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Hitlers Juristen - ein Bericht der "jungen Welt" vom
12.5.2002
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Der »Fall 3« der
Nürnberger Nachfolgeprozesse 1947: Im Westen blieb er der einzige
ernsthafte Versuch, die Justizverbrechen im »Dritten Reich« zu erhellen.
Schon 1951 folgten Rehabilitierung und Wiederverwendung |
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Nach dem Nürnberger Prozeß
der vier Siegermächte gegen die Hauptkriegsverbrecher des faschistischen
Deutschen Reiches führten die USA zwölf Nachfolgeprozesse in Nürnberg
durch, in denen sich Ärzte, Beamte, Militärs, Unternehmer und
Nazifunktionäre für ihre Verbrechen verantworten mußten. Am 4. Dezember
1947 endete nach elfmonatiger Dauer der sogenannte Fall 3, der sich mit
den Juristen des »Dritten Reichs« beschäftigte. Vorrangig wurden
Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung der okkupierten Länder behandelt,
und die Anklage lautete auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Die Verfolgung der Justizverbrechen an Deutschen war
nach Meinung der US-Behörden nicht nur Sache einer demokratischen Justiz
in Nachkriegsdeutschland, sondern auch durch die völkerrechtliche
Legitimation der Nürnberger Prozesse nicht gedeckt.
Die 16 Angeklagten galten dem Gericht als »die Verkörperung dessen, was
im ›Dritten Reich‹ als Justiz angesehen wurde«. Die obersten
Repräsentanten fehlten, da Reichsgerichtspräsident Erwin Bumke und
Justizminister Otto Georg Thierack 1945 bzw. 1946 Selbstmord begangen
hatten und der berüchtigte Roland Freisler im März 1945 durch eine
Fliegerbombe getötet worden war. Ranghöchster Angeklagter war der
ehemalige Staatssekretär und zeitweilige Justizminister Franz
Schlegelberger. Ihm zur Seite saßen Staatssekretär Ernst Klemm und
andere führende Beamte des Justizministeriums sowie Reichsanwalt Oswald
Rothaupt und ranghohe Juristen des Volksgerichtshofs. Mit Rudolf Oeschey
befand sich auch der Vorsitzende eines Sondergerichts auf der
Anklagebank.
Das Gericht hörte 138 Zeugen und prüfte über 2000 Beweisstücke. Im
Vordergrund standen die Polenstrafrechtsverordnung, der »Nacht-und-Nebel-Erlaß«
sowie die Übergabe von Häftlingen an die SS zur »Vernichtung durch
Arbeit«. Aus der erdrückenden Beweisfülle kam das Gericht zu dem Schluß:
»Die Angeklagten sind solch unermeßlicher Verbrechen beschuldigt, daß
bloße Einzelfälle von Verbrechenstatbeständen im Vergleich dazu
unbedeutend erscheinen. Die Beschuldigung, kurz gesagt, ist die der
bewußten Teilnahme an einem über das ganze Land verbreiteten und von der
Regierung organisierten System der Grausamkeit und Ungerechtigkeit unter
Verletzung der Kriegsgesetze und der Gesetze der Menschlichkeit,
begangen im Namen des Rechts und unter der Autorität des
Justizministeriums mit Hilfe der Gerichte. Der Dolch des Mörders war
unter der Robe des Juristen verborgen.«
Neben den üblichen Lügen und der Behauptung, die von ihnen
unterzeichneten Schriftstücke nicht gelesen zu haben, verteidigten sich
die Angeklagten mit dem Argument, sie seien auf ihren Posten geblieben,
um Schlimmeres zu verhindern. Die Richter taten dies nicht als
offensichtliche Schutzbehauptung ab, sondern setzten sich damit intensiv
auseinander: »Diese einleuchtend klingende Behauptung der Verteidigung
hält, wenn näher betrachtet, weder der Wahrheit noch der Logik oder den
Umständen stand. Das Beweismaterial ergibt schlüssig, daß, um das
Justizministerium bei Hitler in Gnaden zu erhalten und um seine völlige
Unterwerfung unter Himmlers Polizei zu verhindern, Schlegelberger und
die anderen Angeklagten, die diese Rechtfertigung für sich in Anspruch
nehmen, die schmutzige Arbeit übernahmen, die die Staatsführer
forderten, und das Justizministerium als ein Werkzeug zur Vernichtung
der jüdischen und polnischen Bevölkerung, zur Terrorisierung der
Einwohner der besetzten Gebiete und zur Ausrottung des politischen
Widerstandes im Inland benutzten.« Das Gericht verurteilte
Schlegelberger, Klemm, Rothaupt und Oeschey zu lebenslangem Zuchthaus.
