Weisung für den Überfall auf Polen
Weisung für "Fall Weiß", vom 31. August 1939:
"1. Nachdem alle politischen Möglichkeiten erschöpft sind, um auf
friedlichem Wege eine für Deutschland unerträgliche Lage an seiner Ostgrenze
zu beseitigen, habe ich mich zur gewaltsamen Lösung entschlossen.
2. Der Angriff gegen Polen ist nach den für Fall Weiß getroffenen
Vorbereitungen zu führen, mit den Abänderungen, die sich beim Heer durch den
inzwischen fast vollendeten Aufmarsch ergeben. Aufgabenverteilung und
Operationsziel bleiben unverändert. Angriffstag: 1.9.1939 Angriffszeit: 5.45
Uhr Diese Zeit gilt auch für die Unternehmungen Gdingen – Danziger Bucht und
Brücke Dirschau.
3. Im Westen kommt es darauf an, die Verantwortung für die Eröffnung der
Feindseligkeiten eindeutig England und Frankreich zu überlassen. Geringfügigen
Grenzverletzungen ist zunächst rein örtlich entgegenzutreten. Die von uns
Holland, Belgien, Luxemburg und der Schweiz zugesicherte Neutralität ist
peinlich zu achten. Die deutsche Westgrenze ist zu Lande an keiner Stelle ohne
meine ausdrückliche Genehmigung zu überschreiten. Zur See gilt das gleiche
für alle kriegerischen oder als solche zu deutenden Handlungen. Die defensiven
Maßnahmen der Luftwaffe sind zunächst auf die unbedingte Abwehr feindl.
Luftangriffe an der Reichsgrenze zu beschränken, wobei solange als möglich die
Grenze der neutralen Staaten bei der Abwehr einzelner Flugzeuge und kleinerer
Einheiten zu achten ist. Erst wenn beim Einsatz stärkerer franz. und engl.
Angriffsverbände über die neutralen Staaten gegen deutsches Gebiet die
Luftverteidigung im Westen nicht mehr gesichert ist, ist die Abwehr auch über
diesem neutralen Gebiet freizugeben...
4. Eröffnen England und Frankreich die Feindseligkeiten gegen Deutschland, so
ist es die Aufgabe der im Westen operierenden Teile der Wehrmacht, unter
möglichster Schonung der Kräfte die Voraussetzungen für den siegreichen
Abschluß der Operationen gegen Polen zu erhalten. Im Rahmen dieser Aufgabe sind
die feindl. Streitkräfte und deren wehrwirtschaftl. Kraftquellen nach Kräften
zu schädigen. Den Befehl zum Beginn von Angriffshandlungen behalte ich mir in
jedem Fall vor. Das Heer hält den Westwall und trifft Vorbereitungen, dessen
Umfassung im Norden – unter Verletzung belgischen oder holländischen Gebietes
durch die Westmächte – zu verhindern. Rücken franz. Kräfte in Luxemburg
ein, so bleibt die Sprengung der Grenzbrücken freigegeben. Die Kriegsmarine
führt Handelskrieg mit dem Schwerpunkt England. Zur Verstärkung der Wirkung
kann mit der Erklärung von Gefahrenzonen gerechnet werden. OKM meldet, in
welchen Seegebieten und in welchem Umfang Gefahrenzonen für zweckmäßig
gehalten werden. Der Wortlaut für eine öffentl. Erklärung ist im Benehmen mit
dem Ausw. Amte vorzubereiten und mir über OKW zur Genehmigung vorzulegen.
Die Ostsee ist gegen feindl. Einbruch zu sichern. Die Entscheidung, ob zu diesem
Zwecke die Ostsee-Eingänge mit Minen gesperrt werden dürfen, trifft Ob.d.M.
Die Luftwaffe hat in erster Linie den Einsatz der franz. und engl. Luftwaffe
gegen das deutsche Heer und den deutschen Lebensraum zu verhindern. Bei der
Kampfführung gegen England ist der Einsatz der Luftwaffe zur Störung der engl.
Seezufuhr, der Rüstungsindustrie, der Truppentransporte nach Frankreich
vorzubereiten. Günstige Gelegenheit zu einem wirkungsvollen Angriff gegen
massierte engl. Flotteneinheiten, insbes. gegen Schlachtschiffe und
Flugzeugträger, ist auszunutzen. Angriffe gegen London bleiben meiner
Entscheidung vorbehalten. Die Angriffe gegen das englische Mutterland sind unter
dem Gesichtspunkt vorzubereiten, daß unzureichender Erfolg mit Teilkräften
unter allen Umständen zu vermeiden ist."
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