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Art. 1. Die Nationalversammlung vernichtet das
Feudalwesen völlig. Sie dekretiert, dass von den Feudal- wie
Grundzinsrechten und -pflichten sowohl jene, die sich aus
unveräußerlichem Besitz an Sachen und Menschen und aus persönlicher
Leibeigenschaft herleiten, als auch jene, die an ihre Stelle getreten
sind, entschädigungslos aufgehoben werden; alle übrigen Lasten werden
für ablösbar erklärt, die Summe sowie die Art und Weise der Ablösung
wird die Nationalversammlung festlegen. Die durch dieses Dekret nicht
aufgehobenen Abgaben sollen dessen ungeachtet bis zu ihrer Rückzahlung
weiter erhoben werden.
Art. 2. Das Sonderrecht, Taubenschläge und
Taubenhäuser zu halten, wird abgeschafft. Die Tauben werden zu von den
Gemeinderäten festgesetzten Zeiten eingesperrt; während dieses
Zeitraumes gelten sie als jagdbares Wild, und jeder hat das Recht sie
auf seinem Grund und Boden zu töten.
Art. 3. Ebenso wird das Sonderrecht der Jagd und
offenen Wildgehege abgeschafft. Jeder Eigentümer hat, jedoch nur auf
seinem Grund und Boden, das Recht, jede Art von Wild zu töten oder
töten
zu lassen, solange dies im Einklang mit etwaigen zur
öffentlichen Sicherheit erlassenen Polizeigesetzen geschieht.
Ebenso werden alle Jägermeistereien, auch die königlichen,
und alle Jagdreservate, gleichgültig, unter welchem Titel sie bestehen,
aufgelöst. Soweit es sich mit der schuldigen Achtung vor Eigentum und
Freiheit vereinbaren lässt, wird für die Erhaltung der privaten
Vergnügungen des Königs gesorgt werden.
Der Präsident wird beauftragt, den König um Begnadigung der
wegen einfachen Jagdfrevels zur Galeere oder Deportation Verurteilten,
Freilassung der aus solchen Gründen gegenwärtig in Haft Gehaltenen und
Einstellung der dieserhalb anhängigen Prozesse zu ersuchen.
Art. 4. Jede grundherrliche Rechtsprechung wird
entschädigungslos abgeschafft. Dessen ungeachtet sollen die Beamten
dieser Gerichte bis zur Einführung einer neuen Justizordnung durch die
Nationalversammlung ihre Funktionen weiter ausüben.
Art. 5. Alle - gleichgültig, unter welchem Rechtstitel
festgesetzten und erhobenen, auch durch Vorauszahlung abgegoltenen -
Zehnten oder dafür eintretenden Grundzinsabgaben, in deren Genuss
weltliche oder geistliche Körperschaften, Pfründeninhaber,
Kirchenvorstände und alle Einrichtungen der toten Hand, einschließlich
des Malteserordens und anderer religiöser und militärischer Orden,
kommen, wie auch die auf dem Ersatzweg oder für ein Jahrgehalt
käuflich in Laienhand übergegangenen, werden abgeschafft, mit dem
Vorbehalt, dass für die Mittel zur Bestreitung der Kosten für
Gottesdienst, Unterhalt der Priester, Armenpflege, Reparatur und
Wiederaufbau von Kirchen und Pfarrhäusern sowie für alle
Einrichtungen, Seminare, Schulen, Kollegiengebäude, Spitäler, Klöster
und andere Gebäude zu deren Unterhaltung diese Mittel gegenwärtig
bestimmt sind, anderweitig gesorgt wird.
Die Nationalversammlung befiehlt jedoch, dass in der
Zwischenzeit, bis dies geregelt ist und die alten Eigentümer in den
Genuss einer Entschädigung kommen, die obengenannten Zehnten nach den
Gesetzen und in der hergebrachten Weise weiter erhoben werden sollen.
Die übrigen Abgaben, gleichgültig welcher Natur, sind
ablösbar; die Modalitäten wird die Nationalversammlung festlegen. Bis
zu dieser Regelung ordnet die Nationalversammlung ebenfalls ihre
Weiterzahlung an.
Art. 6. Alle Formen ewigen Grundzinses, sei es in
Naturalien oder Geld, gleichgültig, welcher Art er ist, woher er seinen
Ursprung hat, wer sein Nutznießer ist: die Kirche, Gutsherren, sonstige
Privilegierte,
der Malteserorden, sollen ablösbar sein; desgleichen,
zu einer von der Nationalversammlung zu bestimmenden Taxe, die
Getreideabgaben (Champarts) jeder Art und jedes Titels. Es wird in
Zukunft verboten sein, irgendeinen nicht rückzahlbaren Grundzins
festzulegen.
Art. 7. Die Käuflichkeit der Gerichts- und
Magistratssämter ist ab sofort aufgehoben. Die Rechtsprechung soll
kostenlos erfolgen. Dessen ungeachtet sollen die jetzigen Amtsinhaber
weiter ihre Funktionen ausüben und ihr Gehalt beziehen, bis die
Nationalversammlung die Mittel zu ihrer Abfindung beschafft hat.
