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Petrus Mosellanus, Rektor der Leipziger Universität, beschrieb um 1519
Martin Luthers äußere Erscheinung:
"... Martinus ist mittlerer Leibeslänge, von hagerem, durch Sorgen und
Studieren erschöpftem Körper, so dass man fast die Knochen durch die Haut
zählen könnte, von männlichem, frischem Alter und hoher, klarer Stimme. Er
ist aber voller Gelehrsamkeit und vortrefflicher Kenntnis der Schrift, so
dass er gleichsam an den Fingern alles herzählen kann. Griechisch und
Hebräisch weiß er soviel, dass er über die Interpretationen urteilen kann.
Es fehlt ihm auch nicht an Stoff, und er hat einen großen Vorrat an Worten
und Sachen. Im Leben und in seinem Betragen ist er sehr höflich und
freundlich und hat nichts stoisch Strenges und Sauertöpfisches an sich, er
kann sich in alle Zeiten schicken. In Gesellschaft ist er lustig,
scherzhaft, lebhaft und immer freudig, immer munteren und fröhlichen
Gesichts, ob ihm auch die Widersacher noch so sehr drohen, und man sieht es
ihm an, dass Gottes Kraft bei seinem schweren Werke mit ihm ist. Nur den
einen Fehler tadeln alle an ihm, dass er im Schelten etwas zu heftig ist,
und beißend sei, mehr als es für einen, der in der Theologie neue Pfade
finden will, sicher und für einen Gottesgelehrten schicklich ist; ein
Fehler, den allerdings wohl alle, die in späteren Jahren gelernt haben, an
sich haben." (in: Luthers Werke, Ausgabe von Walch, 15, 1422, Nr. 391)
Albrecht Dürer jun. schrieb Anfang 1520 an Georg
Spalatin, um sich für die Lutherschriften, die ihm der Kurfürst Friedrich
der Weise zugesandt hatte, zu bedanken:
"Deshalb bitte ich, Euer Ehrwürden wolle Seiner kurfürstlichen Gnaden meine
untertänige Dankbarkeit aufs Höchste anzeigen, und Seine kurfürstlichen
Gnaden in aller Untertänigkeit bitten, dass er sich des löblichen Doktor
Martinus Luther befohlen sein lasse, um der christlichen Wahrheit willen, an
der uns mehr gelegen ist, als an allem Reichtum und Gewalt dieser Welt, denn
das alles vergeht mit der Zeit, allein die Wahrheit bleibt ewig. Und hilft
mir Gott, dass ich zu Martin Luther komme, so will ich ihn mit Fleiß
abkonterfeien und in Kupfer stechen zu einem dauernden Andenken des
christlichen Mannes, der mir aus großen Ängsten geholfen hat. Und ich bitte
Euer Ehrwürden, wenn Doktor Martinus etwas Neues macht, wollet es mir für
mein Geld zusenden." (in: Georg Müller: Albrecht Dürer, Tagebücher und
Briefe. München 1927, S. 164 f).
