Hitlers erstem Kabinett als
Reichskanzler gehörten lediglich zwei nationalsozialistische Minister
an: Wilhem Frick, der als Innenminister massgeblich am Aufbau der
NS-Diktatur beteiligt war, und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich.
Der Grossteil des Kabinetts, das Hitler propagandistisch als Kabinett
der „nationalen Erhebung" verherrlichen liess, setzte sich aus
DNVP- und Stahlhelm-Mitgliedern sowie aus parteilosen Konservativen
zusammen.
Für den 5. März 1933
ordnete Hitler Neuwahlen an, denn er wollte nicht „die Arbeit des
Wiederaufbaus der Genehmigung derer unterstellen, die den Zusammenbruch
verursachten". Die März-Wahlen erbrachten für die NSDAP 44 Prozent,
für die DNVP 8 Prozent.
Schrittweise Errichtung der
Diktatur...
Wichtigstes Moment bei der
„Machtergreifung" war unter dem Schlagwort der „nationalen
Erhebung" des deutschen Volkes die Gleichschaltung aller Bereiche
des öffentlichen Lebens und die Übernahme aller wichtiger
Machtpositionen in Politik und Gesellschaft durch die
Nationalsozialisten: die Gleichschaltung.
Daneben spielte die
Bezugnahme der NSDAP und ihrer nationalen Revolution auf die
preussisch-deutsche Tradition eine entscheidende Rolle für die
Akzeptanz ihres Systems; diese Beanspruchung der Tradition fand ihren
propagandistischen Ausdruck im „Tag von Potsdam" am 21. März
1933 zur Feier der Eröffnung des neuen Reichstages, als sich Hitler und
Hindenburg über dem Grab Friedrichs des Grossen die Hände reichten.
Kennzeichnend für die Machtergreifung war weiterhin das unberechenbare
Nebeneinander von Legalität – soweit sie als Instrument zur
Erreichung der nationalsozialistischen Ziele einsetzbar war – und mit
Terror verbundenem Rechts- und Verfassungsbruch.
...durch Gleichschaltung
Die Gleichschaltung
durchdrang alle Ebenen von Staat und Gesellschaft.
-
Auf Reichsebene
bedeutete sie die allmähliche Verdrängung Deutschnationaler wie
Franz von Papen, der bereits im April 1933 als Vizekanzler
ausschied, und Alfred Hugenberg, der im Juni 1933 als Wirtschafts-
und Ernährungsminister zurücktrat, aus der Reichsregierung;
-
auf Länderebene übernahm
sukzessive die NSDAP die Regierung. Vorreiter der Ländergleichschaltung
und zugleich Zentrum der Machtergreifung war Preussen: In dem grössten
deutschen Land – es umfasste zwei Drittel der Gesamtfläche des
Deutschen Reiches – hatte Hermann Göring seit dem 30. Januar
1933 das Amt des kommissarischen Innenministers und ab April 1933
zugleich das des Ministerpräsidenten inne; er hatte damit nach der
Machtergreifung der NSDAP die Verfügungsgewalt über den
preussischen Polizeiapparat, den er noch durch eine 50 000 Mann
starke Hilfspolizeitruppe, die sich vor allem aus SA- und SS-Männern
rekrutierte, verstärkte. Es gab in Preussen nun keine Staatsgewalt
mehr, die gegen die terroristischen Ausschreitungen der SA gegen
Kommunisten und Sozialdemokraten im Vorfeld der Reichstagswahlen vom
5. März hätte eingreifen können.
Bis Mitte Februar war die
NSDAP ausserdem in einigen kleineren Ländern an die Regierung gelangt;
die Gleichschaltung der übrigen Länder erfolgte nach den Wahlen vom 5. März.
Am 31. März ordnete die Reichsregierung mit dem vorläufigen
Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich die Auflösung der
Länderparlamente und ihre Neubildung entsprechend den
Reichstagswahlergebnissen vom 5. März an; die NSDAP wurde somit in
allen Länderparlamenten stärkste Kraft.
Per Gesetz vom 7. April
1933, dem Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich
wurde dann das Amt des Reichstatthalters geschaffen; die
Reichsstatthalter waren zunächst vom Reichspräsidenten, später von
Hitler selbst ernannte NSDAP-Gauleiter, die den Landesregierungen übergeordnet
waren und die Durchsetzung der vom Reichskanzler vorgegebenen
politischen Richtlinien zu gewährleisten hatten. Entsprechend wurden
auch die kleineren Verwaltungseinheiten wie Kreise und Gemeinden
gleichgeschaltet.
