Das kapitalistische Wirtschaftssystem
ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht
gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur
eine Neuordnung von Grund auf erfolgen.
Inhalt und Ziel dieser sozialen und
wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und
Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine
gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und
Sozialverfasssung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen
entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den
inneren und äußeren Frieden sichert.
In dieser Erkenntnis hat das
Parteiprogramm der CDU vom März 1946 folgende Grundsätze aufgestellt:
Ziel aller Wirtschaft ist die
Bedarfsdeckung des Volkes.
Die Wirtschaft hat der Entfaltung der
schaffenden Kräfte des Volkes des Menschen und der Gemeinschaft zu dienen.
Ausgangspunkt aller Wirtschaft ist die Anerkennung der Persönlichkeit. Freiheit
der Person auf wirtschaftlichem und Freiheit auf politischem Gebiet hängen eng
zusammen. Die Gestaltung und Führung der Wirtschaft darf dem Einzelnen nicht
die Freiheit seiner Person nehmen. Daher ist notwendig:
Stärkung der wirtschaftlichen Stellung
und Freiheit des Einzelnen, Verhinderung der Zusammenballung wirtschaftlicher
Kräfte in der Hand von Einzelpersonen, von Gesellschaften, privaten oder
öffentlichen Organisationen, durch die die wirtschaftliche oder politische
Freiheit gefährdet werden könnte. Kohle ist das entscheidende Produkt der
gesamten deutschen Volkswirtschaft. Wir fordern die Vergesellschaftung der
Bergwerke.
Im Verfolg dieser Grundsätze ist
nunmehr von der CDU folgendes Programm für die Neuordnung der Wirtschaft
beschlossen worden (...)
II. Neue Struktur der deutschen
industriellen Wirtschaft.
Die neue Struktur der deutschen
Wirtschaft muss davon ausgehen, dass die Zeit der unumschränkten Herrschaft des
privaten Kapitalismus vorbei ist. Es muss aber ebenso vermieden werden, dass der
private Kapitalismus durch den Staatskapitalismus ersetzt wird, der noch
gefährlicher für die politische und wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen
sein würde. Es muss eine neue Struktur der Wirtschaft gesucht werden, die die
Mängel der Vergangenheit vermeidet und die Möglichkeit zu technischem
Fortschritt und zur schöpferischen Initiative des Einzelnen lässt.
1. Konzerne und ähnliche
wirtschaftliche Gebilde, die nicht technisch, sozial oder wirtschaftlich absolut
notwendig sind, sind zu entflechten und in selbstständige Einzelunternehmungen
zu überführen. Die technische Entwicklung verlangt bei gewissen Unternehmungen
eine bestimmte Mindestgröße, namentlich auch, um gegenüber dem Auslande
konkurrenzfähig zu sein. Diese Mindestgröße muss derartigen Unternehmungen
unbedingt belassen werden.
2. Unternehmungen monopolartigen
Charakters, Unternehmungen, die eine bestimmte Größe überschreiten müssen,
verleihen eine wirtschaftliche und damit eine politische Macht, die die Freiheit
im Staate gefährden kann. Dieser Gefahr muss dadurch vorgebeugt werden, dass
entsprechende Kartellgesetze erlassen werden. Darüber hinaus soll bei diesen
Unternehmungen das machtverteilende Prinzip eingeführt werden, damit jede mit
dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung wesentlicher Wirtschaftszweige durch
den Staat, Privatpersonen oder Gruppen ausgeschlossen wird.
a) Zu diesem Zweck sollen öffentliche
Körperschaften wie Staat, Land, Gemeinde, Gemeindeverbände, ferner
Genossenschaften und die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer an diesen
Unternehmungen beteiligt werden, der dringend notwendigen Unternehmerinitiative
ist der erforderliche Spielraum zu belassen.
b) Weiter soll bei solchen
Unternehmungen der private Aktienbesitz, der in einer Hand dem Eigentum oder dem
Stimmrecht nach vereinigt ist, in der Höhe gesetzlich begrenzt werden.
