenig dem Verdienst1 einer solchen Billigung entgehen, wenn es den Vorschlag eines Reichsglückwunsches ohne alle Widerspruch ließe, denn Fürst Bismarck ist ein untrennbares Ganzes. Die Rücksichten und Möglichkeiten, die vor zehn Jahren walteten, fallen augenblicklich, da Fürst Bismarck nicht mehr im Amte ist, gänzlich fort. Nicht minder können Ehrenbezeugungen, die aktiven Reichstagsmitgliedern erwiesen wurden, hier wieder in Betracht kommen. So sind wir zu unserem Bedaueren außer stande, einem Glückwunsch von seiten des Reichstags zuzustimmen; wir verzichten jedoch auf die Ausführung derjenigen Gründe, die es uns im einzelnen unmöglich machen, in die vielseitigen Kundgebungen einzustimmen, um nicht durch Streiten über Persönlichkeiten die großen Schwierigkeiten der allgemeinen Lage zu erhöhen."

 

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1Gemeint ist: dem Vorwurf einer solchen Billigung.

 

 

Material B: Sozialdemokratische Partei (Abg. Singer)

 

"Wir haben keine Veranlassung, uns an einer Kundgebung zu beteiligen, die [...] zum ausschließlichen Vorteil der besitzenden Klasse erfolgt. Zoll- und Steuerpolitik hat schwere Schädigungen über das deutsche Volk gebracht und in ihren unheilvollen Wirkungen der Arbeiterklasse die notwendigsten Lebensmittel verteuert. Fürst Bismarck hat stets nur die Politik der Sonderinteressen und der nationalen und internationalen Gegensätzlichkeiten betrieben; er hat seine Gegner, insbesondere die sozialdemokratische Partei, bis zur Ächtung mit Ausnahmegesetzen verfolgt und vergewaltigt. Er besitzt daher keinen Anspruch auf den Dank und die Anerkennung des gerade von ihm so oft mit Hohn behandelten Reichstages. Als Vertreter der stärksten politischen Partei Deutschlands lehnen wir den Vorschlag des Herrn Präsidenten ab."

 

Zitiert nach: Hohlfeld, Johannes (Hrsg.): Deutsche Reichsgeschichte in Dokumenten
1849-1926. 1. Halbband. Berlin 1927. S. 293 - 295