-
Mit dem Gesetz über den
Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 wurde die
Gleichschaltung der Länder abgeschlossen: Das Reich übernahm die
Hoheitsrechte der Länder und beendete damit deren Existenz im
staatsrechtlichen Sinne; das Deutsche Reich wurde zu einem
Einheitsstaat mit zentraler Regierung.
-
Das Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933
bestimmte, dass „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, …
in den Ruhestand zu versetzen" sind; dementsprechend wurden jüdische,
aber auch liberale und demokratische Beamte aus der Verwaltung, aus
Schulen und Universitäten entfernt und durch Nationalsozialisten
ersetzt. Nach nationalsozialistischer Auffassung waren Juden nicht
in der Lage, deutsch zu denken und dementsprechend auch nicht fähig,
Deutsche zu regieren. Der so genannte Arierparagraph kam auch in
zahlreichen anderen Gesetzen zur Anwendung; die Juden wurden
de facto aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Die Parteien wurden im
Zuge der Gleichschaltung verboten (die KPD unmittelbar nach dem
Reichstagsbrand am 27. Februar, die SPD am 22. Juni) bzw. zur
Selbstauflösung veranlasst: Die DNVP, die der NSDAP zu einer
regierungsfähigen Mehrheit verholfen hatte, löste sich im Juni 1933
auf, die kleineren Parteien folgten, und das Zentrum löste sich im Juli
auf. Mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli
1933 wurde die NSDAP zur einzigen zugelassenen Partei in Deutschland. Am
1. Dezember 1933 definierte das Gesetz zur Sicherung der Einheit
von Partei und Staat die NSDAP als „Trägerin des deutschen
Staatsgedankens und mit dem Staate unlösbar verbunden". Die totale
Einheit von Staat und Partei konnte jedoch nie vollkommen verwirklicht
werden.
Parallel zur Gleichschaltung
der Länder und mit ebensolcher Intensität betrieb die NSDAP vom
Zeitpunkt ihrer Machtübernahme an die Gleichschaltung aller
gesellschaftlicher Verbände und Organisationen, indem sie sie in der
NSDAP angeschlossene Verbände umwandelte, die der Reichsleitung der
NSDAP unterstellt waren. Zu diesen Verbänden gehörten u. a. der
-
NSD-Ärztebund, der
-
Bund
Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, der
-
NS-Lehrerbund, der
-
Reichsbund der deutschen
Beamten, die
-
Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt sowie die
-
Deutsche Arbeitsfront
(DAF) unter der Führung von Robert Ley.
Die DAF trat am 10. Mai
1933 an die Stelle der freien Gewerkschaften, die am 2. Mai, am Tag
nach dem erstmals mit grossem propagandistischen Aufwand begangenen
„Tag der nationalen Arbeit", zerschlagen worden waren. Die DAF
war nicht wie die Gewerkschaften in erster Linie eine
Arbeitnehmer-Schutzorganisation, sondern wollte alle „schaffenden
Deutschen der Stirn und der Faust", Arbeiter, Angestellte,
Gewerbetreibende, Handwerker und Unternehmer in einer
Einheitsorganisation versammeln; ihre Hauptaufgabe war die politische
Schulung ihrer Mitglieder, und sie beherrschte sogar die Freizeit ihrer
Mitglieder durch die von ihr gegründete NS-Bewegung Kraft durch Freude
(KDF).
Daneben bestanden die
Gliederungen der NSDAP wie z. B.
-
SA,
-
SS,
-
Hitler-Jugend (HJ), die
-
NS-Frauenschaft und der
-
NSD-Studentenbund;
sie waren Teil der Partei.
Sowohl angeschlossene Verbände als auch Gliederungen waren wie die
Partei selbst straff organisiert und in Gaue und Kreise unterteilt, und
mit ihren Verbänden und Gliederungen erfasste die NSDAP den Grossteil
der Bevölkerung.
Ministerium für Volksaufklärung
und Propaganda
Unmittelbar nach den manipulierten März-Wahlen
errichtete Hitler das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda,
dessen Leitung er Joseph Goebbels übertrug. Das Propagandaministerium
überwachte und bestimmte die Propaganda im In- und Ausland,
kontrollierte Rundfunk und Presse und gab die zu veröffentlichenden
Nachrichten vor, genehmigte Drehbücher, Theaterstücke und Bücher bzw.
lehnte sie ab und „betreute" die bildende Kunst.