Der katholische Bischof Johannes
Dantiscus aus Ermland schilderte seinen Besuch bei Philipp Melanchthon
und Martin Luther in Wittenberg im Jahre 1523:
"Ich fand dort einige junge Männer, im Hebräischen, Griechischen und
Lateinischen hochgelehrt, vornehmlich Philippum Melanchthon, der für den
ersten von allen in der gründlichen Kenntnis der Schriften und der Lehre
gehalten wird, ein junger Mann von 26 Jahren, der sich mir gewiss während
der drei Tage, die ich dort zubrachte, als ein Mann von der größten Bildung
und von gewinnendstem Wesen zeigte. Durch seine Vermittlung habe ich Luthern
den Grund meiner Reise folgendermaßen auseinandergesetzt: Wer in Rom den
Papst und in Wittenberg den Luther nicht gesehen hat, der hat, so glaube
man, überhaupt nichts gesehen, deswegen hätte ich den Wunsch, ihn zu sehen
und zu sprechen, und damit bei der Zusammenkunft kein Argwohn obwalte, so
versichere ich, dass ich an ihn weiter kein Anliegen habe als ihm einen Gruß
und ein Lebewohl zu entbieten. Es hat nämlich nicht leicht jeder beliebige
Besucher Zutritt zu ihm; mich nahm er jedoch ohne Schwierigkeiten an, und
kam ich denn mit Melanchthon zu ihm gegen Ende des Abendessens, zu dem er
einige Brüder seines Ordens zugezogen hatte, die in Kutten von weißer Farbe,
jedoch nach vorgeschriebenem Schnitt, gekleidet waren, und daher als Brüder
kenntlich waren, in der Haartracht aber sich von den Bauern nicht
unterschieden. Luther stand auf, reichte mir etwas verlegen die Hand und
hieß mich niedersetzen. Wir setzten uns und haben uns fast vier Stunden lang
bis in die Nacht hinein unterhalten. Ich fand in ihm einen Mann von
Verstand, Wissen und Beredsamkeit; übrigens brachte er, abgesehen von
Schimpfreden, Anmaßlichkeiten und bissigen Bemerkungen gegen den Papst, den
Kaiser und einige andere Fürsten nichts von Bedeutung vor. Wollte ich das
alles aufschreiben, so würde dieser ganze Tag dafür nicht ausreichen, und
der Diener, der den Brief überbringen soll, ist schon reisefertig. Deshalb
muss ich vieles kurz zusammendrängen. Luther sieht im Gesicht ebenso aus,
wie er aus seinen Büchern schaut; seine Augen sind durchdringend und beinahe
unheimlich funkelnd, wie man es bisweilen bei Besessenen sieht; der König
von Dänemark hat ganz ähnliche, und ich kann daher nicht anders glauben, als
dass beide unter einer Konstellation der Gestirne geboren sind. Seine
Redeweise ist heftig, voll von Anspielungen und Spottereien. Er kleidet sich
so, dass man ihn von einem Hofmanne nicht unterscheiden kann; wenn er jedoch
das Haus, in dem er wohnt - es war früher das Kloster - verlässt, so trüge
er, sagt man, die Kutte seines Ordens. Als wir nun mit ihm beisammensaßen,
haben wir uns nicht bloß unterhalten, sondern auch in heiterer Weise Wein
und Bier getrunken, wie es dort Sitte ist. Er scheint in jeder Hinsicht "ein
guter Geselle" zu sein, wie man im Deutschen sagt. In der Ehrwürdigkeit
seiner Lebensführung, die bei uns vielfach an ihm gerühmt wurde,
unterscheidet er sich in nichts von uns andern; leicht erkennt man an ihm
den Hochmut und die Anmaßlichkeit; in Schmähungen, Nachreden und Spöttereien
scheint er ganz aufzugehen. Wie er im übrigen ist, davon geben seine Bücher
ein deutliches Bild. Man sagt, er sei sehr belesen und schreibe viel; dieser
Tage übersetzt er die Bücher Mosis aus dem Hebräischen ins Lateinische,
wobei er meist den Melanchthon zur Hilfe heranzieht. Dieser Jüngling gefällt
mir unter allen Gelehrten Deutschlands am meisten. Mit Luther stimmt er
durchaus nicht in allem überein." (in: Franz Hipler, Nikolaus Kopernikus und
Martin Luther. Braunsberg 1868, S. 54 ff.)
