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A)
Auf dem Gebiet der Rohstoffe nur bedingte, nicht aber totale Autarkie.
1. Soweit Kohle zur Gewinnung von Rohprodukten in Betracht komme, sei Autarkie
durchführbar.
2. Schon auf dem Gebiet der Erze Lage viel schwieriger. Eisenbedarf -
Selbstdeckung möglich und Leichtmetall, bei anderen Rohstoffen - Kupfer, Zinn
dagegen nicht.
3. Faserstoffe - Selbstdeckung, soweit Holzvorkommen reicht. Eine Dauerlösung
nicht möglich.
4. Ernährungsfette möglich.
B)
Auf dem Gebiet der Lebensmittel sei die Frage der Autarkie mit einem glatten
"nein" zu beantworten.
Mit der allgemeinen Steigerung des Lebensstandards sei gegenüber den Zeiten vor
30-40 Jahren eine Steigerung des Bedarfs und ein gesteigerter Eigenkonsum auch
der Produzenten, der Bauern, Hand in Hand gegangen. Die Erlöse der
landwirtschaftlichen Produktionssteigerung seien in die Deckung der
Bedarfssteigerung übergegangen, stellten daher keine absoluten
Erzeugungssteigerung dar. Eine weitere Steigerung der Produktion unter
Anspannung des Bodens, der infolge der Kunstdüngung bereits
Ermüdungserscheinungen aufweise, sei kaum noch möglich und daher sicher, dass
selbst bei höchster Produktionssteigerung eine Beteiligung am Weltmarkt nicht
zu umgehen sei. Der schon bei guten Enten nicht unerhebliche Ansatz von Devisen
zur Sicherstellung der Ernährung durch Einfuhr steigere sich bei Missernten zu
katastrophalem Ausmaß. Die Möglichkeit der Katastrophe wachse in dem Maße der
Bevölkerungszunahme, wobei der Geburtenüberschuss von jährlich 560000 auch
insofern einen erhöhten Brotkonsum im Gefolge habe, da das Kind ein stärkerer
Brotesser als der Erwachsene sei.
Den Ernährungsschwierigkeiten durch Senkung des Lebensstandards und durch
Rationalisierung auf die Dauer zu begegnen, sei in einem Erdteil annähernd
gleicher Lebenshaltung unmöglich. Seitdem mit Lösung des Arbeitslosenproblems
die volle Konsumkraft in Wirkung getreten sei, wären wohl noch kleine
Korrekturen unserer landwirtschaftlichen Eigenproduktion, nicht aber eine
tatsächliche Änderung der Ernährungsgrundlage möglich. Damit sei die
Autarkie sowohl auf dem Ernährungsgebiet als auch in der Totalität hinfällig.
Beteiligung an der Weltwirtschaft:
Ihr seien Grenzen gezogen, die wir nicht zu beheben vermöchten. Einer sicheren
Fundierung der deutschen Lage ständen die Konjunkturschwankungen entgegen, die
Handelsverträge böten keine Gewähr für die praktische Durchführung.
Insbesondere sei grundsätzlich zu bedenken, daß seit dem Weltkriege eine
Industrialisierung gerade früherer Ernährungsausfuhrländer stattgefunden
habe. Wir lebten im Zeitalter wirtschaftlicher Imperien, in welchem der Trieb
zur Kolonisierung sich wieder dem Urzustand nähere; bei Japan und Italien
lägen dem Ausdehnungsdrang wirtschaftliche Motive zugrunde, ebenso wie auch
für Deutschland die wirtschaftliche Not den Antrieb bilden würde. Für Länder
außerhalb der großen Wirtschaftsreiche sei die Möglichkeit wirtschaftlicher
Expansion besonders erschwert.