Art. 8. Die Nebeneinkünfte der Pfarrgeistlichen auf
dem Lande werden abgeschafft und ihre Zahlung wird eingestellt sobald
für die Erhöhung des Jahresgehaltes und die Pension der Pfarrverweser
gesorgt ist. Entsprechend wird eine Regelung für die finanzielle
Sicherstellung der Pfarrgeistlichen in den Städten getroffen werden.
Art. 9. Die finanziellen, persönlichen und materiellen
Privilegien in Gestalt von Subsidien werden für immer abgeschafft. Der
Besteuerung sollen alle Bürger und alle Vermögen, nach den gleichen
Grundsätzen und in der gleichen Weise, unterliegen. Es werden
Maßnahmen getroffen werden, um eine gerechte Verteilung sämtlicher
Steuerlasten bereits für die zweite Hälfte des laufenden Steuerjahres
durchzuführen.
Art. 10. Da eine nationale Verfassung und die
öffentliche Freiheit den Provinzen mehr Vorteile bringt als die
Privilegien, die einige bisher genossen, und da deren Opfer zu einer
engen Verbindung aller Teile des Staates unumgänglich ist, werden alle
besonderen Privilegien von Provinzen, Fürstentümern, Ländern,
Bezirken, Städten und Siedlungen, seien sie finanzieller oder sonstiger
Art, für unwiderruflich abgeschafft und in dem für alle Franzosen
gleichen gemeinsamen Recht aufgegangen erklärt.
Art. 11. Alle Bürger sollen, ohne Unterschied ihrer
Geburt, freien Zugang zu allen kirchlichen, zivilen und militärischen
Ämtern und Würden haben; niemand, der einem Erwerbsberuf nachgeht,
soll dadurch seines Adelsprädikates verlustig gehen.
Art. 12. In Zukunft soll an die römische Kurie, die
Vizelegation von Avignon und die Nuntiatur (=päpstliche Botschaft) von
Luzern kein Heller für Annaten (=Jahrgelder) oder irgendeinen anderen
Zweck abgeführt werden, sondern die Gläubigen einer Diözese sollen
sich wegen jeder Gewährung von Pfründen und Dispensen an ihre
Bischöfe wenden; die Gewährung soll, ungeachtet aller Vorbehalte,
päpstlicher Anwartschaftsbriefe und Gemeinschaftspfründen, umsonst
erfolgen, da alle Kirchen Frankreichs die gleiche Freiheit genießen
müssen.
Art. 13. Verfügungsrechte, Erbrechte beim Tod von
Geistlichen, Nachlassstiftungen, Vacat, Pachtzinsrechte, Peterspfennig
und andere derartige Einrichtungen, wie sie auch heißen mögen,
zugunsten von Bischöfen, Archidiakonen, Erzpriestern, Domkapiteln,
Pröpsten und allen anderen Geistlichen werden abgeschafft, mit der
Einschränkung, dass für eine angemessene Dotation der mit Einkünften
nicht genügend ausgestatteten Archidiakonate und Erzpriesterstellen
gesorgt wird.
Art. 14. Eine Häufung von Pfründen wird in Zukunft
nicht erlaubt sein, wenn die Einnahmen der Rechtsinhaber von einer oder
mehreren Pfründen die Summe von dreitausend Livres übersteigen. Ebenso
wenig wird es gestattet sein, mehrere Pfründenrenten oder eine Rente
und eine Pfründe zugleich zu besitzen, falls die Einkünfte aus
derartigem Besitz ebenfalls die Summe von dreitausend Livres
übersteigen.
Art. 15. Anhand der ihr vorzulegenden Liste über die
Höhe der Pensionen, Gnadengeschenke und festen Gehälter wird die
Nationalversammlung, im Einvernehmen mit dem König, darangehen,
diejenigen von ihnen, die auf keinem Verdienst beruhen, aufzuheben und
die übrigen, soweit sie das gewöhnliche Maß übersteigen, zu
reduzieren, vorbehaltlich einer für die Zukunft festzusetzenden Summe,
über die der König für derartige Zwecke frei verfügen kann.
Art. 16. Die Nationalversammlung ordnet an, dass zum
Gedächtnis dieser zum Wohle Frankreichs gefassten Beschlüsse eine
Medaille geprägt und in allen Pfarrgemeinden und Kirchen des
Königreiches zum Dank ein Tedeum gesungen werden soll.
Art. 17. Die Nationalversammlung erklärt König Ludwig
XVI. feierlich zum Wiederhersteller der französischen Freiheit.
Art. 18. Die Nationalversammlung wird sich in corpore
zum König begeben, um Seiner Majestät den eben gefassten Beschluss
vorzulegen, ihr ihre ehrerbietigste Dankbarkeit zu bezeugen und sie um
die Erlaubnis zu bitten, das Tedeum in der Königlichen Kapelle singen
zu lassen und selbst an ihm teilzunehmen.
Art.
19. Die Nationalversammlung wird unmittelbar nach Errichtung der
Verfassung die nötigen Gesetze für die Entwicklung der in vorliegendem
Beschluss verankerten Prinzipien erlassen. Den Beschluss sollen die
Abgeordneten, zusammen mit dem Dekret vom 10. dieses Monats, in alle
Provinzen schicken, um ihn dort drucken, veröffentlichen, auch von der
Kanzel predigen und überall, wo es nötig ist, anschlagen zu lassen.
aus:
Grab, W. (Hg.), die Französische Revolution. Eine Dokumentation, München
1973, S. 33-36
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