Philipp Melanchthon über Luther:
"Denn glaubt mir es nur, einem solchen Freunde: Viel größer, viel
bewundernswerter ist Martinus, als dass ich es mit Worten andeutend
schildern könnte. Du weißt, wie Alkibiades seinen Sokrates bewunderte; ich
bewundere ihn auf eine noch ganz andere, nämlich christliche Weise. Sooft
ich ihn betrachte, jedes Mal erscheint er mir größer!" (in: Corpus
Reformatorum 1, 264)
Martin Luthers Freund Erasmus Alberus über
ihn:
"Er war ein Mann, der Gottes Zorn aufhalten konnte, keiner konnte fleißiger
und ernsthafter beten und Gott anrufen, keiner konnte besser trösten, keiner
besser predigen. Er war ein Mann ohne Falsch; Lügnern und Zweizüngigen war
er gram, Aufrichtigkeit hatte er lieb, den Geiz hasste er, der Hoffart war
er feind, Trunkenheit und Unzucht waren ihm unbekannt. Man spürte an ihm
keinen Zorn, außer wenn er zu Felde lag gegen die Papisten und Schwärmer; da
sah man des heiligen Geistes und nicht eines Menschen Zorn. Ein frei, klar
und tapfer Gesicht und Falkenaugen hatte er und war von Gliedmaßen eine
schöne Person. Er war ein guter Musikus, hatte auch eine feine, helle und
reine Stimme zum Singen und zum Reden. Ein großer Schreier war er nicht. Die
edle Kunst der Maler und Organisten und dergleichen hatte er lieb. In Summa:
da unser Herrgott das klare, herrliche Licht seines Evangeliums der Welt
offenbaren wollte, da erwählte er sich einen Mann nach seinem Herzen und gab
ihm zu solchem großen Werk, dergleichen nach der Apostel Zeit auf Erden nie
gesehen, alle diese schönen Gaben." (in: Erasmus Alberus: Wider die
verfluchte Lehre der Carlstader..., Neubrandenburg 1565, Nr. 341).
Sein Freund und Mitstreiter Philipp Melanchthon über Martin Luthers
Herkunft:
"Es ist ein alt und weitverbreitetes Geschlecht mittelmäßigen Standes,
Luther genannt, in der Herrschaft des erlauchten Grafen von Mansfeld. Die
Eltern Martin Luthers aber wohnten in dem Städtchen Eisleben, da er auch
geboren ist, und zogen nachher gen Mansfeld, allwo der Vater, Hans Luther,
ein obrigkeitliches Amt verwaltete, und ob seiner Rechtschaffenheit allen
Guten sehr lieb und wert war.
Seine Mutter Margarethe, Hans Luthers Ehegemahl, besaß alle übrigen
Tugenden, die einer ehrbaren Matrone wohl anstehen; insonderheit aber
zeichnete sie sich aus durch Keuschheit, Gottesfurcht und Andacht, so dass
auch alle anderen ehrbaren Frauen auf sie wie auf ein Vorbild der Tugenden
hinschaueten. Dieselbe hat mir einigemal auf meine Frage: zu welcher Zeit
ihr Sohn geboren worden, geantwortet, dass sie des Tags und der Stunde sich
wohl erinnere, aber über das Jahr ungewiss sei. Sie versicherte mir aber,
dass er am 10. des Monats November, in der Nacht nach elf Uhr, geboren, und
dass der Name Martin dem Kinde darum gegeben worden sei, weil der nächste
Tag, da dasselbe durch die Taufe in die Gemeinde Gottes aufgenommen worden,
der Martinstag gewesen sei. Sein Bruder Jacob aber, ein biederer, redlicher
Mann, versicherte, die Meinung der Familie über das Alter des Bruders sei
durchgängig gewesen, dass er im Jahre Christi 1483 geboren sei." (in: Martin
Luther, dargestellt von seinen Freunden und Zeitgenossen, Berlin 1933, S.
45)
Philipp Melanchthon schildert Martin Luthers Motive beim Anschlag
der 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche im Jahre 1517:
"Während Luther damit (mit dem Erlernen der griechischen und hebräischen
Sprache) sich beschäftigte, wurden Ablassbriefe in diesen Gegenden käuflich
herumgetragen von Tetzel, einem Dominikaner, dem unverschämtesten Lästerer,
von dessen gottlosen und schändlichen Predigten aufgereizt Luther, im
gottesfürchtigen Feuereifer, etliche Sätze vom Ablass ausgehen ließ und
dieselben öffentlich an die Schlosskirche zu Wittenberg anschlug, am
Allerheiligen-Abend im Jahre 1517.