Der durch die Rüstungskonjunkturen verursachte Auftrieb in der Weltwirtschaft
könne niemals die Grundlage zu einer wirtschaftlichen Regelung für einen
längeren Zeitraum bilden, welche letzterer vor allem auch die vom Bolschewismus
ausgehenden Wirtschaftszerstörungen im Wege stünden. Es sei eine
ausgesprochene militärische Schwäche derjenigen Staaten, die ihre Existenz auf
dem Außenhandel aufbauten. Da unser Außenhandel über die durch England
beherrschten Seegebiete führe, sei es mehr eine Frage der Sicherheit des
Transportes als eine solche der Devisen, woraus die große Schwäche unserer
Ernährungssituation im Kriege erhelle. Die einzige, uns vielleicht traumhaft
erscheinende Abhilfe läge in der Gewinnung eines größeren Lebensraumes, ein
Streben, dass zu allen Zeiten die Ursache der Staatenbildungen und
Völkerbewegungen gewesen sei. Das dieses Streben in Genf und bei den
gesättigten Staaten keinem Interesse begegne, sei erklärlich. Wenn die
Sicherheit unserer Ernährungslage im Vordergrund stände, so könne der
hierfür notwendige Raum nur in Europa gesucht werden, nicht aber ausgehend von
liberalistisch-kapitalistischen Auffassungen in der Ausbeutung von Kolonien. Es
handele sich nicht um die Gewinnung von Menschen, sondern von landwirtschaftlich
nutzbarem Raum. Auch die Rohstoffgebiete seien zweckmäßiger im unmittelbaren Anschluss
an das Reich in Europa und nicht in Übersee zu suchen, wobei die Lösung sich
für ein bis zwei Generationen auswirken müsse. Was darüber hinaus in
späteren Zeiten notwendig werden sollte, müsse nachfolgenden Geschlechtern
überlassen bleiben. Die Entwicklung großer Weltgebilde gehe nun einmal langsam
vor sich, das deutsche Volk mit seinem starken Rassekern finde hierfür die
günstigsten Voraussetzungen inmitten des europäischen Kontinents. Das jede
Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen
könne, habe die Geschichte aller Zeiten - Römisches Weltreich, Englisches
Empire - bewiesen. Auch Rückschläge seien unvermeidbar. Weder früher noch
heute habe es herrenlosen Raum gegeben, der Angreifer stoße stets auf den
Besitzer.
Für Deutschland laute die Frage, wo größter Gewinn unter geringstem Einsatz
zu erreichen sei.
Die deutsche Politik habe mit beiden Hassgegnern England und Frankreich zu
rechnen, denen ein starker deutscher Koloss inmitten Europas ein Dorn im Auge
sei, wobei beide Staaten eine weitere deutsche Erstarkung sowohl in Europa als
auch in Übersee ablehnten und sich in dieser Ablehnung auf die Zustimmung aller
Parteien stützen könnten. In der Errichtung deutscher militärischer
Stützpunkte in Übersee sähen beide Länder eine Bedrohung ihrer
Überseeverbindungen, eine Sicherung des deutschen Handels und rückwirkend eine
Stärkung der deutschen Position in Europa. England könne aus seinem
Kolonialbesitz in folge des Widerstandes der Dominien keine Abtretung an uns
vornehmen. Nach dem der Übergang Abessiniens in italienischen Besitz
eingetretenen Prestigeverlust Englands sei mit einer Rückgabe Ostafrikas nicht
zu rechnen. Das Entgegenkommen Englands werde sich bestenfalls in dem
Anheimstellen äußern, unsere kolonialen Wünsche durch Wegnahme solcher
Kolonien zu befriedigen, die sich z.Z. in nicht englischem Besitz befänden -
z.B. Angola -. In der gleichen Linie werden sich das französische
Entgegenkommen bewegen. Eine ernsthafte Diskussion wegen der Rückgabe von
Kolonien an uns käme nur zu einem Zeitpunkt in Betracht, in dem England sich in
einer Notlage befände und das deutsche Reich stark und gerüstet sei. Die
Auffassung, dass das Empire unerschütterlich sei, teile der Führer nicht. Die
Widerstände gegen das Empire lägen weniger in den eroberten Ländern als bei
den Konkurrenten. Das Empire und das Römische Weltreich seien hinsichtlich der
Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar; dem letzteren habe seit den punischen
Kriegen keine machtpolitischer Gegner ernsthafteren Charakters gegenüber
gestanden. Erst die vom Christentum ausgehende auflösende Wirkung und die sich
bei jedem Staat einstellenden Alterserscheinungen hätten das alte Rom dem
Ansturm der Germanen erliegen lassen. Neben dem englischen Empire ständen schon
heute eine Anzahl ihm überlegener Staaten. Das englische Mutterland sei nur im
Bunde mit anderen Staaten, nicht aus eigener Kraft in der Lage, seinen
Kolonialbesitz zu verteidigen. Wie solle England allein z.B. Kanada gegen den
Angriff Amerikas, seine ostasiatischen Interessen gegen einen solchen Japans
verteidigen!
