Urteilsbegründung gegen Eichmann

 
Auszüge aus der Urteilsbegründung im Prozeß gegen Adolf Eichmann in Jerusalem vom 11. Dezember 1961:
"Zusammenfassend wollen wir ... feststellen, daß der Angeklagte sein Gewissen beiseite gelegt hatte, wie es von ihm seitens seines Regimes, dem er sich ergeben und mit Leib und Seele verkauft hatte, verlangt wurde... Er sank immer tiefer, bis er endlich zum Abgrunde der Durchführung der Endlösung kam. Es kann jedoch nicht über ihn behauptet werden, daß auch sein Verstand zu funktionieren aufgehört hätte oder daß er nur aus blindem Gehorsam gehandelt hätte. Mit fester Überzeugung glaubte er an die Lügenlehre des Nationalsozialismus, daß die Juden erbarmungslos zu vernichtende Reichsfeinde seien. Sein Haß war kühl und berechnet. 
Er war nicht so sehr gegen die Juden als Individuen gerichtet, wie gegen das jüdische Volk in seiner Gesamtheit, und deshalb war er in all seinen Ausdrucksformen so allvernichtend. Seiner Aufgabe widmete er seinen regen Geist, seine List und sein Organisationstalent. Er handelte im allgemeinen Rahmen der ihm erteilten Befehle. Aber innerhalb dieses Rahmens ging er bis zum Äußersten zum Zwecke der schleunigen und vollständigen Vernichtung der Juden im deutschen Hoheits- und Einflußgebiet.
Wir wollen hiermit nicht sagen, daß der Angeklagte in seiner Frevelhaftigkeit eine Ausnahme innerhalb des Regimes darstellte, das ihn gezüchtet hatte. Er war ein treuer Zögling dieses Verbrecher- und Frevlerregimes. Der verteidiger war bestrebt, die Teilnahme anderer an den dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen zu beweisen. Tatsächlich ist es überhaupt nicht strittig, daß der Angeklagte in all seinen Tätigkeiten immer zusammen mit anderen gehandelt hat, und in diesem Sinne ist er auch in der Anklageschrift beschuldigt worden. Wir würden das Bild in seiner Gesamtheit nicht sehen, wenn wir die Verantwortung für diesen Vernichtungsfeldzug in seinem vollen Umfang nur dem Angeklagten zuschreiben würden. ... All das ändert nichts an der Tatsache, daß das Referat des Angeklagten im RSHA im Zentrum der Aktion der Endlösung stand. Die Schuld anderer verringert die Schuld des Angeklagten nicht um ein Jota."