Tetzel aber, sich gleichbleibend und hoffend, bei dem römischen Bischof sich
Dank zu verdienen, berief seinen Rat zusammen, einige Mönche und Theologen,
die in seiner losen Sophistik ziemlich bewandert waren; und diesen befahl
er, etwas wider Luthern zu schreiben. Er selbst auch inzwischen, um nicht
stumme Person zu sein, schleudert nicht bloß Predigten, sondern Bannstrahlen
auf ihn ab; schreiet allenthalben, dass dieser Ketzer durch Feuer vertilgt
werden müsse, wirft auch Luthers Sätze und Predigt vom Ablass öffentlich in
die Flammen. Diese Raserei des Tetzel und seiner Spießgesellen legen Luthern
die Notwendigkeit auf, umständlicher von diesen Dingen zu handeln und die
Wahrheit zu verteidigen.
Dies war der Anfang dieses Zwiespaltes, in welchem Luther, noch nichts
ahnend oder auch nur träumend von zukünftiger Veränderung der
Kirchengebräuche, noch nicht gar die Ablassbriefe gänzlich verwarf, sondern
nur besonnene Mäßigung dabei verlangte." (in: Martin Luther, dargestellt von
seinen Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S. 52-53)
Die Urteile des Erasmus von
Rotterdam bezüglich Martin Luthers:
Sein Brief an Martin Luther im Jahre 1519: "Was mich
betrifft, so halte ich mich möglichst neutral, damit ich den
wiederaufblühenden Wissenschaften mehr nützen könne, und wie mir scheint, so
nützt man durch anständige und leutselige Bescheidenheit mehr als durch
leidenschaftliche Hitze. - Gegen hergebrachte Dinge, die zu tief
eingewurzelt sind, als dass sie mit einem Schlage aus den Herzen ausgerottet
werden könnten, muss man viel mehr mit gediegenen und wirksamen Gründen und
Beweisen vorgehen als mit bloßen Behauptungen. Die giftigen Angriffe
gewisser Leute zu verachten, ist oft besser, als sie zu widerlegen. Überall
aber müssen wir uns hüten, in irgendeiner Weise anmaßend oder parteisüchtig
zu sprechen oder zu handeln; so, glaube ich, ist es dem Geiste Christi
angemessen. - Das erinnere ich nicht, dass Du es tust, sondern dass Du, was
Du getan, fort und fort tuest. Ich habe einige Blicke in Deine Kommentare zu
den Psalmen getan; sie lächeln mich gewaltig an, und ich hoffe, sie werden
großen Nutzen bringen..." (in: (in: Martin Luther, dargestellt von seinen
Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S. 87)
Erasmus von Rotterdams Brief an den Erzbischof Albrecht von Mainz
und Magdeburg im Jahre 1519: "Wer irgendein rechtschaffener Mensch
ist, nimmt an Luthers Schriften nicht den geringsten Anstoß; ich will nicht
sagen, dass man alles billigt, sondern dass man ihn im dem Geiste liest, wie
wir den Cyprian und Hieronymus, ja selbst den Petrus Lombardus lesen,
nämlich gegen vieles mit Nachsicht. Ich bin weder Luthers Anhänger noch
Verteidiger noch sein Richter. Über den Geist und die Gesinnung des Mannes
möchte ich nicht zu urteilen wagen, denn das ist sehr schwer, namentlich,
wenn man ein verwerfendes Urteil fällen soll. Endlich glaube ich, es sei
christlich, Luther in der Weise wohlzuwollen, dass, wenn er unschuldig ist,
ich nicht wollte, dass er durch die Rotten der Schlechten unterdrückt würde;
wenn er aber irrt, wünschte ich, dass er gebessert, nicht dass er verderbt
würde. Denn das stimmt mehr zu dem Vorbild Christi, der, wie der Prophet
sagt, den glimmenden Docht nicht auslöschte und das zerbrochene Rohr nicht
zerstieß. Menschen, denen vor allem die Sanftmut ziemte, sehe ich nur nach
Menschenblut dürsten und danach trachten, dass Luther gefangen und verderbt
werde. Aber das heißt, das Geschäft eines Henkers treiben, nicht das eines
Gottesgelehrten! Wollen sie sich einmal als große Theologen zeigen, nun so
mögen sie die Juden bekehren, so mögen sie die Christo Entfremdeten zu
Christo bekehren, so mögen sie die öffentlichen Sitten der Christen
verbessern, die so schlecht sind, dass es nichts Verderbteres gibt, nicht
einmal bei den Türken!" (in: Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden
und Zeitgenossen, ebenda, S. 87-88).