Das Herausstellen der englischen Krone als Träger des Zusammenhaltes des Empire
sei bereits das Eingeständnis, dass das Weltreich machtpolitisch auf die Dauer
nicht zu halten sei. Bedeutungsvolle Hinweise in dieser Richtung seien:
a) Das Streben Irlands nach Selbständigkeit.
b) Die Verfassungskämpfe in Indien, wo England durch seine halben Maßnahmen
den Indern die Möglichkeit eröffnet habe, späterhin die Nichterfüllung der
verfassungsrechtlichen Versprechungen als Kampfmittel gegen England zu benutzen.
c) Die Schwächung der englischen Position in Ostasien durch Japan.
d) Der Gegensatz im Mittelmeer zu Italien, welches - unter Berufung auf seine
Geschichte, getrieben aus Not und geführt durch ein Genie - seine Machtstellung
aus baue und sich hierdurch in zunehmenden Maße gegen englische Interessen
wenden müsse. Der Ausgang des abessinischen Krieges sei ein Prestigeverlust
Englands, den Italien durch Schüren in der mohammedanischen Welt zu
vergrößern bestrebt sei.
In Summa sei festzustellen, dass trotz aller ideeller Festigkeit das Empire
machtpolitisch auf die Dauer nicht mit 45 Millionen Engländern zu halten sei.
Das Verhältnis der Bevölkerungszahl des Empires zu der des Mutterlandes von
9:1 sei eine Warnung für uns, bei Raumerweiterung nicht die in der eigenen
Volkszahl liegende Plattform zu gering werden zu lassen.
Die Stellung Frankreichs sei günstiger als die Englands. Das französische
Reich sei territorial besser gelagert, die Einwohner seines Kolonialbesitzes
stellten einen militärischen Mitzuwachs dar. Aber Frankreich gehe
innerpolitischen Schwierigkeiten entgegen. Im Leben der Völker nehmen die
parlamentarischen Regierungsform etwa 10 Prozent, die autoritäre etwa 90
Prozent der Zeit ein. Immerhin seien heute in unsere politischen Berechnungen
als Machtfaktoren einzusetzen: England, Frankreich, Russland und die
angrenzenden kleineren Staaten. Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur
den Weg der Gewalt geben, dieser wird niemals risikolos sein. Die Kämpfe
Friedrichs des Großen um Schlesien und die Kriege Bismarcks gegen Österreich
und Frankreich seien von unerhörten Risiko gewesen, und die Schnelligkeit des
preußischen Handelns 1870 habe Österreich vom Eintritt in den Krieg
ferngehalten. Stelle man an die Spitze der nachfolgenden Ausführungen den Entschluss
zur Anwendung von Gewalt unter Risiko, dann bleibe noch die Beantwortung der
Frage "wann" und "wie". Hierbei seien drei Fälle zu
entscheiden:
Fall 1: Zeitpunkt 1943-1945
Nach dieser Zeit sei nur noch eine Veränderung zu unseren Ungunsten zu
erwarten. Die Aufrüstung der Armee, Kriegsmarine, Luftwaffe sowie die Bildung
des Offizierskorps seien annähernd beendet. Die materielle Ausstattung und
Bewaffnung seien modern, bei weiterem Zuwarten läge die Gefahr einer
Veralterung vor. Besonders der Geheimhaltungsschutz der "Sonderwaffen"
ließe sich nicht immer aufrecht erhalten. Die Gewinnung von Reserven
beschränke sich auf die laufenden Rekrutenjahrgänge, ein Zusatz aus älteren
unausgebildeten Jahrgängen sei nicht mehr verfügbar.
Im Verhältnis zu der bis dahin durchgeführten Aufrüstung der Umwelt nähmen
wir an relativer Stärke ab. Wenn wir bis 1943/45 nicht handelten, könne
infolge des Fehlens von Reserven jedes Jahr die Ernährungskrise bringen, zu
deren Behebung ausreichende Devisen nicht verfügbar seien. Hierin sei ein
"Schwächungsmoment des Regimes" zu erblicken. Zudem erwarte die Welt
unseren Schlag und treffe ihre Gegenmaßnahmen von Jahr zu Jahr mehr. Während
die Umwelt sich abriegele, seien wir zur Offensive gezwungen. Wie die Lage in
den Jahren 1943/45 tatsächlich sein würde, wisse heute niemand. Sicher sei
nur, daß wir nicht länger warten können.