Es war laut Verordnung Adolf
Hitlers vom 30. Juni 1933 zuständig „für alle Aufgaben der
geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und
Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit
über sie und der Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden
Einrichtungen". Das Reichskulturkammergesetz vom 22. September
1933 mit seiner Bestimmung, die „Angehörigen der Tätigkeitszweige,
die seinen Aufgabenkreis betreffen, in Körperschaften des öffentlichen
Rechts zusammenzufassen", lieferte dem Propagandaminister die
Handhabe für die Gleichschaltung von Presse, Rundfunk, darstellender
und bildender Kunst, Musik und Schrifttum in der Reichskulturkammer, der
alle publizistisch und künstlerisch Tätigen angehören mussten, sofern
sie mit ihrem Werk an die Öffentlichkeit treten wollten.
Offensichtlichen Ausdruck fand die
Kulturpolitik und Kunstauffassung des Nationalsozialismus in der Bücherverbrennung
am 10. Mai 1933 und in der Ausstellung Entartete Kunst, die
parallel zur Grossen Deutschen Kunstausstellung „arteigener
Kunst" im neueröffneten Haus der Deutschen Kunst 1937 in München
gezeigt wurde.
Ebenso wie Publizistik und Kunst
wurden Erziehung und Wissenschaft der Kontrolle des Staates unterstellt:
-
Am 17. Juni 1933 übernahm
der Leiter der HJ, der Reichsjugendführer Baldur von Schirach, die
Führung über sämtliche Jugendverbände im Reich und löste sie
entweder auf oder gliederte sie in die HJ ein. Am 1. Dezember
1936 wurde die gesamte Jugend als Staatsjugend in der HJ
zusammengefasst; die Mitgliedschaft in der HJ war Pflicht. Die
allgemeinen Schulen hatten die Aufgabe, „den politischen Menschen
zu bilden, der in allem Denken und Handeln dienend und opfernd in
seinem Volk wurzelt und der Geschichte und dem Schicksal seines
Staates ganz und unabtrennbar zuinnerst verbunden ist".
-
Für die Ausbildung des
Führernachwuchses gab es Nationalpolitische Erziehungsanstalten
(Napolas) und parteieigene Adolf-Hitler-Schulen. An den Hochschulen
trat an Stelle der freien Forschung die „völkische"
Wissenschaft, in der „Nichtarier" und Gegner des
Nationalsozialismus keinen Platz hatten.
-
Bereits in den ersten
Wochen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden 15
prominente jüdische Professoren entlassen, unter ihnen Albert
Einstein, und bis 1939 war beinahe die Hälfte aller Stellen an den
deutschen Hochschulen neu besetzt. Ebenso wurden jüdische Studenten
sukzessive von den deutschen Universitäten verdrängt.
Die Gleichschaltung der
Kirchen gelang nur unvollkommen: In dem Reichskonkordat vom 20. Juli
1933 machte Hitler der katholischen Kirche in Deutschland weitreichende
Zugeständnisse und suchte sie dadurch von der Politik fernzuhalten, was
aber die Kritik an der NS-Diktatur oder gar den Widerstand einiger
Geistlicher und praktizierender Katholiken nicht verhindern konnte. Die
geplante Gleichschaltung der evangelischen Landeskirchen, die über die
nationalsozialistische Glaubensbewegung Deutsche Christen erfolgen
sollte, scheiterte teilweise am Widerstand vor allem der Bekennenden
Kirche.
Mit der Übernahme des Amtes
des Reichspräsidenten durch Hitler am 2. August 1934 nach dem Tod
Hindenburgs war der Prozess der Machtergreifung abgeschlossen und die
Gleichschaltung im Wesentlichen vollendet; der Prozess der politischen
Durchdringung der Bevölkerung wurde, vor allem über die Gliederungen
der NSDAP und die ihr angeschlossenen Verbände sowie durch die massive
Verfolgung Oppositioneller, intensiv vorangetrieben. Aber ebenso wenig
wie die völlige Einheit von Staat und Partei konnte die angestrebte
totale Beherrschung der Bevölkerung durchgesetzt werden; in beiden
Bereichen blieben Freiräume. Diese Freiräume wurden jedoch nur selten
zur Opposition gegen die NS-Diktatur genutzt: die innere Emigration
vieler Menschen half nicht, die Diktatur und ihre Protagonisten zu
beseitigen.
