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Verordnung des Reichspräsidenten
zum Schutze des Deutschen Volkes
Verordnung vom 4. Februar 1933
(Reichsgesetzblatt I S. 35) |
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Auf
Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes
verordnet:
Abschnitt I: Versammlungen und
Aufzüge
§ 1 (1)
Öffentliche politische Versammlungen sowie alle Versammlungen und Aufzüge
unter freiem Himmel sind spätestens achtundvierzig Stunden vorher unter
Angabe des Ortes, der Zeit und des Verhandlungsgegenstandes der
Ortspolizeibehörde anzumelden.
(2) Sie können im Einzelfall
verboten werden, wenn nach den Umständen eine unmittelbare Gefahr für
die öffentliche Sicherheit zu besorgen ist. Statt des Verbots kann eine
Genehmigung unter Auflagen ausgesprochen werden. Zuständig sind, soweit
die obersten Landesbehorden nichts anderes bestimmen, die Ortspolizeibehörden.
(3) Ausgenommen sind
Veranstaltungen nicht politischer Art.
(4) Eine Anordnung nach Abs. 2
kann nach den Bestimmungen des Landesrechts angefochten werden. Die
Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 2 Öffentliche
politische Versammlungen sowie Versammlungen und Aufzüge unter freiem
Himmel können aufgelöst werden,
1. wenn in ihnen zum Ungehorsam
gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder die innerhalb ihrer
Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen
Regierung oder der Behörden aufgefordert oder angereizt wird, oder
2. wenn in ihnen Organe,
Einrichtungen, Behörden oder leitende Beamte des Staates beschimpft
oder böswillig verächtlich gemacht werden, oder
3. wenn in ihnen eine
Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts, ihre Einrichtungen, Gebräuche
oder Gegenstände ihrer religiösen Verehrung beschimpft oder böswillig
verächtlich gemacht werden, oder
4. wenn in ihnen zu einer
Gewalttat gegen eine bestimmte Person oder allgemein zu Gewalttätigkeiten
gegen Personen oder Sachen aufgefordert oder angereizt wird,
5. wenn sie nicht angemeldet oder
wenn sie verboten sind oder wenn
von den Angaben der Anmeldung
absichtlich abgewichen oder wenn einer Auflage zuwidergehandelt wird.
§ 3 (1)
Die Polizeibehörde ist befugt, in jede öffentliche Versammlung
Beauftragte zu entsenden.
(2) Die Beauftragten haben sich
unter Kundgebung ihrer Eigenschaft dem Leiter oder, solange dieser nicht
bestellt ist, dem Veranstalter der Versammlung zu erkennen zu geben.
(3) Den Beauftragten muß ein
angemessener Platz eingeräumt werden.
(4) Wird die Zulassung der
Beauftragten verweigert, so kann die Versammlung für aufgelöst erklärt
werden.
§ 4 (1)
Ist eine Versammlung für aufgelöst erklärt, so hat die Polizeibehörde
dem Leiter oder Veranstalter der Versammlung die mit Tatsachen zu
belegenden Gründe der Anordnung schriftlich mitzuteilen, falls er dies
binnen drei Tagen beantragt.
(2) Die Auflösung kann nach den
Bestimmungen des Landesrechts angefochten werden.
§ 5 Der
Reichsminister des Innern kann allgemein oder mit Einschränkungen für
das ganze Reichsgebiet oder einzelne Teile Versammlungen unter freiem
Himmel und Aufzüge sowie das Tragen einheitlicher Kleidung, die die
Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung kennzeichnet, verbieten
und für Zuwiderhandlungen Gefängnisstrafe oder Geldstrafe allein oder
nebeneinander androhen.
§ 6 (1)
Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge dürfen von den Landesbehörden
wegen unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten
werden
1. allgemein nur für bestimmt
abgegrenzte Ortsteile,
2. im ührigen nur im
Einzelfalle.
Weitergehende allgemeine Verbote
treten außer Kraft.