Erasmus von Rotterdams Brief an Willibald Pirkheimer im Jahre 1520:
"Über Luther will ich weiter nichts sagen, als was sich unter den
gegenwärtigen Umständen einzig ungestraft sagen lässt, nämlich, dass es mir
gewaltig leid tut, dass solch ein Geist, von dem es den Anschein hatte, als
sollte er ein ausgezeichnetes Werkzeug zur Verkündigung der evangelischen
Wahrheit werden, durch das wütende Geschrei gewisser Leute so verbittert und
verbissen gemacht worden ist." (in: Martin Luther, dargestellt von seinen
Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S. 88-89)
Erasmus von Rotterdams Brief an den Rektor der Universität Löwen,
Gottschalk Rosenmond, im Jahre 1520: "Durch das Verbrennen seiner
Bücher wird Luther vielleicht aus den Bibliotheken entfernt, ob er dadurch
auch aus den Herzen der Menschen gerissen werden kann, weiß ich nicht!" (in:
Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S.
89)
Erasmus von Rotterdams Brief an den Kardinal Campeggio im Jahre
1520: "Erschienen ist die Schreckensbulle des römischen Papstes.
Man hat vor dem Volk Geschrei erhoben. Gehässiger konnte die Sache kaum
betrieben werden. Die Bulle erschien allen ungnädiger, als sich nach der
Gelindigkeit unseres Leo (X.) erwarten ließ, und doch ist zu dieser wütenden
Härte nicht wenig noch hinzugefügt worden von denen, die die Sache
auszuführen hatten." (in: Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden und
Zeitgenossen, ebenda, S. 89)
Erasmus von Rotterdams Brief an den sächsischen Kurfürsten Friedrich
den Weisen im Jahre 1520:
"Luther hat in zwei Stücken gefehlt, nämlich dass er dem Papste an die Krone
und den Mönchen an die Bäuche gegriffen hat.
Die besten und frömmsten Menschen sind nicht durch Luthers Sätze, wohl aber
durch die harte, der Milde eines Statthalters Christi nicht geziemende
päpstliche Bulle verletzt worden. Luther ist zwar von zwei Universitäten
verdammt, aber nicht widerlegt worden. Er hat mit Billigkeit gefordert, von
einem unparteiischen Richter beurteilt zu werden, da er selbst aufrichtig
und unparteiisch ist und für sich nichts sucht. Dem Papste ist mehr an
seinem eigenen als an Christi Ruhm gelegen. Was bis jetzt gegen Luther
geschrieben worden ist, wird auch von denen missbilligt, die ihm nicht
gewogen sind. Die Welt ist von einer natürlichen Begierde nach der
evangelischen Wahrheit ergriffen, und dieser darf überhaupt weder mit Gewalt
widerstrebt werden, noch ist es auch gut, dass der Kaiser den Antritt seiner
Regierung durch harte Maßregeln beflecke." (in: Martin Luther, dargestellt
von seinen Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S. 89)
Brief von Erasmus von Rotterdam an Ulrich Zwingli im Jahre 1523:
"Ich will und kann keiner Partei dienen! Wenn mich irgend jemand so
betrunken gesehen hat, dass ich den ganzen Luther billigte, so will ich´s
mir gefallen lassen, dass er mich, statt Erasmus, einen Ausreißer nennt...