Vier Angeklagte wurden freigesprochen und der Rest erhielt
Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren.
Die zweite Karriere
Dieser Prozeß blieb im Westen der einzige ernsthafte Versuch, die Rolle
der Justiz im »Dritten Reich« zu erhellen und hatte kaum Auswirkungen
auf die Juristenschaft der späteren BRD. Diese tat die Nürnberger
Prozesse in der Regel als »Sieger- und Vergeltungsjustiz« ab. Kaum
Auswirkungen hatten auch Strafverfahren gegen die Besatzungsjustiz in
den von den Nazis eroberten Länder. In Luxemburg wurden der Vorsitzende
des Sondergerichts, Adolf Raderschall, in Abwesenheit zum Tode und
Staatsanwalt Josef Wienecke zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Nachdem
letzterem die Flucht gelungen war, erhielt er in Koblenz eine Stelle als
Staatsanwalt, und Raderschall wurde Amtsrichter in Bad Kreuznach. Kurt
Bellmann, dessen Unterschrift nachweislich unter 110 Todesurteilen
stand, wurde in der Tschechoslowakei zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nach seiner Abschiebung in die BRD stieg der »Blutrichter von Prag« zum
Landgerichtsdirektor in Hannover auf. Nazi-Staatsanwalt Erich Anger
hingegen machte nicht ganz so schnell Karriere: Er mußte die zwölf Jahre
Gefängnis, zu denen ihn das Landgericht Dresden wegen Verbrechens gegen
die Menschlichkeit verurteilt hatte, absitzen. Danach aber ging er in
den Westen und wurde Erster Staatsanwalt in Essen.
Die bundesdeutsche Justiz hatte, bevor die Verfolgungswelle Anfang der
fünfziger Jahre abrupt abbrach, immerhin über 5000 nazistische
Gewalttäter verurteilt. Vertreter ihres eigenen Standes waren nicht
darunter. Die wurden nämlich gebraucht, um den »demokratischen
Rechtsstaat« BRD aufzubauen. Das »im Bewußtsein seiner Verantwortung vor
Gott und den Menschen« beschlossene Grundgesetz (GG) stellte sich der
vorausgegangenen Geschichte Deutschlands und beschäftigte sich in einem
eigenen Abschnitt mit deren Opfern. Aber nicht mit den Opfern des
Faschismus, sondern mit denen der Entnazifizierung. Artikel 131 GG
stellte den nach dem 8. Mai 1945 entlassenen Staatsdienern eine
Entschädigung in Aussicht. Der Führer war zwar tot, aber besaßen die
Staatsdiener nicht trotzdem ein Recht auf Wiederverwendung und Pension?
Das 1951 zu Artikel 131 geschaffene Bundesgesetz bejahte diese Frage mit
der Folge, daß nahezu alle ehemals braunen Staatsdiener einen
Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung hatten. Es verpflichtete Staat,
Länder und Gemeinden, bei Neueinstellungen mindestens 20 Prozent Nazis
aufzunehmen. Behörden, die diese Quote nicht erfüllten, mußten Strafen
in Höhe der eingesparten Gehälter zahlen. Die Zahl der »131er« betrug
mehr als eine halbe Million, und bis 1964 wurden über 17 Milliarden DM
für ihre Integration und Versorgung ausgegeben. Davon profitierten auch
die im »Fall 3« verurteilten Juristen. Sie waren amnestiert worden und
befanden sich 1951 mit Ausnahme von Rothaupt, der fünf Jahre später
entlassen wurde, auf freiem Fuß.