3. Bergbau. Monopolartigen Charakter
haben Kohlenbergwerke schlechthin wegen des von ihnen geförderten, für das
gesamte Volk lebenswichtigen Urprodukts. Daher ist die Anwendung der in Ziffer
II/2 aufgestellten Grundsätze auf sie vordringlich, sie sind somit zu
vergesellschaften. Wenn in besonderen Fällen die Form des Staatsbetriebes
zweckmäßiger erscheint, so sollen die vorstehenden Grundsätze der Anwendung
dieser Form nicht entgegenstehen. (...)
III. Neugestaltung des Verhältnisses
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Betriebe.
In den Betrieben, in denen wegen ihrer
Größe das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer nicht mehr auf
einer persönlichen Grundlage beruht, ist ein Mitbestimmungsrecht der
Arbeitnehmer an den grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen Planung und
sozialen Gestaltung sicherzustellen. Dies muss zunächst dadurch geschehen, dass
die Arbeitnehmer des Betriebes in den Aufsichtsorganen, z.B. im Aufsichtsrat des
Unternehmens, die ihnen zustehende Vertretung haben. Zu diesem Zwecke bedarf es
einer Reform des Gesellschaftsrechts. Insbesondere ist dem Aufsichtsrat eine
stärkere Stellung gegenüber der Verwaltung zu verleihen.
Bei Großbetrieben mit mehrköpfigem
Vorstand sollte Betriebsangehörigen, die in langjähriger
Betriebszugehörigkeit sich um den Betrieb verdient gemacht haben, Mitwirkung in
der Leitung des Unternehmens durch Berufung in den Vorstand gewährt werden. Die
Berufung erfolgt auf Vorschlag der Betriebsangehörigen, die dem Aufsichtsrat
mindestens drei Vorschläge zu unterbreiten haben.
Dem von der Belegschaft gewählten
Vorsitzenden des Betriebsrates ist Gelegenheit zur Mitwirkung in allen Fragen zu
geben, welche die sozialen Interessen der Betriebsangehörigen berühren.
Darüber hinaus hat die Betriebsleitung in jedem Fall dem Betriebsrat einmal
monatlich Bericht über die Lage des Unternehmens zu erstatten, und den
Betriebsangehörigen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung in diesen
Besprechungen zuzubilligen.
Durch geeignete Maßnahmen soll den
Arbeitnehmern eine Beteiligung am Ertrage gesichert werden. Die Formen dieser
Beteiligung können verschiedenartig sein und unterliegen besonderer
Vereinbarung.
IV. Planung und Lenkung der Wirtschaft
wird auf lange Zeit hinaus in
erheblichem Umfange notwendig sein, es ist aber ein Unterschied, ob die Planung
und Lenkung im Hinblick auf die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Lage
erfolgt oder von Fall zu Fall als notwendig betrachtet wird. Planung und Lenkung
wird auch in normalen Zeiten der Wirtschaft in gewissem Umfange notwendig sein,
was sich aus unserer Auffassung ergibt, dass die Wirtschaft der Bedarfsdeckung
des Volkes zu dienen hat.
Diese Planungs- und Lenkungsaufgaben
sollen von Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft in Wirtschaftskammern
vorgenommen werden. Ob diese Wirtschaftskammern identisch sein werden mit den
Industrie- und Handelskammern, ist eine Frage von sekundärer Bedeutung.
Notwendig ist auf jeden Fall, dass die breiten Massen der Arbeitnehmer und
Konsumenten an dieser Planung und Lenkung innerhalb der wirtschaftlichen
Selbstverwaltung neben den Unternehmern gleichberechtigt teilnehmen. In ihren
letzten Entscheidungen unterliegen auch die Selbstverwaltungskörperschaften der
parlamentarische Kontrolle.
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit
1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer
Schulbuch-Verlag, München 1980, S. 211/212)
Demonstrierende Arbeiter im Ruhrgebiet 1947
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