Ich vermisse an Luthers Schriften die Bescheidenheit und evangelische
Sanfmut, ich verwerfe seine Hartnäckigkeit im Behaupten, und dies um so
mehr, da seine Schriften von Tag zu Tag immer trotziger vorschreiten, selbst
gegen die höchsten Fürsten, welche zu reizen, sie seien wie sie wollen,
nicht gut ist. Ist Luthers Lehre rein, so wird sie, wie durch Feuer
geläutertes Gold, durch den Widerspruch nur heller hervorleuchten. Ist sie
aber falsch, so wird sie mit Recht von allen bekämpft. Ist aber darin
einiges Falsche mit Wahrem vermischt, so wird sie gereinigt." (in: Martin
Luther, dargestellt von seinen Freunden und Zeitgenossen, ebenda, S. 90)
Brief von Erasmus von Rotterdam an Martin Luther bezüglich der
Bauernkriege im Jahre 1526: "Ich kenne die Heftigkeit Deiner
Redeweise und jenen Waldstrom, der mit ungeheuerm Getöse vom Berge
herabstürzt und Felsstücke und Baumstämme mit sich fortreißt. - Wir haben
die Frucht Deines Geistes sichtbar vor uns: die Sache ist bis zur blutigen
Niedermetzlung vorgeschritten, und wir fürchten noch Schlimmeres, wenn es
nicht Gott in Gnaden abwendet. Ich glaub´s schon, dass Du jene Aufrührer
nicht anerkennest, aber sie erkennen Dich an! Du hast zwar in einer scharfen
Schrift wider die Bauern den Verdacht von Dir abgewehrt, Du kannst aber doch
nicht es dahin bringen, den Menschen den Glauben zu nehmen, durch Deine
Schriften, namentlich die in deutscher Sprache geschriebenen, gegen die
Gesalbten und Geschorenen, gegen die Mönche, gegen die Bischöfe, für die
evangelische Freiheit, wider die menschliche Tyrannei, sei zu diesen
Tumulten der Anlass gegeben worden. Das magst Du wissen, Luther, dass es
kein Dogma von Dir gibt (ich rede von den verdammten), in welchem ich
durchgängig mit Dir zusammenstimmte, ausgenommen, was Du gegen die
verderbten Sitten der Kirche schreibst, das ist wahrer, als ich wünschte.
Hättest Du uns überzeugt, dass Du jener Mann seist, der von Gott der Welt
gegeben sei, um mit dem Schwert des Evangeliums die Kirche zu erneuern, und
der vom Geiste Gottes geleitet werde, dem allein in der Heiligen Schrift
nichts dunkel sei: freiwillig wären wir herzugekrochen und hätten sogar
Deine Füße geküsst. Aber davon, obschon Du Dir´s anmaßest, hast Du mich noch
nicht überzeugt. Sehr vieles zwar hielt mich davon ab, aber das
Vorzüglichste darunter ist jene Deine Bitterkeit im Schreiben gewesen und
die zügellose Schmähsucht, sowie der mehr als skurille Mutwille in beißenden
Scherzen und Spöttereien, deren Du Dich gegen alle bedienst, die gegen Deine
Dogmen den Mund aufzutun wagen. Es hat niemand einen Streit mit dem
Wort Gottes, worüber Du sooft donnerst, sondern mit Deinen Auslegungen! Das
ist Dein Fehler, dass Du uns fort und fort Deine Auslegungen als Gottes Wort
aufdrängst!" (in: Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden
und Zeitgenossen, ebenda, S. 90-91)
Johannes Mathesius (1504-1565) über Martin
Luther:
"Ernstlich war er auch bisweilen in seinen Predigten und ließ sich mit
heftigem Gemüt hören, wenn man ihn erzürnet. Wem ein Ding ernst ist, der
kann nicht allweg scherzen, oder gar zu laulicht sein oder zu leise gehen.