Und wollten nun standesgemäß leben. Was kein Problem war: Der oberste
Ankläger beim Volksgerichtshof, Ernst Lautz, erhielt seit dem 1. April
1951 die Pension eines Generalstaatsanwalts in Höhe von monatlich 1342
DM. Franz Schlegelberger bekam eine Nachzahlung von 160000 DM und
monatlich 2894 DM – zu einer Zeit als ein Facharbeiter rund 400 Mark
verdiente. Die nicht so prominenten hohen und höchsten Nazirichter und
Beamten fanden im Prozeß der Renazifizierung der Bundesrepublik, wie
zeitgenössische Kommentatoren die Durchführung des 131er Gesetzes
nannten, problemlos Wiederverwendung in der Justiz.
Besondere Eignung
Großen Wert auf Tradition und Kontinuität legte man im
Justizministerium. Für öffentliches Recht wurde Ministerialdirektor
Walter Roemer, früher Erster Staatsanwalt am Sondergericht München,
zuständig. Die Abteilung Strafrecht und Strafverfahren leitete Josef
Schafheutle, der nach 1933 als Regierungsrat im Reichsjustizministerium
an der Ausarbeitung des politischen Strafrechts beteiligt gewesen war.
Diese besondere Qualifikation wollte der Adenauer-Staat nicht
brachliegen lassen und übertrug dem zum Ministerialdirektor
Aufgestiegenen die Federführung bei der Ausarbeitung des politischen
Strafrechts der BRD. Speziell für die politische Strafjustiz war Ernst
Kanter zuständig, vormals »Generalrichter« im besetzten Dänemark. Über
seinen Schreibtisch waren mindestens 103 Todesurteile gegen
Widerstandskämpfer gegangen. Die 1958 eingerichtete Zentralstelle zur
Aufklärung von Naziverbrechen wurde von Erwin Schüle geleitet, einem
SA-Mann und NSDAP-Mitglied. Erst Ende 1965 wurde er nach massiver Kritik
an seiner Untätigkeit abgelöst und zum Generalstaatsanwalt in Stuttgart
befördert.
Problemlos zogen die vielen Sonder-, Volksgerichtshof- und
Militärrichter in die zahlreichen Amtsstuben der bundesdeutschen Justiz
ein. Von den 17 nach dem Krieg noch lebenden Richtern, die in Hamburg »Rassenschande«-Urteile
gesprochen hatten, kamen elf wieder an Gerichten unter. Einer von ihnen
wurde Vorsitzender einer Entschädigungskammer, wo er über die
Wiedergutmachungsansprüche von Überlebenden und von Angehörigen seiner
Opfer zu entscheiden hatte. Karl-Heinz Ottersbach, der als Ankläger am
Sondergericht Kattowitz für eine Vielzahl von Todesurteilen
verantwortlich war, wurde nach dem Krieg Staatsanwalt für politische
Strafsachen am Landgericht Lüneburg. Dort machte er gerne deutlich, was
Kontinuität im Rechtswesen konkret bedeutet. Einem angeklagten
Kommunisten hielt er vor: »Aus Ihrer Inhaftierung in den Jahren 1933 bis
1945 haben Sie nichts gelernt.«
Angesichts internationaler Kritik versuchte Adenauer 1961 mit einem
neuen Richtergesetz den NS-Juristen goldene Brücken zu bauen. Allen
Richtern und Staatsanwälten, die »in der Zeit vom 1. September 1939 bis
zum 9. Mai 1945 in der Strafrechtspflege mitgewirkt« hatten, wurde die
Möglichkeit gegeben, bei ungeschmälerten Pensionsbezügen den Dienst zu
quittieren. So ganz nebenbei machte die Befristung deutlich, daß
Regierung und Bundestag die Nazidiktatur bis zur Entfesselung des
Zweiten Weltkrieges als Rechtsstaat betrachteten. Von dem großzügigen
Angebot machten 149 Nazi-Juristen Gebrauch. Noch 1964 betrug der Anteil
der Richter am Bundesgerichtshof (BGH), die bereits im »Dritten Reich«
Recht gesprochen und Karriere gemacht hatte, über 70 Prozent, wie eine
kürzlich erschienene Studie des Rechtssoziologen Hubert Rottleuthner
belegt.