Auf der einen Seite die große Wehrmacht mit der Notwendigkeit der
Sicherstellung ihrer Unterhaltung, das Älterwerden der Bewegung und ihrer
Führer, auf der anderen Seite die Aussicht auf Senkung des Lebensstandards und
auf Geburteneinschränkung ließen keine andere Wahl als zu handeln. Sollte der
Führer noch am Leben sein, so sei es sein unabänderlicher Entschluss,
spätestens 1943/45 die deutsche Raumfrage zu lösen. Die Notwendigkeit zum
Handeln vor 1943/45 käme im Fall 2 und 3 in Betracht.
Fall 2 :
Wenn die sozialen Spannungen in Frankreich sich zu einer derartigen
innerpolitischen Krise auswachsen sollten, dass durch letztere die französische
Armee absorbiert und für eine Kriegsverwendung gegen Deutschland ausgeschaltet
würde, sei der Zeitpunkt zum Handeln gegen die Tschechei gekommen.
Fall 3 :
Wenn Frankreich durch einen Krieg mit einem anderen Staat so gefesselt ist, dass
es gegen Deutschland nicht "vorgehen" kann.
Zur Verbesserung unserer militär-politischen Lage müsse in jedem Fall einer
kriegerischen Verwicklung unser erstes Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig
Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens
nach Westen auszuschalten. Bei einem Konflikt mit Frankreich sei wohl nicht
damit zu rechnen, daß die Tschechei am gleichen Tage wie Frankreich uns den
Krieg erklären würde. In dem Maße unserer Schwächung würde jedoch der Wille
zur Beteiligung am Kriege in der Tschechei zunehmen, wobei ihr Eingreifen sich
durch einen Angriff nach Schlesien, nach Norden oder nach Westen bemerkbar
machen könnte. Sei die Tschechei niedergeworfen, eine gemeinsame Grenze
Deutschland-Ungarn gewonnen, so könne eher mit einem neutralen Verhalten Polens
in einem deutsch-französischen Konflikt gerechnet werden. Unsere Abmachung mit
Polen behielten nur solange Geltung, als Deutschlands Stärke unerschüttert
sei, bei deutschen Rückschlägen müsse ein Vorgehen Polens gegen Ostpreußen,
vielleicht auch gegen Pommern und Schlesien in Rechnung gestellt werden.
Bei Annahme einer Entwicklung der Situation, die zu einem planmäßigen Vorgehen
unsererseits in den Jahren 1943/45 führe, sei das Verhalten Frankreichs,
Englands, Italiens, Polens, Russlands voraussichtlich folgendermaßen zu
beurteilen:
An sich glaube der Führer, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit England,
voraussichtlich aber auch Frankreich die Tschechei bereits im Stillen
abgeschrieben und sich damit abgefunden hätten, dass diese Frage eines Tages
durch Deutschland bereinigt würde. Die Schwierigkeiten des Empire und die
Aussicht, in einen lang währenden europäischen Krieg erneut verwickelt zu
werden, seien bestimmend für eine Nichtbeteiligung Englands an einem Kriege
gegen Deutschland. Die englische Haltung werde gewiss nicht ohne Einfluss auf
die Frankreichs sein. Ein Vorgehen Frankreichs ohne die englische Unterstützung
und in der Voraussicht, dass seine Offensive an unseren Westbefestigungen sich
festlaufe, sei wenig wahrscheinlich. Ohne die Hilfe Englands sei auch nicht mit
einem Durchmarsch Frankreichs durch Belgien und Holland zu rechnen, der bei
einem Konflikt mit Frankreich für uns außer Betracht bleiben müsse, da es in
jedem Fall die Feindschaft mit England zur Folge haben müsste. Naturgemäß sei
eine Abriegelung im Westen in jedem Fall während der Durchführung unseres
Angriffs gegen die Tschechei und Österreich notwendig. Hierbei sei zu
berücksichtigen, dass die Verteidigungsmaßnahmen der Tschechei von Jahr zu
Jahr an Stärke zunähmen und das auch eine Konsolidierung der inneren Werte der
österreichischen Armee im Laufe der Jahre stattfände. Wenn auch die
Besiedelung insbesondere der Tschechei keine dünne sei, so könne eine
Einverleibung der Tschechei und Österreich den Gewinn von Nahrungsmitteln für
5-6 Millionen Menschen bedeuten unter Zugrundelegung, dass eine zwangsweise
Emigration aus der Tschechei von zwei, aus Österreich eine Million zur
Durchführung gelange. Die Angliederung der beider Staaten an Deutschland
bedeute militär-politisch eine wesentliche Entlastung infolge kürzerer,
besserer Grenzziehung, Freiwerdens von Streitkräften für andere Zwecke und der
Möglichkeit der Neuaufstellung von Truppen bis in Höhe von etwa 12 Divisionen,
wobei auf eine Million Einwohner eine neue Division entfalle. 43/45 Von der
Seite Italiens seien gegen die Beseitigung der Tschechei keine Einwendungen zu
erwarten, wie dagegen seine Haltung in der österreichischen Frage zu bewerten
sei, entziehe sich der heutigen Beurteilung und sei wesentlich davon abhängig,
ob der Duce noch am Leben sei.
