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Jäger-Bericht
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Der sogenannte "Jäger-Bericht", verfasst von dem SS-Standartenführer
und Befehlshaber des "Einsatzkommando 3" Karl Jäger, beinhaltete eine
minutiöse Aufstellung aller von Juli bis November 1941 ermordeten Juden,
Kommunisten und politischen Kommissare in Litauen. Innerhalb dieser fünf Monate
ermordeten die Einsatzgruppen des Einsatzkommandos 3 im Gebiet Wilna, Schaulen
und Minsk laut dieser detaillierten Aufstellung allein 137.346 Menschen - durch
inszenierte Pogrome und barbarische Massenerschießungen.
"Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, Einsatzkommando 3,
Kauen am 1. Dezember 1941,
Geheime Reichssache!
(Es folgt eine detaillierte mehrseitige Aufstellung mit Vermerk von Datum, Ort,
Art der Ermordeten - z.B. Juden, kommunistische Litauer, russische Kommissare,
etc. - und die Summe der an diesem Tag Ermordeten.)
Blatt 7.
Ich kann heute feststellen, daß das Ziel, das Judenproblem für Litauen zu
lösen, vom EK. 3 erreicht worden ist. In Litauen gibt es keine Juden mehr,
außer den Arbeitsjuden incl. ihrer Familien. Das sind
in Schaulen ca. 4.500
in Kauen ca. 15.000
in Wilna ca. 15.000.
Diese Arbeitsjuden incl. ihrer Familien wollte ich ebenfalls umlegen, was mir
jedoch scharfe Kampfansage der Zivilverwaltung (dem Reichskommissar) und der
Wehrmacht eintrug und das Verbot auslöste: Diese Juden und ihre Familien
dürfen nicht erschossen werden! Das Ziel, Litauen judenfrei zu machen, konnte
nur erreicht werden durch die Aufstellung eines Rollkommandos mit ausgesuchten
Männern unter der Führung des SS-Obersturmführers Hamann, der sich meine
Ziele voll und ganz aneignete und es verstand, die Zusammenarbeit mit den
litauischen Partisanen und den zuständigen zivilen Stellen zu
gewährleisten.
Die Durchführung solcher Aktionen ist in erster Linie eine Organisationsfrage.
Der Entschluß, jeden Kreis systematisch judenfrei zu machen, erforderte eine
gründliche Vorbereitung jeder einzelnen Aktion und Erkundung der herrschenden
Verhältnisse in dem betreffenden Kreis. Die Juden mußten an einem Ort oder an
mehreren Orten gesammelt werden. An Hand der Anzahl mußte der Platz für die
erforderlichen Gruben ausgesucht und ausgehoben werden. Der Anmarschweg von der
Sammelstelle zu den Gruben betrug durchschnittlich vier bis fünf Kilometer. Die
Juden wurden in Abteilungen zu 500, in Abständen von mindestens zwei Kilometer,
an den Exekutionsplatz transportiert. Welche Schwierigkeiten und
nervenaufreibende Arbeit dabei zu leisten war, zeigt ein willkürlich
herausgegriffenes Beispiel:
Rokiskis waren 3208 Menschen 4 ½ Kilometer zu transportieren, bevor sie
liquidiert werden konnten. Um diese Arbeit in 24 Stunden bewältigen zu können,
mußten von 80 zur Verfügung stehenden litauischen Partisanen über 60 zum
Transport, bzw.
Blatt 8.
zur Absperrung eingeteilt werden. Der verbleibende Rest, der immer wieder
abgelöst wurde, hat zusammen mit meinen Männern die Arbeit verrichtet.
Kraftfahrzeuge stehen zum Transport nur selten zur Verfügung. Fluchtversuche,
die hin und wieder vorkamen, wurden ausschließlich durch meine Männer unter
eigener Lebensgefahr verhindert. So haben z. B. drei Mann des Kommandos bei
Mariampole 38 ausbrechende Juden und kommunistische Funktionäre auf einem
Waldweg zusammengeschossen, ohne daß jemand entkam. Der An- und Rückmarschweg
betrug zu den einzelnen Aktionen durchweg 160 bis 200 Kilometer. Nur durch
geschickte Ausnutzung der Zeit ist es gelungen, bis zu fünf Aktionen in einer
Woche durchzuführen und dabei doch die in Kauen anfallende Arbeit so zu
bewältigen, daß keine Stockung im Dienstbetrieb eingetreten ist.
Die Aktionen in Kauen selbst, wo genügend einigermaßen ausgebildete Partisanen
zur Verfügung stehen, kann als Paradeschießen betrachtet werden gegenüber den
oft ungeheuerlichen Schwierigkeiten, die außerhalb zu bewältigen waren.