Bücherverbrennung
/ Hermann Göring /
Goebbels, Göring und
Hess / Hitler-Jugend HJ
/ Kraft durch Freude KdF
/ NS-Mutterschaft
/ Reichstagsbrand
/ Heinrich Himmler
Nationalsozialismus
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Hitlers erstem Kabinett als
Reichskanzler gehörten lediglich zwei nationalsozialistische Minister
an: Wilhem Frick, der als Innenminister massgeblich am Aufbau der
NS-Diktatur beteiligt war, und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich.
Der Grossteil des Kabinetts, das Hitler propagandistisch als Kabinett
der „nationalen Erhebung" verherrlichen liess, setzte sich aus
DNVP- und Stahlhelm-Mitgliedern sowie aus parteilosen Konservativen
zusammen.
Für den 5. März 1933
ordnete Hitler Neuwahlen an, denn er wollte nicht „die Arbeit des
Wiederaufbaus der Genehmigung derer unterstellen, die den Zusammenbruch
verursachten". Die März-Wahlen erbrachten für die NSDAP 44 Prozent,
für die DNVP 8 Prozent.
Schrittweise Errichtung der
Diktatur...
Wichtigstes Moment bei der
„Machtergreifung" war unter dem Schlagwort der „nationalen
Erhebung" des deutschen Volkes die Gleichschaltung aller Bereiche
des öffentlichen Lebens und die Übernahme aller wichtiger
Machtpositionen in Politik und Gesellschaft durch die
Nationalsozialisten: die Gleichschaltung.
Daneben spielte die
Bezugnahme der NSDAP und ihrer nationalen Revolution auf die
preussisch-deutsche Tradition eine entscheidende Rolle für die
Akzeptanz ihres Systems; diese Beanspruchung der Tradition fand ihren
propagandistischen Ausdruck im „Tag von Potsdam" am 21. März
1933 zur Feier der Eröffnung des neuen Reichstages, als sich Hitler und
Hindenburg über dem Grab Friedrichs des Grossen die Hände reichten.
Kennzeichnend für die Machtergreifung war weiterhin das unberechenbare
Nebeneinander von Legalität – soweit sie als Instrument zur
Erreichung der nationalsozialistischen Ziele einsetzbar war – und mit
Terror verbundenem Rechts- und Verfassungsbruch.
...durch Gleichschaltung
Die Gleichschaltung
durchdrang alle Ebenen von Staat und Gesellschaft.
-
Auf Reichsebene
bedeutete sie die allmähliche Verdrängung Deutschnationaler wie
Franz von Papen, der bereits im April 1933 als Vizekanzler
ausschied, und Alfred Hugenberg, der im Juni 1933 als Wirtschafts-
und Ernährungsminister zurücktrat, aus der Reichsregierung;
-
auf Länderebene übernahm
sukzessive die NSDAP die Regierung. Vorreiter der Ländergleichschaltung
und zugleich Zentrum der Machtergreifung war Preussen: In dem grössten
deutschen Land – es umfasste zwei Drittel der Gesamtfläche des
Deutschen Reiches – hatte Hermann Göring seit dem 30. Januar
1933 das Amt des kommissarischen Innenministers und ab April 1933
zugleich das des Ministerpräsidenten inne; er hatte damit nach der
Machtergreifung der NSDAP die Verfügungsgewalt über den
preussischen Polizeiapparat, den er noch durch eine 50 000 Mann
starke Hilfspolizeitruppe, die sich vor allem aus SA- und SS-Männern
rekrutierte, verstärkte. Es gab in Preussen nun keine Staatsgewalt
mehr, die gegen die terroristischen Ausschreitungen der SA gegen
Kommunisten und Sozialdemokraten im Vorfeld der Reichstagswahlen vom
5. März hätte eingreifen können.
Bis Mitte Februar war die
NSDAP ausserdem in einigen kleineren Ländern an die Regierung gelangt;
die Gleichschaltung der übrigen Länder erfolgte nach den Wahlen vom 5. März.
Am 31. März ordnete die Reichsregierung mit dem vorläufigen
Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich die Auflösung der
Länderparlamente und ihre Neubildung entsprechend den
Reichstagswahlergebnissen vom 5. März an; die NSDAP wurde somit in
allen Länderparlamenten stärkste Kraft.
Per Gesetz vom 7. April
1933, dem Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich
wurde dann das Amt des Reichstatthalters geschaffen; die
Reichsstatthalter waren zunächst vom Reichspräsidenten, später von
Hitler selbst ernannte NSDAP-Gauleiter, die den Landesregierungen übergeordnet
waren und die Durchsetzung der vom Reichskanzler vorgegebenen
politischen Richtlinien zu gewährleisten hatten. Entsprechend wurden
auch die kleineren Verwaltungseinheiten wie Kreise und Gemeinden
gleichgeschaltet.
