Bodenreform in Sachsen: Verordnung der Provinz Sachsen vom 3. September 1945 

 

 

Artikel 1

1.        Die demokratische Bodenreform ist eine unaufschiebbare nationale, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit. Die Bodenreform muss die Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes gewährleisten und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer im Dorfe ein Ende bereiten, weil diese Herrschaft immer eine Bastion der Reaktion und des Faschismus in unserem Lande darstellte und eine der Hauptquellen der Aggression und der Eroberungskriege gegen andere Völker war. Durch die Bodenreform soll der jahrhundertealte Traum der landlosen und landarmen Bauern von der Übergabe des Großgrundbesitzes in ihre Hände erfüllt werden. Somit ist die Bodenreform die wichtigste Voraussetzung der demokratischen Umgestaltung und des wirtschaftlichen Aufstieges unseres Landes. Der Grundbesitz soll sich in unserer deutschen Heimat auf feste, gesunde und produktive Bauernwirtschaften stützen, die Privateigentum ihres Besitzers sind.

2.        Das Ziel der Bodenreform ist:

a)     das Ackerland der bereits bestehenden Bauernhöfe unter 5 Hektar zu vergrößern;

b)    neue, selbständige Bauernwirtschaften für landlose Bauern, Landarbeiter und kleine Pächter zu schaffen;

c)     an Umsiedler und Flüchtlinge, die durch die räuberische hitlersche Kriegspolitik ihr Hab und Gut verloren haben, Land zu geben;

d)    zur Versorgung der Arbeiter, Angestellten und Handwerker mit Fleisch- und Milchprodukten in der Nähe der Städte Wirtschaften zu schaffen, die der Stadtverwaltung unterstehen, sowie den Arbeitern und Angestellten zum Zwecke des Gemüseanbaus kleine Grundstücke (Parzellen) zur Verfügung zu stellen;

e)     die bestehenden Wirtschaften, die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und Experimentalzwecken bei landwirtschaftlichen Lehranstalten sowie anderen staatlichen Erfordernissen dienen, zu erhalten und neue zu organisieren.

 

Artikel 2

1.        Zur Durchführung dieser Maßnahmen wird ein Bodenfonds aus dem Grundbesitz gebildet, der unter den Ziffern 2, 3 und 4 dieses Artikels angeführt ist.

2.        Folgender Grundbesitz wird mit allen darauf befindlichen Gebäuden, lebendem und totem Inventar und anderem landwirtschaftlichen Vermögen, unabhängig von der Größe der Wirtschaft, enteignet:

a)     der Grundbesitz der Kriegsverbrecher und Kriegsschuldigen mit allem darauf befindlichen landwirtschaftlichen Vermögen;

b)    der Grundbesitz mit allen drauf befindlichen landwirtschaftlichen Vermögen, der den Naziführern und den aktiven Verfechtern der Nazipartei und ihrer Gliederungen sowie den führenden Personen des Hitlerstaates gehörte, darunter allen Personen, die in der Periode der Naziherrschaft Mitglieder der Reichsregierung und des Reichstages waren.

1.        Gleichfalls wird er gesamte feudal-junkerliche Boden und Großgrundbesitz über 100 Hektar mit allen Bauten, lebendem und totem Inventar und anderem landwirtschaftlichen Vermögen enteignet.

2.        Der dem Staat gehörende Grundbesitz wird ebenfalls in den Bodenfonds der Bodenreform einbezogen, soweit er nicht für die Zwecke verwandt wird, die unter der nachfolgenden Ziffer 5 dieses Artikels angeführt sind.

3.        Folgender Grundbesitz und folgendes landwirtschaftliche Vermögen unterliegen nicht der Enteignung:

a)     der Boden der landwirtschaftlichen und wissenschaftlichen Forschungsinstitutionen, der Versuchsanstalten und Lehranstalten;

b)    der Boden, der den Stadtverwaltungen gehört und für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse zur Versorgung der Stadtbevölkerung benötigt wird;

c)     Gemeindeland und Grundbesitz der landwirtschaftlichen Genossenschaften und Schulen;

d)    Der Grundbesitz der Klöster, kirchlichen Institutionen, Kirchen und Bistümer (...)

(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit 1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer Schulbuch-Verlag, München 1980, S. 293/94)