Sämtliche Führer und Männer meines Kommandos in Kauen haben an den
Großaktionen in Kauen aktiv teilgenommen. Lediglich ein Beamter des
Erkennungsdienstes war infolge Krankheit von der Teilnahme befreit. Ich
betrachte die Judenaktionen für das EK.3 in der Hauptsache als abgeschlossen.
Die noch vorhandenen Arbeitsjuden und Jüdinnen werden dringend gebraucht, und
ich kann mir vorstellen, daß nach dem Winter diese Arbeitskräfte dringendst
weiter gebraucht werden. Ich bin der Ansicht, daß sofort mit der Sterilisation
der männlichen Arbeitsjuden begonnen wird, um eine Fortpflanzung zu verhindern.
Wird trotzdem eine Jüdin schwanger, so ist sie zu liquidieren.
Eine der wichtigsten Aufgaben sah das EK.3, neben den Judenaktionen, in der
Überprüfung der meist überfüllten Gefängnisse in den einzelnen Orten und
Städten. Durchschnittlich saßen in jeder Kreisstadt 600 Personen litauischer
Volkszugehörigkeit im Gefängnis ein, obwohl ein eigentlicher Haftgrund nicht
vorlag. Sie wurden von Partisanen auf Grund einfacher Denunzierungen usw.
festgenommen. Viele persönliche Rechnungen waren dabei beglichen worden. Kein
Mensch hat sich um sie gekümmert. Man muß in den Gefängnissen gewesen sein
und sich mal einen Moment in den überfüllten Zellen aufgehalten
Blatt 9.
haben, die in hygienischer Beziehung oft jeder Beschreibung spotten. In Jonava
– und das ist ein Beispiel für viele – saßen in einem düsteren Kellerraum
von drei Metern Länge, drei Metern Breite und 1,65 Metern Höhe, fünf Wochen
lang 16 Männer ein, die alle entlassen werden konnten, weil gegen sie nichts
vorzubringen war. Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren sind eingesperrt
worden, weil sie sich, um Arbeit zu bekommen, um die Aufnahme in die
kommunistische Jugend beworben hatten. Hier mußte durch durchgreifende
Maßnahmen eine klare Richtung in die Köpfe der zuständigen litauischen Kreise
hineingehämmert werden. Die Gefängnisinsassen wurden auf dem Gefängnishof
aufgestellt und an Hand der Listen und Unterlagen geprüft. Diejenigen, die
wegen harmloseren Vergehen grundlos eingesperrt waren, wurden zu einem
besonderen Haufen zusammengestellt. Diejenigen, die wir aufgrund ihres Vergehens
zu eins bis drei und sechs Monaten verurteilten, wurden wieder gesondert
aufgeteilt, ebenso diejenigen, die zu liquidieren waren wie Verbrecher,
kommunistische Funktionäre, Politruks und anderes Gesindel. Zusätzlich zu der
ausgesprochenen Strafe erhielt ein Teil, je nach Vergehen, im besonderen
kommunistische Funktionäre, 10 bis 40 Peitschenhiebe zudiktiert, die jeweils
sofort ausgeteilt wurden. Nach Abschluß der Überprüfung wurden die Gefangenen
in ihre Zellen zurückgeführt. Die Freizulassenden wurden im Zuge nach dem
Marktplatz gebracht und dort nach einer kurzen Ansprache, in Gegenwart vieler
Einwohner, freigelassen. Die Ansprache hatte folgenden Inhalt (sie wurde
satzweise sofort von einem Dolmetscher litauisch und russisch übersetzt):
'Wenn wir Bolschewisten wären, hätten wir Euch erschossen, da wir aber
Deutsche sind, geben wir Euch die Freiheit.' Dann folgte eine scharfe Ermahnung,
sich jeder politischen Tätigkeit zu enthalten, sofort alles, was über
Gegenströmungen in Erfahrung gebracht wird, den deutschen Stellen zu melden und
sich sofort arbeitsmäßig am Wiederaufbau, vor allem in der Landwirtschaft,
intensiv zu beteiligen. Sollte sich einer erneut eines Vergehens schuldig
machen, werde er erschossen. Dann wurden sie entlassen. Man kann sich keine
Vorstellung machen, welche Freude, Dankbarkeit und Begeisterung diese unsere
Maßnahme jeweils bei den Freigelassenen und der Bevölkerung auslöste. Mit
scharfen Worten mußte man sich oft der Begeisterung erwehren, wenn Frauen,
Kinder und Männer mit tränenden Augen versuchten, uns die Hände und Füße zu
küssen.
gez. Jäger SS-Standartenführer"
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