Es ließ sich aber nicht vermeiden, daß Strafanzeigen gegen Blutrichter
gestellt wurden. Anfangs führten sie auch zu Gerichtsverhandlungen,
endeten aber in der Regel mit Freisprüchen. »Rechtsfeindliches Handeln«
konnte man einem fanatischen NS-Richter nicht unterstellen, denn aktiver
Nationalsozialist »konnte er auch aus durchaus anerkennenswerten Gründen
gewesen sein« (LG Hamburg). »Bewußte Rechtsbeugung« konnte nicht
vorliegen, da »die Möglichkeit der Rechtsblindheit, basierend auf
politischer Verblendung ... nicht auszuschließen« war (LG Kassel).
Solche Formeln gehörten nicht nur zum festen Repertoire der Urteile,
sondern wurden von den Staatsanwaltschaften und Gerichten in ihre
Beschlüsse übernommen, mit denen sie Verfahren schon im
Ermittlungsstadium einstellten. Das Verfahren gegen Generalbundesanwalt
Wolfgang Immerwahr Fränkel beispielsweise, einen – wie ihn ein
Gerichtspräsident nannte – »Fanatiker der Todesstrafe«, stellte das
Oberlandesgericht Karlsruhe am 3. September 1964 ein. Die denkwürdige
Begründung lautete, dem zum höchsten Ankläger der Republik
aufgestiegenen Fränkel sei nicht nachzuweisen, daß er »während des
Krieges ... die Gültigkeit der genannten Bestimmungen auch nur
bezweifelt, geschweige denn ihre Ungültigkeit erkannt« habe. Einer der
wenigen demokratischen Juristen in Spitzenposition, der hessische
Generalbundesanwalt Fritz Bauer meinte über die »Bewußtseinsspaltung«
der Juristen: »In den Entnazifizierungsakten lesen wir, daß sie samt und
sonders dagegen waren. Sollen aber Staatsanwälte und Richter etwa wegen
exzessiver Todesurteile zur Rechenschaft gezogen werden, so beteuern
sie, damals in ungetrübter Übereinstimmung mit ihrem Gewissen verfolgt
und hingerichtet zu haben, womit nach herrschendem Justizrecht
Rechtsbeugung und Totschlag entfallen.«
Der Fall Rehse 20 Jahre danach
Der nach Roland Freisler meistbelastete Richter am Volksgerichtshof war
Hans-Joachim Rehse. Ihm konnte man die Mitwirkung an 230 Todesurteilen
nachweisen. 1962 hatte die Staatsanwaltschaft München gegen ihn
ermittelt und das Verfahren mit der üblichen Begründung eingestellt, ein
bewußter Tötungsvorsatz sei nicht nachweisbar. Doch das Erscheinen einer
Dokumentation über katholische Priester im »Dritten Reich«, die allein
15 Todesurteile mit der Unterschrift Rehses aufführte, löste neue
Ermittlungen aus. 1967 stand Rehse vor Gericht, angeklagt der
Rechtsbeugung und des versuchten und vollendeten Mordes. Die
Staatsanwaltschaft beantragte lebenslänglich, das Urteil lautete fünf
Jahre Zuchthaus.
