Britisch-russischer Vertrag über Asien

Russisch-britische Konvention zwischen Großbritannien und Rußland vom 31. August 1907:

 

Seine Majestät der Selbstherrscher aller Reußen und Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland... beseelt von dem aufrichtigen Wunsch zu einer Verständigung über verschiedene Fragen zu gelangen, die die Interessen ihrer Länder auf dem asiatischen Kontinent berühren, haben beschlossen, Bedingungen zu vereinbaren, um jedweden Möglichkeiten von Mißverständnissen zwischen Rußland und England vorzubeugen... 
Das Einvernehmen, Persien betreffend 
Indem die Regierungen Rußlands und Großbritanniens gegenseitig übereingekommen sind, die Unabhängigkeit Persiens zu achten, und den aufrichtigen Wunsch haben, die Ordnung auf dem ganzen Gebiet dieses Landes zu wahren und seine friedliche Entwicklung zu fördern, sowie ferner gleiche Bedingungen für Handel und Industrie in diesem Lande für alle anderen Nationen zu schaffen, indem sie in Betracht ziehen, daß jeder von ihnen nach geographischen und ökonomischen Prinzipien sein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Ordnung in einigen Provinzen Persiens hat, die an der russischen Grenze einerseits und an den Grenzen Afghanistans und Belutschistans andererseits liegen, und indem sie sich von dem Wunsche leiten lassen, alles zu vermeiden, was zu einem Konflikt ihrer persönlichen Interessen in den Provinzen Persiens führen könnte, haben sie sich auf das Nachfolgende geeinigt: 
I. Großbritannien verpflichtet sich, erstens keine Konzessionen politischen oder kommerziellen Charakters – als da sind Konzessionen, die den Bau von Eisenbahnen, Banken, Telegraphen, Wege, Transport- und Versicherungswesen usw. betreffen – weder für sich zu fordern, noch zum Nutzen von großbritannischen Untertanen zu erstreben, und zwar nördlich einer Linie, die von Kasri-Schirir durch Ispahan, Jezd, Kakch verläuft und am Punkt des Zusammentreffens der russischen und afghanischen Grenze endet, und zweitens Konzessionsforderungen, die in diesem Rayon von Rußland unterstützt werden, keine Hindernisse in den Weg zu legen... 
II. Rußland seinerseits verpflichtet sich, erstens keinerlei Konzessionen politischen oder kommerziellen Charakters... weder für sich zu fordern, noch diesbezügliche Gesuche russischer Untertanen oder Untertanen anderer Länder zu unterstützen, und zwar südlich einer Linie, die von der afghanischen Grenze über Gazik, Birdshan, Kerman verläuft und bei Bender-Abbas endet, und zweitens Gesuchen, die derartige Konzessionen in diesen Gebieten betreffen und von der großbritannischen Regierung unterstützt werden, kein Hindernis in den Weg zu legen... 
III. Rußland verpflichtet sich, der Erteilung von Konzessionen an britische Untertanen in den Gebieten Persiens, die zwischen den in Punkt I und II erwähnten Linien liegen, keine Hindernisse in den Weg zu legen, ohne vorher in Verhandlungen mit England zu treten. Großbritannien übernimmt eine gleiche Verpflichtung bezüglich der Erteilung jeglicher Art Konzessionen an russische Untertanen in denselben Gebieten Persiens. 
Alle Konzessionen, die gegenwärtig in den bezeichneten Gebieten bestehen, bleiben erhalten... 
Konvention, betreffend Afghanistan 
Die Hohen Vertragschließenden Parteien, vom Wunsche getragen, völlige Ordnung an ihren betreffenden Grenzen in Zentralasien herzustellen und einen langen, dauernden Frieden aufrechtzuerhalten, sind zu folgender Konvention gelangt. 
I. Die Regierung Seiner Britischen Majestät erklärt, daß sie nicht die Absicht hat, die politische Lage Afghanistans zu ändern. Die Regierung Seiner Britischen Majestät verpflichtet sich, ihren Einfluß in Afghanistan anzuwenden und auch Afghanistan nicht zur Ergreifung von Maßnahmen anzuregen, die Rußland bedrohen könnten. Seinerseits erklärt die Kaiserlich russische Regierung, daß sie Afghanistan für außerhalb der russischen Einflußsphäre gelegen erachtet, und sie verpflichtet sich, in dem gesamten politischen Verkehr mit Afghanistan die Vermittlung der Regierung Seiner Britischen Majestät anzurufen; sie verpflichtet sich ferner, keinerlei Agenten nach Afghanistan zu senden. 
II. ... Großbritannien verpflichtet sich, ... Teile von Afghanistan nicht zu annektieren oder zu okkupieren und sich in die inneren Angelegenheiten dieses Landes nicht einzumischen... 
IV. Die Regierungen Rußlands und Großbritanniens erklären, daß sie bezüglich des Handels in Afghanistan den Grundsatz der vertraglichen Gleichberechtigung anerkennen... 
Verfügungen, Tibet betreffend 
Indem die Regierungen Rußlands und Großbritanniens die Hoheitsrechte Chinas in Tibet anerkennen, stellen sie in Anbetracht seiner geographischen Lage fest, daß Großbritannien besonders daran interessiert ist, daß das bestehende Regime der auswärtigen Beziehungen Tibets unbedingt bewahrt werde; sie haben daher folgenden Vertrag abgeschlossen. 
I. Beide Hohen Vertragschließenden Parteien verpflichten sich, die Integrität des tibetanischen Territoriums zu wahren und sich jeder Einmischung in die innere Verwaltung Tibets zu enthalten. 
II. Sich dem anerkannten Prinzip des Hoheitsrechts Chinas über Tibet anpassend, verpflichten sich sowohl Rußland als Großbritannien, mit Tibet nicht anders als durch die Vermittlung Chinas in Beziehung zu treten... 
Natürlich können die Buddhisten, sowohl russischer als englischer Staatsangehörigkeit, auf ausschließlich religiösem Gebiet in unmittelbare Beziehungen zum Dalai-Lama und anderen Vertretern des Buddhismus in Tibet treten. Die Regierungen Rußlands und Großbritanniens verpflichten sich, soweit es von ihnen abhängen wird, nicht zuzulassen, daß durch diese Beziehungen die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages verletzt werden. 
III. Die Regierungen Rußlands und Großbritanniens übernehmen die gegenseitige Verpflichtung, keine Vertreter nach Lhasa zu senden. 
IV. Beide Hohen Parteien verpflichten sich, weder für sich selbst, noch zugunsten ihrer Untertanen, Konzessionen für den Bau von Eisenbahnen, Straßen, Telegraphen, für Bergwerke oder andere Rechte in Tibet zu erwerben. ...