Man muss nicht allein sanfte und gelinde Regen und Sammetlüftlein, sondern
auch Sturmwinde und Platzregen haben, wie unser Doktor (Martin Luther) vom
Herrn Brenz und Philippus pflegt zu sagen, wenn Laub und Gras, Baum und
Stengel sich rammeln und ausspreizen wollen.
Ob nun wohl unsers Doktors Platzregen und Wolkenbrüche den Mönchen,
Schwärmern, Tyrannen, falschen Brüdern und Weltweisen bisweilen den Weg
zerreißen, und er zerzaust sie bisweilen in seinem Eifer, wie Christus die
Pharisäer, Schriftgelehrten und Gesetzlehrer, so lass man´s Gottes und
Gideons Hand, Mosis und Elias Mund sein. Läuft bisweilen was mit unter, wie
alle Heiligen ihre Fehle und Gebrechlichkeit gehabt und allein aus Gnaden
Vergebung der Sünden bekommen, das gehört ins Vaterunser und Elias Mantel,
welchen er seinem Schüler hienieden auf Erden ließ (2. Kön. 2, 13), damit er
hülfe zudecken, das bisweilen zu viel oder zu wenig geschehen wäre." (in:
Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden und Zeitgenossen, ebenso, S.
244)
Johannes Mathesius beschreibt das Sterben seines Lehrers Martin
Luther:
"Auf den Mittwoch, den 17. Februar, hat man seine Mattigkeit deutlich
gespürt, darum haben die Grafen (von Mansfeld, die er wieder miteinander
versöhnen wollte) ihn gebeten, er wolle sich der Handlung entschlagen und
seiner Ruhe abwarten, doch hat er sich zum Abendmahl an den Tisch gesetzt
und allda viel schöner Reden getan, wie Gott alle 20 Jahre eine neue Welt
schaffe und mit den Kindern sein Himmelreich fülle, "wir Alten müssen lang
leben", sagt er, "dass wir dem Teufel in den Hintern sehen und viel Bosheit,
Untreue und Elend der Welt erfahren, auf dass wir Zeugen seien, dass der
Teufel ein böser Geist ist; menschlich Geschlecht ist wie ein Schafstall,
darin eitel Schlachtlämmlein stehen."
Darauf steht er von seinem Stuhl auf und spricht, es wäre ihm wieder wehe
und bang um die Brust, doch tritt er nach seiner Gewohnheit unters Fenster
und betet; darauf wird er sehr schwach; die um ihn waren, rufen die Gräfin
und Ärzte; die reiben ihn mit warmen Tüchern; wie Graf Albrecht kommt und
fragt: "Wie geht es, o lieber Doktor?" "Es hat keine Not, gnädiger Herr, es
beginnt sich zu bessern. " Darauf gibt man ihm geschabten Einhorn ein auf
zweimal. Um neun legt er sich wieder aufs Ruhebettlein. "Wenn ich eine halbe
Stunde könnte schlummern, hoffte ich, es sollte alles besser werden." Allda
schläft er bis um zehn und steht wieder auf und geht in seine Kammer, und
wie er über die Schwelle schreitet, spricht er: "Walt´s Gott; ich gehe zu
Bette, in deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, du
treuer Gott." Darauf legt er sich in sein gewärmtes Bett und gibt Dr. Jonas,
M. Coelius und andern die Hand und wünscht ihnen eine gute Nacht mit diesen
Worten: "Betet für unsern Herrn Gott und sein Evangelium, dass es ihnen wohl
gehe, denn das Konzilium zu Trient und der leidige Papst zürnen hart mit
ihm." Darauf blieben die Nacht in der Kammer seine zween Söhne, Martin und
Paul, Dr. Jonas und sein Diener Ambrosius und andere Diener.