(2) Hat der Reichsminister des
Innern gegen ein Verbot nach Abs. 1 Nr. 1 Bedenken, so kann er die
oberste Landesbehörde um Änderung oder Aufhebung ersuchen. Entspricht
die oberste Landesbehörde dem Ersuchen nicht, so kann er das Verbot
aufheben.
Abschnitt II: Druckschriften
§ 7 (1)
Druckschriften, deren Inhalt geeignet ist, die öffentliche Sicherheit
oder Ordnung zu gefährden, konnen polizeilich beschlagnahmt und
eingezogen werden.
(2) Zuständig sind, soweit die
obersten Landesbekörden nichts anderes bestimmen, die Ortspolizeibehörden.
§ 8 Die
Vorschriften des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874
(Reichsgesetzbl. I S. 65) über die Beschlagnahme von Druckschriften
ohne richterliche Anordnung (§§ 23 ff. des Gesetzes) finden auf die in
den §§ 81 bis 86, 92 Nr. 1 und 110 des Strafgesetzbuchs oder in den
§§ 1 bis 4 des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse
bezeichneten strafbaren Handlungen mit der Maßgabe Anwendung, daß der
Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß des Gerichts, der die vorläufige
Beschlagnahme aufhebt, die sofortige Beschwerde mit aufschiebender
Wirkung zusteht.
§ 9 (1)
Periodische Druckschriften können verboten werden,
1. wenn durch ihren Inhalt die
Strafbarkeit einer der in den §§ 81 bis 86, 92 Nr. 1 des
Strafgesetzbuchs oder in den §§ 1 bis 4 des Gesetzes gegen den Verrat
militärischer Geheimnisse bezeichneten Handlungen begründet wird;
2. wenn in ihnen zum Ungehorsam
gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder die innerhalb ihrer
Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen
Regierung oder der Bekörden aufgefordert oder angereizt wird;
3. wenn in ihnen zu Gewalttätigkeiten
aufgefordert oder angereizt wird oder wenn in ihnen Gewalttätigkeiten,
nachdem sie begangen worden sind, verherrlicht werden;
4. wenn in ihnen zu einem
Generalstreik oder zu einem Streik in einem lebenswichtigen Betriebe
aufgefordert oder angereizt wird;
5. wenn in ihnen Organe,
Einrichtungen, Behörden oder leitende Beamte des Staates beschimpft
oder böswillig verächtlich gemacht werden;
6. wenn in ihnen eine
Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts, ihre Einrichtungen, Gebräuche
oder Gegenstände ihrer religiösen Verehrung beschimpft oder böswillig
verächtlich gemacht werden;
7. wenn in ihnen offensichtlich
unrichtige Nachrichten enthalten sind, deren Verbreitung geeignet ist,
lebenswichtige Interessen des Staates zu gefahrden;
8. wenn als verantwortlicher
Schriftleiter dem Verbote des Reichsgesetzes vom 4. März 1931
(Reichsgesetzbl. I S. 29) zuwider jemand bestellt oder benannt ist, der
nicht oder nur mit besonderer Zustimmung oder Genehmigung strafrechtlich
verfolgt werden kann.
(2) Die Dauer des Verbors darf
bei Tageszeitungen vier Wochen, in anderen Fällen sechs Monate nicht überschreiten.
Diese Beschränkung fällt fort, wenn eine periodische Druckschrift, die
auf Grund der Vorschriften dieser Verordnung bereits zweimal verboten
war, innerhalb dreier Monate nach dem ersten Verbot erneut verboten
wird, in diesem Falle darf die Dauer des Verbots bei Tageszeitungen
sechs Monate, in anderen Fällen ein Jahr nicht überschreiten.
(3) Ein auf Grund des Abs. 1
erlassenes Verbot umfaßt auch die in demselben Verlag erscheinenden
Kopfblätter der Zeitung sowie jede angeblich neue Druckschrift, die
sich sachlich als die alte darstellt oder als ihr Ersatz anzusehen ist.