Das Maß der Überraschung und der Schnelligkeit unseres Handelns sei für die
Stellungnahme Polens entscheidend. Gegen ein siegreiches Deutschland wird Polen
- mit Russland im Rücken - wenig Neigung haben, in den Krieg einzutreten.
Einem militärischen Eingreifen Russlands müsse durch die Schnelligkeit unserer
Operationen begegnet werden; ob ein solches überhaupt in Betracht kommen werde,
sei angesichts der Haltung Japans mehr als fraglich.
Trete der Fall 2 - Lahmlegung Frankreichs durch einen Bürgerkrieg - ein, so sei
infolge Ausfalles des gefährlichsten Gegners die Lage jederzeit zum Schlag
gegen die Tschechei auszunutzen.
In gewisser Nähe sähe der Führer den Fall 3 gerückt, der sich aus den
derzeitigen Spannungen im Mittelmeer entwickeln könne und den er Eintretendenfalls
zu jedem Zeitpunkt, auch bereits im Jahre 1938, auszunutzen
entschlossen sei.
Nach den bisherigen Erfahrungen beim Verlauf der kriegerischen Ereignisse in
Spanien sähe der Führer deren baldige Beendigung noch nicht bevorstehend.
Berücksichtige man den Zeitaufwand der bisherigen Offensiven Francos, so könne
eine Kriegsdauer von etwa noch 3 Jahren im Bereich der Möglichkeit liegen.
Andererseits sei vom deutschen Standpunkt ein hundertprozentiger Sieg Francos
auch nicht erwünscht; wir seien vielmehr an einer Fortdauer des Krieges und der
Erhaltung der Spannungen im Mittelmeer interessiert. Franco, im ungeteilten
Besitz der spanischen Halbinsel, schalte die Möglichkeit weiterer italienischer
Einmischung und den Verbleib Italiens auf den Balearen aus. Da unser Interesse
auf die Fortdauer des Krieges in Spanien gerichtet sei, müsse es Aufgabe
unserer Politik in nächster Zeit sein, Italien den Rücken für weiteren
Verbleib auf den Balearen zu stärken. Ein Festsetzen der Italiener auf den
Balearen sei aber weder für Frankreich noch für England tragbar und könne zu
einem Krieg Frankreichs und Englands gegen Italien führen, wobei Spanien -
falls völlig in weißer Hand - an der Seite der Gegner Italiens auf den Plan
treten könne. In einem solchen Krieg sei ein Unterliegen Italiens wenig
wahrscheinlich. Zur Ergänzung seiner Rohstoffe stehe der Weg über Deutschland
offen. Die militärische Kriegsführung seitens Italiens stelle der Führer sich
derart vor, daß es an seiner Westgrenze gegen Frankreich defensiv bleibe und
den Kampf gegen Frankreich aus Libyen heraus gegen die nordafrikanischen
französischen Kolonialbesitzungen führe.
Da eine Landung französisch-englischer Truppen an den Küsten Italiens
ausscheiden und eine französische Offensive über die Alpen nach Oberitalien
sehr schwierig sein dürfte und sich voraussichtlich an den starken
italienischen Befestigungen festlaufen würde, läge der Schwerpunkt der
Handlungen in Nordafrika. Die Bedrohung der französischen Transportwege durch
die italienische Flotte werde in starkem Umfang den Transport von Streitkräften
aus Nordafrika nach Frankreich lahm legen, so dass Frankreich an den Grenzen
gegen Italien und Deutschland nur über die Streitkräfte des Heimatlandes
verfüge.
Wenn Deutschland diesen Krieg zur Erledigung der tschechischen und
österreichischen Frage ausnutze, so sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass
England - im Kriege mit Italien liegend - sich nicht zu einem Vorgehen gegen
Deutschland entschließen würde. Ohne die englische Unterstützung sei eine
kriegerische Handlung Frankreichs gegen Deutschland nicht zu erwarten.