Das Gericht war der üblichen Konstruktion gefolgt, daß der eigentliche
Täter Freisler sei und Rehse als Beisitzer nur der Beihilfe schuldig. Da
gegen dieses Urteil Revision eingelegt wurde, landete es beim
Bundesgerichtshof (BGH). Der beschäftigte sich zu aller Erstaunen mit
der von ihm selbst erfundenen Freisler-Konstruktion und kam entgegen
seiner früheren Rechtsprechung zu dem Schluß, daß ein richterlicher
Beisitzer Mittäter und nicht Gehilfe war. Damit war Rehse das
Richterprivileg gesichert, und als selbständigem Täter mußten ihm
persönlich Mordvorsatz und niedere Motive nachgewiesen werden. Da
Totschlag und Rechtsbeugung inzwischen verjährt waren, verwies der BGH
mit der unverhüllten Empfehlung freizusprechen die Sache zurück ans
Landgericht. Der Freispruch erfolgte im Dezember 1968 und schloß gleich
den ganzen Volksgerichtshof ein. »Nach der Rechtsprechung des BGH«, so
hieß es in dem Urteil, »handelt es sich bei dem Volksgerichtshof um ein
unabhängiges, nur dem Gesetz unterworfenes Gericht im Sinne des § 1
Gerichtsverfassungsgesetz«. Das hatte der BGH in dieser Deutlichkeit
zwar nicht gesagt, aber er widersprach nicht und mußte dies aus einem
formalen Grund auch nicht tun: Da Rehse kurz danach starb, war das
Revisionsverlangen der Staatsanwaltschaft gegenstandslos. Die Berliner
Staatsanwaltschaft ermittelte dann noch gegen andere Mitglieder des
Volksgerichtshofes. Dabei gelang es ihr innerhalb von vier Jahren, zwei
Beschuldigte zu vernehmen. 1986 wurde diese Justizposse mit der
Einstellung des letzten Verfahrens beendet.
Gewalt ständiger Rechtsprechung
»Rehse konnte nicht gemordet haben«, merkte damals ein Kommentator an,
»sonst wäre die bundesdeutsche Justiz mit Hunderten von Mördern
errichtet worden«. Und das ist nach wie vor der entscheidende Punkt. Ob
heute noch irgendein Blutrichter lebt und seine opulente Pension
bezieht, ist nicht so bedeutsam. Wohl aber, daß die Rechtsprechung der
braunen Richter in der BRD eine Vergangenheit ist, die nicht vergehen
will und nicht vergehen kann. Unter dem Kürzel »st. Rspr.«, ständige
Rechtsprechung, ist sie gegenwärtig und bestimmt nach wie vor das
politische und gesellschaftliche Leben dieses Landes:
Im Frühjahr 1971 stand beim BGH die Revision eines Prozesses gegen
Euthanasieärzte an. Der Vertreter der Nebenklage, Prof. Karl Kaul,
lehnte den Vorsitzenden, Senatspräsident Paulheinz Baldus, wegen
Befangenheit ab. Er bezog sich auf die Erklärung eines SS-Mannes im
Frankfurter Auschwitz-Prozeß, er habe seine Befehle von »einem gewissen
Baldus, heute Senatspräsident in Karlsruhe«, bekommen. Über diesen
Befangenheitsantrag wurde nie entschieden. Baldus brach die Verhandlung
ab und quittierte seinen Dienst – er stand ohnehin kurz vor der
Pensionierung. Knapp zwei Jahre vorher war unter seinem Vorsitz das
sogenannte Laepple-Urteil ergangen. Aus Protest gegen die
Fahrpreiserhöhungen der öffentlichen Verkehrsmittel in Köln hatten sich
Klaus Laepple und andere Studenten auf die Straßenbahngleise gesetzt und
einige Bahnen blockiert. Das Landgericht hatte sie vom Vorwurf der
Nötigung freigesprochen. Der 2. Strafsenat des BGH hob das Urteil auf
und wies die Vorinstanz zurecht: »Die Anerkennung eines
Demonstrationsrechts in dem von der Strafkammer angenommenen Maße liefe
auf die Legalisierung eines von militanten Minderheiten geübten Terrors
hinaus.« Seit damals gilt dank des Nazis Paulheinz Baldus das klassische
Mittel des gewaltlosen Widerstandes in der Bundesrepublik als Gewalt. |
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