§ 10 (1)
Zuständig für das Verbot einer periodischen Druckschrift sind die
obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. Gegen
das Verbot ist binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung
ab die Beschwerde an einen vom Präsidium zu bestimmenden Senat des
Reichsgerichts gegeben. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Beschwerde ist bei der
Stelle einzureichen, gegen deren Anordnung sie gerichtet ist. Diese hat
sie unverzüglich der obersten Landesbehörde vorzulegen. Hilft diese
der Beschwerde nicht ab so hat sie sie unverzüglich an den
Reichsminister des Innern weiterzuleiten. Der Reichsminister des Innern
kann der Beschwerde abhelfen, andernfalls hat er sie unverzüglich dem
Senat des Reichsgerichts zur Entscheidung vorzulegen. Gegen eine
Entscheidung des Reichsministers des Innern, die der Beschwerde abhilft,
kann die oberste Landesbehörde die Entscheidung des Senats des
Reichsgerichts anrufen.
(3) Der Reichsminister des Innern
kann die oberste Landesbehörde um das Verbot einer perfodischen
Druckschrift ersuchen. Glaubt die oberste Landesbehörde, einem solchen
Ersuchen nicht entsprechen zu können, so teilt sie dies unverzüglich,
spätestens aber am zweiten Tage nach Empfang des Ersuchens, dem
Reichsminister des Innern mit und ruft innerhalb derselben Frist die
Entscheidung des Senats des Reichsgerichts an. Erklärt dieser das
Verbot für zulässig, so hat die oberste Landesbekörde dem Ersuchen
sofort zu entsprechen. Einer Beschwerde gegen ein auf Ersuchen des
Reichsministers des Innern angeordnetes Verbot kann die oberste
Landesbehorde nicht abhelfen.
§ 11 (1)
Eine periodische Druckschrift, die unter Duldung des Verlcgers den
Beziehern einer verbotenen Druckschrift als deren Ersatz zur Abwendung
der Folgen des Verbots zugestellt wird, kann für die im § 9 Abs. 2
bestimmte Dauer verboten werden.
(2) Zuständig für das Verbot
ist die Stelle, die das erste Verbot angeordnet hat. Erscheint die als
Ersatz zugestellte periodische Druckschrift in einem anderen Lande als
die verbotene, so ist die zuständige Landesbehörde von der Stelle, die
das erste Verbot angeordnet hat, um Anordnung des Verbots der als Ersatz
zugestellten periodischen Druckschrift zu ersuchen. Will die ersuchte
Behörde das Verbot nicht anordnen, so hat sie die Entscheidung des
Reichsministers des Innern anzurufen; die Vorschriften des § 10 Abs. 3
finden entsprechende Anwendung.
(3) Gegen das Verbot ist die
Beschwerde gemäß den Vorschriften des § 10 Abs. 1, 2 zulässig.
§12 Ein
Verbot einer periodischen Druckschrift muß ohne sachliche Nachprüfung
sofort aufgehoben werden, wenn die Beschwerde nicht spätestens am fünften
Tage nach ihrer Einlegung dem Reichsminister des Innern zugeleitet ist.
§13 Ist
in einer periodischen Druckschrift, die nicht im Inland erscheint, eine
Veröffentlichung der im § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 bezeichneten Art
enthalten, so kann der Reichsminister des Innern ihre Verbreitung im
Inland bis zur Dauer von sechs Monaten verbieten. Gegen das Verbot ist
kein Rechtsmittel zulässig.
Abschnitt III, IV*
Abschnitt V: Schlußvorschriften
§ 25 (1)
Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erläßt der Reichsminister des Innern, und
zwar, soweit es sich um Vorschriften über das Verfahren vor dem Senat
des Reichsgerichts handelt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der
Justiz. Er kann, soweit er es für erforderlich hält, Richtlinien für
die Handhabung der Vorschriften dieser Verordnung erlassen.
§ 26 (1)
Diese Verordnung tritt mit dem Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
(2) Während ihrer Geltungsdauer
sind die Vorschriften der §§ 2, 6 bis 8 der Verordnung des Reichspräsidenten
zur Erhaltung des inneren Friedens vom 19. Dezember 1932
(Reichsgesetzbl. I S. 548) nicht anzuwenden.
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