Der Zeitpunkt unseres Angriffs auf die Tschechei und Österreich müsse
abhängig von dem Verlauf des italienisch-englisch-französischen Krieges
gemacht werden und läge nicht etwa gleichzeitig mit der Eröffnung der
kriegerischen Handlungen dieser drei Staaten. Der Führer denke auch nicht an
militärische Abmachungen mit Italien, sondern wolle in eigener Selbständigkeit
und unter Ausnutzung dieser sich nur einmal bietenden günstigen Gelegenheit den
Feldzug gegen die Tschechei beginnen und durchführen, wobei der überfall auf
die Tschechei "blitzartig schnell" erfolgen müsse.
Feldmarschall von Blomberg und Generaloberst von Fritsch wiesen bei der
Beurteilung der Lage wiederholt auf die Notwendigkeit hin, dass England und
Frankreich nicht als unsere Gegner auftreten dürften, und stellten fest, dass
durch den Krieg gegen Italien das französische Heer nicht in dem Umfang
gebunden sei, dass es nicht noch mit Überlegenheit an unserer Westgrenze auf
den Plan treten könne. Die mutmaßlich an der Alpengrenze gegenüber Italien
zum Einsatz gelangenden französischen Kräfte veranschlagte Generaloberst von
Fritsch auf etwa 20 Divisionen, so dass immer noch eine starke französische Überlegenheit
an unserer Westgrenze bleibe, der als Aufgabe nach deutschem Denken der
Einmarsch in das Rheinland zu unterstellen sei, wobeinoch besonders der
Vorsprung Frankreichs in der Mobilmachung in Rechnung zu stellen und zu
berücksichtigen sei, daß abgesehen von dem ganz geringen Wert unseres
derzeitigen Standes der Befestigungsanlagen - worauf Feldmarschall von Blomberg
besonders hinwies - die für den Westen vorgesehenen vier motorisierten
Divisionen mehr oder weniger bewegungsunfähig seien. Hinsichtlich unserer
Offensive nach Südosten machte Feldmarschall von Blomberg nachdrücklich auf
die Stärke der tschechischen Befestigungen aufmerksam, deren Ausbau den
Charakter einer Maginot-Linie angenommen hätte und unseren Angriff aufs äußerste erschwere.
Generaloberst von Fritsch erwähnte, dass es gerade Zweck einer durch ihn
angeordneten Studie dieses Winters sei, die Möglichkeiten der Führung der
Operationen gegen die Tschechei unter besonderer Berücksichtigung der Überwindung
des tschechischen Festigungssystems zu untersuchen; der
Generaloberst brachte ferner zum Ausdruck, dass er unter den obwaltenden
Verhältnissen davon absehen müsse, seinen am 10.11. beginnenden Auslandsurlaub
durchzuführen. Diese Absicht lehnte der Führer mit der Begründung ab, dass
die Möglichkeit des Konfliktes noch nicht als so nahe bevorstehend anzusehen
sei. Gegenüber dem Einwand des Außenministers, dass ein Italien-englisch-französischer
Konflikt noch nicht in so greifbarer Nähe sei, als es der Führer anzunehmen
schiene, stellte der Führer als den ihm hierfür möglich erscheinenden
Zeitpunkt den Sommer 1938 hin. Zu den seitens des Feldmarschalls von Blomberg
und des Generalobersten von Fritsch hinsichtlich des Verhaltens Englands und
Frankreichs angestellten Überlegungen äußerte der Führer in Wiederholung
seiner bisherigen Ausführungen, dass er von der Nichtbeteiligung Englands
überzeugt sei und daher an eine kriegerische Aktion Frankreichs gegen
Deutschland nicht glaube. Sollte der in Rede stehende Mittelmeerkonflikt zu
einer allgemeinen Mobilmachung in Europa führen, so sei unsererseits sofort
gegen die Tschechei anzutreten, sollten dagegen die am Kriege nicht beteiligten
Mächte ihr Desinteresse erklären, so habe sich Deutschland diesem Verhalten
zunächst anzuschließen.
Generaloberst Göring hielt angesichts der Ausführungen des Führers es für
geboten, an einen Abbau unseres militärischen Spanienunternehmens zu denken.
Der Führer stimmt dem insoweit zu, als er den Einfluss einem geeigneten
Zeitpunkt vorbehalten zu glauben solle.
Der zweite Teil der Besprechungen befasste sich mit materiellen Rüstungsfragen.
(Dokumente des Verbrechens 1933-1945, Dietz Verlag, Berlin, 1993, S.79-91)
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