-
Mit dem Gesetz über den
Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 wurde die
Gleichschaltung der Länder abgeschlossen: Das Reich übernahm die
Hoheitsrechte der Länder und beendete damit deren Existenz im
staatsrechtlichen Sinne; das Deutsche Reich wurde zu einem
Einheitsstaat mit zentraler Regierung.
-
Das Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933
bestimmte, dass „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, …
in den Ruhestand zu versetzen" sind; dementsprechend wurden jüdische,
aber auch liberale und demokratische Beamte aus der Verwaltung, aus
Schulen und Universitäten entfernt und durch Nationalsozialisten
ersetzt. Nach nationalsozialistischer Auffassung waren Juden nicht
in der Lage, deutsch zu denken und dementsprechend auch nicht fähig,
Deutsche zu regieren. Der so genannte Arierparagraph kam auch in
zahlreichen anderen Gesetzen zur Anwendung; die Juden wurden
de facto aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Die Parteien wurden im
Zuge der Gleichschaltung verboten (die KPD unmittelbar nach dem
Reichstagsbrand am 27. Februar, die SPD am 22. Juni) bzw. zur
Selbstauflösung veranlasst: Die DNVP, die der NSDAP zu einer
regierungsfähigen Mehrheit verholfen hatte, löste sich im Juni 1933
auf, die kleineren Parteien folgten, und das Zentrum löste sich im Juli
auf. Mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli
1933 wurde die NSDAP zur einzigen zugelassenen Partei in Deutschland. Am
1. Dezember 1933 definierte das Gesetz zur Sicherung der Einheit
von Partei und Staat die NSDAP als „Trägerin des deutschen
Staatsgedankens und mit dem Staate unlösbar verbunden". Die totale
Einheit von Staat und Partei konnte jedoch nie vollkommen verwirklicht
werden.
Parallel zur Gleichschaltung
der Länder und mit ebensolcher Intensität betrieb die NSDAP vom
Zeitpunkt ihrer Machtübernahme an die Gleichschaltung aller
gesellschaftlicher Verbände und Organisationen, indem sie sie in der
NSDAP angeschlossene Verbände umwandelte, die der Reichsleitung der
NSDAP unterstellt waren. Zu diesen Verbänden gehörten u. a. der
-
NSD-Ärztebund, der
-
Bund
Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, der
-
NS-Lehrerbund, der
-
Reichsbund der deutschen
Beamten, die
-
Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt sowie die
-
Deutsche Arbeitsfront
(DAF) unter der Führung von Robert Ley.
Die DAF trat am 10. Mai
1933 an die Stelle der freien Gewerkschaften, die am 2. Mai, am Tag
nach dem erstmals mit grossem propagandistischen Aufwand begangenen
„Tag der nationalen Arbeit", zerschlagen worden waren. Die DAF
war nicht wie die Gewerkschaften in erster Linie eine
Arbeitnehmer-Schutzorganisation, sondern wollte alle „schaffenden
Deutschen der Stirn und der Faust", Arbeiter, Angestellte,
Gewerbetreibende, Handwerker und Unternehmer in einer
Einheitsorganisation versammeln; ihre Hauptaufgabe war die politische
Schulung ihrer Mitglieder, und sie beherrschte sogar die Freizeit ihrer
Mitglieder durch die von ihr gegründete NS-Bewegung Kraft durch Freude
(KDF).
Daneben bestanden die
Gliederungen der NSDAP wie z. B.
-
SA,
-
SS,
-
Hitler-Jugend (HJ), die
-
NS-Frauenschaft und der
-
NSD-Studentenbund;
sie waren Teil der Partei.
Sowohl angeschlossene Verbände als auch Gliederungen waren wie die
Partei selbst straff organisiert und in Gaue und Kreise unterteilt, und
mit ihren Verbänden und Gliederungen erfasste die NSDAP den Grossteil
der Bevölkerung.
Ministerium für Volksaufklärung
und Propaganda
Unmittelbar nach den manipulierten März-Wahlen
errichtete Hitler das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda,
dessen Leitung er Joseph Goebbels übertrug. Das Propagandaministerium
überwachte und bestimmte die Propaganda im In- und Ausland,
kontrollierte Rundfunk und Presse und gab die zu veröffentlichenden
Nachrichten vor, genehmigte Drehbücher, Theaterstücke und Bücher bzw.
lehnte sie ab und „betreute" die bildende Kunst.