Allda hat er sanft geruht bis um eins; wie ihn Dr. Jonas fragt, ob er wieder
Schwachheit empfinde? "Ach, Herr Gott", spricht er, "wie ist mir so wehe;
ach lieber Dr. Jonas, ich achte, ich werde hie zu Eisleben, da ich geboren
und getauft bin, bleiben." Darauf antwortete Dr. Jonas: "Ach, reverende
pater (ehrwürdiger Vater), Gott, unser himmlischer Vater, wird helfen durch
Christum, den ihr gepredigt habt." Da ist er ohne Hülf und Handleitung in
das Stüblein gegangen, und hat unterwegen seine vorigen Worte wiederholt:
"In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum (In deine Hände, o Herr,
befehle ich meinen Geist)" Und wie er einmal oder zwier im Stüblein hin und
wieder geht, legte er sich aufs Ruhebettlein und klagt, es drücke ihn um die
Brust hart, doch schone es noch des Herzens.
Allda hat man ihn gerieben und seinen Wirt und die Ärzte aufgeweckt, auch
Graf Albrecht und sein Gemahl geholt, welche viel Labsal und Stärkung
mitbrachten. Aber Dr. Luther spricht: "Lieber Gott, ich fahre dahin, ich
werde zu Eisleben bleiben." Dr. Jonas tröstete ihn, und dass er Jesum
Christum unsern Hohenpriester und Mittler anriefe, es werde besser werden,
denn er habe einen guten Schweiß gelassen. Dr. Luther antwortet: "Ja, es ist
kalter Totenschweiß; ich werde meinen Geist aufgeben, denn die Krankheit
mehrt sich." Darauf fängt er an und spricht:
"O mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, du
Gott alles Trostes, ich danke dir, dass du mir deinen lieben Sohn Jesum
Christum offenbart hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekannt
habe, den ich geliebt und gelobt habe, welchen der leidige Papst und alle
Gottlosen schänden, verfolgen und lästern; ich bitte dich, mein Herr Jesu,
lass dir mein Seelchen befohlen sein. O himmlischer Vater, ob ich schon
diesen Leib lassen und aus diesem Leben hinweggerissen werde, weiß ich doch
gewiss, dass ich bei dir ewig bleiben und aus deinen Händen mich niemand
reißen kann."
Weiter sprach er auch lateinisch: "Also hat Gott die Welt geliebt, dass er
seinen einigen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren
werden, sondern das ewige Leben haben." Und die Worte aus dem 68. Psalm:
"Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tod
erretten kann." Als man aber allerlei Arzneien an ihm versucht, sagte er
abermals: "Ich fahre dahin", und spricht dreimal sehr eilend aufeinander:
"Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, du
treuer Gott." Da beginnt er still zu sein; man rüttelt, rieb, kühlt und rief
ihm, aber er tat die Augen zu; Dr. Jonas, M. Coelius riefen ihm stark ein:
Reverende Pater, wollet ihr auf Christum und die Lehre, wie ihr gepredigt,
beständig sterben? sprach er, dass man es deutlich hören konnte und
vernehmen: "Ja!" Darauf schläft er im Namen Jesu Christi ohne Quälung des
Leibes ein, still und in großer Geduld, am 18. Februarii früh um drei (laut
des Augenzeugen Michael Coelius um 2.45 Uhr), welches der Tag der Concordiä
war, und erkaltet." (in: Martin Luther, dargestellt von seinen Freunden und
Zeitgenossen, ebenda, S. 267-270)
Martin Luther über sich selbst:
"Ich bin frei von Geiz; vor der Lust bewahrt mich das Alter und der
angegriffene Leib (Martin Luther litt an einem schweren Steinleiden), ich
leide nicht an Hass oder Neid gegen jedermann. Nur der Zorn ist in mir noch
geblieben, der doch meistens notwenig und gerecht ist. Doch habe ich noch
andere und größere Sünden." (in: Weimarer Ausgabe Tischreden 1, 197)
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