Die beginnende
Industrialisierung |
Das Rheinland gehörte seit der Römerzeit immer zu den
wirtschaftlich am weitesten ent- wickelten Landschaften Deutschlands,
stellte der Rhein und das Rheintal doch die wichtigste Verkehrsverbindung
von der Nordsee zu den Alpen und weiter ans Mittelmeer dar. Mit der
französischen Besetzung und späteren Annexion der linksrheinischen
Gebietedes Deutschen Reiches wurde dort das französische Rechtswesen
eingeführt (code napoleon), das den Menschen erheblich mehr persönliche
Freiheiten und einen größeren wirtschaftlichen und politischen
Entfaltungsspielraum bot. Das setzte auch einige unternehmerische
Initiativen frei, die allerdings immer wieder durch die preußische
Bürokratie behindert wurden. Ebenso wie in England waren die ersten Versuche
der Industrialisierung mit der Textilbranche verknüpft, stießen aber noch
auf große Schwierigkeiten: nicht nur die Maschinen, auch die Ingenieure, die
sie zusammenbauten und die Arbeiter, die sie bedienten, mussten aus England
eingeführt bzw. angeworben werden, wo allerdings der Export von Maschinen
und die Abwerbung von Fachleuten streng bestraft wurde. |
Maschinenhallen einer englischen Baumwollspinnerei
und einer Weberei |
Die Maschinen waren ebenso wie die ersten
importierten Dampfmaschinen sehr störanfällig und arbeiteten kaum
wirtschaftlich. |
Die dreißiger Jahre stellten einen
Einschnitt in die wirtschaftliche Entwicklung dar, die durch verschiedene
Faktoren deutlich beschleunigt wurde. Die Anliegerstaaten des Rheins
schlossen ein Verkehrsabkommen ab, 1834 wurde der Deutsche Zollverein
begründet, der die Binnenzölle abschaffte. Die Weigerung Österreichs, sich
dem Zollverein anzuschließen, koppelte es von der wirtschaftlichen
Entwicklung der nördlicheren Gebiete Deutschlands ab. Ebenfalls in den 30er
Jahren überschritt der Kohlebergbau die Ruhr nach Norden und ermöglichte
immer größere Abbautiefen (=Teufen) durch den Einsatz von Dampfmaschinen zum
Abpumpen des Wassers aus den Gruben. Nachdem mit dem Zollverein die
politische Voraussetzung für ungehinderten Warenverkehr innerhalb
Deutschlands erreicht war, gelang der Durchbruch der Industrialisierung mit
dem Bau der Eisenbahn in Deutschland. Nach der ersten Strecke von Nürnberg
nach Fürth im Jahre 1835 explodierte das Schienennetz geradezu, was einen
enormen Bedarf an Stahl für Schienen und Fahrzeuge und an Kohle für die
Stahlerzeugung und den Betrieb der Lokomotiven hervorrief. In diese Zeit
zwischen 1830 und 1848 fielen auch die ersten Versuche, Banken auf der Basis
von Aktiengesellschaften zu gründen (Hansemann, Camphausen und Mevissen, die
später in der 48er Revolution in Preußen eine Rolle spielten), um die
benötigten immer größeren Kapitalien zur Finanzierung von
Industrieunternehmen und Eisenbahngesellschaften auftreiben zu können. Diese
Versuche scheiterten jedoch immer wieder an der preußischen
Wirtschaftsgesetzgebung. |
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Die Zeit zwischen 1820 und 1848 war aber
ebenfalls die Zeit des größten Massenelends in Deutschland (=Pauperismus),
weil die beginnende Industrialisierung nicht im gleichen Maß Arbeitsplätze
anbieten konnte, wie die Bevölkerung anwuchs und als Folge der
Bauernbefreiung Massen von besitzlosen Landbewohnern nach Westen in die
entwickelteren Gebiete drängten. Das ermöglichte es den Unternehmern, die
Arbeitszeiten extrem auszudehnen und die Löhne so niedrig zu halten, dass
die Mitarbeit von Frauen und Kindern in Arbeiterfamilien für deren Überleben
zwingend erforderlich waren. Zugleich trat die aufkommende Textilindustrie
in immer erfolgreichere Konkurrenz zur Handweberei, die zumeist in
Heimarbeit organisiert war, so dass die Tuchpreise derart herabgedrückt
werden konnten, dass die Einkommen der Weber unter das Existenzminimum
sanken. Es kam zu Akten von Maschinenstürmerei durch verzweifelte Weber und
schließlich 1844 zum Aufstand der schlesischen Weber als Vorboten der großen
Revolution von 1848. |
Die Blätter "Weberzug", "Not" und "Sturm" (1897) aus
dem Zyklus "Der Weberaufstand" von Käthe Kollwitz, den sie unter dem
Eindruck der Uraufführung des Dramas "Die Weber" von Gerhard Hauptmann 1893
schuf. |
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Die Auseinandersetzung mit dem Elend der
Arbeiter führte zur Entwicklung erster Sozialistischer Vorstellungen in den
fortgeschrittendsten Ländern England und Frankreich (Utopischer Sozialismus,
R. Owens) und zu ersten Ansätzen der Organisation der Arbeiter, die in
Deutschland aber durch das Verbot von politischen Organisationen ständig
unterdrückt wurde. Die deutschen Arbeiter konnten sich deshalb nur im
ausländischen Exil (in Belgien, Frankreich oder England) offen organisieren,
wurden aber auch dort oft auf Druck ihrer deutschen Heimatstaaten
vertrieben. So entstand das Kommunistische Manifest von Karl Marx und
Friedrich Engels im November 1847 in London (deutsch im Februar 1848). Erst
in der Revolution von 1848 konnten sich Arbeiter in Deutschland offen
organisieren. |
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