Bülow (Staatssek.Außenministerium) an Hatzfeld (Botschaft in London) 
geheim 30. März 1898 

 



Ew. Exzellenz stelle ich anheim, Herrn Chamberlain mit meinem Dank für seine vertrauensvollen Eröffnungen etwa das Folgende zu sagen, was ihm beweisen wird, daß auch wir zu seiner persönlichen Zuverlässigkeit und Diskretion volles Vertrauen haben.

Herr Chamberlain wünscht den bedrohten englischen Frieden dadurch zu erhalten, daß England im Bunde mit Deutschland stärker wird als Englands Gegner und letztere zwingt, ihre gegen England gerichteten feindlichen Absichten aufzugeben. Der schwache Punkt eines solchen englischdeutschen Vertrages würde aber der sein, daß jede solche Abmachung nur die jeweilige englische Regierung binden würde. Wenn also die Feinde der deutschenglischen Gruppe nach dem uralten Grundsatz der Horatier ihre Gegner einzeln bekämpfen wollten und zunächst über Deutschland herfielen, so muß ich allerdings sagen, daß mir vorläufig der Glaube fehlt, als würde der englische Verbündete in diesem Falle uns tatkräftig beispringen. Dem bisherigen Geiste der englischen Politik würde es vielmehr entsprechen, die Regierung, welche sich uns gegenüber durch einen Bündnisvertrag verpflichtet hat, einfach niederzustimmen und ihr eine Nachfolgerin zu geben, welche, der eben erteilten Warnung eingedenk, sich im Einklang mit der öffentlichen Meinung auf die altgewohnte Zuschauerrolle beschränken würde. Durch dieses Prozedere einer parlamentarischen Abstimmung ist England in der Lage, jeden unbequemen auswärtigen Vertrag im psychologischen Augenblick zu desavouieren, und im Hinblick auf diese stets offene Hintertür wird schwerlich ein deutscher Staatsmann, wie groß auch seine Sympathien für England sein mögen, und wie sehr er überzeugt sein mag, daß der Fortbestand von Englands Macht für die Erhaltung des Gleichgewichts auf dem Erdball notwendig ist, die Verantwortung für die Folgen auf sich nehmen wollen, welche ein im Hinblick auf zukünftige Ereignisse abgeschlossener deutschenglischer Vertrag für Deutschland in Aussicht stellt ...