Es war laut Verordnung Adolf
Hitlers vom 30. Juni 1933 zuständig „für alle Aufgaben der
geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und
Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit
über sie und der Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden
Einrichtungen". Das Reichskulturkammergesetz vom 22. September
1933 mit seiner Bestimmung, die „Angehörigen der Tätigkeitszweige,
die seinen Aufgabenkreis betreffen, in Körperschaften des öffentlichen
Rechts zusammenzufassen", lieferte dem Propagandaminister die
Handhabe für die Gleichschaltung von Presse, Rundfunk, darstellender
und bildender Kunst, Musik und Schrifttum in der Reichskulturkammer, der
alle publizistisch und künstlerisch Tätigen angehören mussten, sofern
sie mit ihrem Werk an die Öffentlichkeit treten wollten.
Offensichtlichen Ausdruck fand die
Kulturpolitik und Kunstauffassung des Nationalsozialismus in der Bücherverbrennung
am 10. Mai 1933 und in der Ausstellung Entartete Kunst, die
parallel zur Grossen Deutschen Kunstausstellung „arteigener
Kunst" im neueröffneten Haus der Deutschen Kunst 1937 in München
gezeigt wurde.
Ebenso wie Publizistik und Kunst
wurden Erziehung und Wissenschaft der Kontrolle des Staates unterstellt:
-
Am 17. Juni 1933 übernahm
der Leiter der HJ, der Reichsjugendführer Baldur von Schirach, die
Führung über sämtliche Jugendverbände im Reich und löste sie
entweder auf oder gliederte sie in die HJ ein. Am 1. Dezember
1936 wurde die gesamte Jugend als Staatsjugend in der HJ
zusammengefasst; die Mitgliedschaft in der HJ war Pflicht. Die
allgemeinen Schulen hatten die Aufgabe, „den politischen Menschen
zu bilden, der in allem Denken und Handeln dienend und opfernd in
seinem Volk wurzelt und der Geschichte und dem Schicksal seines
Staates ganz und unabtrennbar zuinnerst verbunden ist".
-
Für die Ausbildung des
Führernachwuchses gab es Nationalpolitische Erziehungsanstalten
(Napolas) und parteieigene Adolf-Hitler-Schulen. An den Hochschulen
trat an Stelle der freien Forschung die „völkische"
Wissenschaft, in der „Nichtarier" und Gegner des
Nationalsozialismus keinen Platz hatten.
-
Bereits in den ersten
Wochen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden 15
prominente jüdische Professoren entlassen, unter ihnen Albert
Einstein, und bis 1939 war beinahe die Hälfte aller Stellen an den
deutschen Hochschulen neu besetzt. Ebenso wurden jüdische Studenten
sukzessive von den deutschen Universitäten verdrängt.
Die Gleichschaltung der
Kirchen gelang nur unvollkommen: In dem Reichskonkordat vom 20. Juli
1933 machte Hitler der katholischen Kirche in Deutschland weitreichende
Zugeständnisse und suchte sie dadurch von der Politik fernzuhalten, was
aber die Kritik an der NS-Diktatur oder gar den Widerstand einiger
Geistlicher und praktizierender Katholiken nicht verhindern konnte. Die
geplante Gleichschaltung der evangelischen Landeskirchen, die über die
nationalsozialistische Glaubensbewegung Deutsche Christen erfolgen
sollte, scheiterte teilweise am Widerstand vor allem der Bekennenden
Kirche.
Mit der Übernahme des Amtes
des Reichspräsidenten durch Hitler am 2. August 1934 nach dem Tod
Hindenburgs war der Prozess der Machtergreifung abgeschlossen und die
Gleichschaltung im Wesentlichen vollendet; der Prozess der politischen
Durchdringung der Bevölkerung wurde, vor allem über die Gliederungen
der NSDAP und die ihr angeschlossenen Verbände sowie durch die massive
Verfolgung Oppositioneller, intensiv vorangetrieben. Aber ebenso wenig
wie die völlige Einheit von Staat und Partei konnte die angestrebte
totale Beherrschung der Bevölkerung durchgesetzt werden; in beiden
Bereichen blieben Freiräume. Diese Freiräume wurden jedoch nur selten
zur Opposition gegen die NS-Diktatur genutzt: die innere Emigration
vieler Menschen half nicht, die Diktatur und ihre Protagonisten zu
beseitigen.
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