|
am 9. Februar 1912 in
Glasgow (Erster Lord der britischen Admiralität)
Der Daseinszweck der britischen Motte gilt in
erster Linie der Verteidigung. Wir denken nicht daran, irgend jemand
anzugreifen, haben niemals daran gedacht und trauen dies auch keiner
anderen Großmacht zu. Es besteht jedoch ein großer Unterschied
zwischen der Flotte Großbritanniens und der eines anderen großen
Reiches, zu dem wir in freundschaftlichen Beziehungen stehen - und ich
vertraue fest darauf, daß es noch lange das große, uns freundlich
gesinnte Reich bleiben wird -, nämlich Deutschlands. Die Flotte ist
für Großbritannien eine Notwendigkeit, während sie für Deutschland
in vieler Hinsicht nur einen Luxus bedeutet. Unsere Seemacht ist für
das Dasein Großbritanniens von größter Wichtigkeit, ja, sie bedeutet
unsere Existenz selbst; für Deutschland ist sie ein überflüssiger
Kraftzuwachs. Wir können nicht den Frieden auch nur eines einzigen
Dorfes auf dem Festland bedrohen, gleichviel wie groß und vollkommen
unsere Flotte auch sein mag, andererseits würde Hab und Gut unseres
Volkes und Reiches, all das, was wir mit großen Opfern und vielem
Fleiß durch die Jahrhunderte hindurch zusammengetragen haben, versinken
und vergehen, wenn uns unsere Vorherrschaft zur See genommen würde.
England ist eine Großmacht durch seine Flotte, Deutschland aber war in
der ganzen Welt angesehen und geachtet, bevor es auch nur ein einziges
Schiff besaß ...
Unsere Reserven, sowohl in der königlichen Marine
wie in der Handelsmarine, bedeuten eine große Hilfsquelle, und dieses
Inselreich war niemals um seebefahrene und abgehärtete Männer, die von
ihrer Kindheit an für den Dienst auf See erzogen wurden, verlegen, und
wird es auch niemals sein. Was auch draußen geschehen mag, wir werden
nicht klagen, werden weder Trübsal blasen noch um Hilfe rufen, sondern,
unserer Vorfahren würdig, der Zukunft ruhig, ohne Anmaßung, aber mit
fester; unbeugsamer Entschlossenheit entgegensehen. Wir wären die
ersten, die eine Verlangsamung oder eine Einschränkung der Rüstungen
zur See begrüßen würden und jede Maßnahme dieser Art nicht durch
Worte, sondern durch Taten unterstützen ... Wenn die Flotten der
europäischen Länder vergrößert werden, so wird es uns nicht schwer
fallen, dem so die Spitze zu bieten, daß das Land beruhigt sein kann.
Wenn das Wettrüsten zur See fortgesetzt wird, werden wir nicht nur die
Zahl unserer Schiffe, die wir bauen müssen, vermehren, sondern das
Verhältnis in Betracht ziehen müssen, das unsere Flottenmacht anderen
Großmächten gegenüber aufweist, so daß unsere Vorherrschaft zur See
immer größer und nicht kleiner wird, je größere Anstrengungen von
anderer Seite gemacht werden. Auf diese Art wird es den anderen
Seemächten klar werden, daß sie, anstatt uns durch erhöhte
Anstrengungen zu überholen, infolge der von uns getroffenen Maßnahmen
immer mehr ins Hintertreffen geraten.
W. S. Churchill: Weltkrisis, Bd. 1, Leipzig 1924,
S. 83f.
|