Gesetz über die Hitler-Jugend (1936)
"Von der Jugend hängt die
Zukunft des deutschen Volkes ab. Die gesamte Jugend muss deshalb auf
ihre künftigen Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat
daher ... beschlossen ...:
§ 1 Die gesamte Jugend
innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitler-Jugend zusammengefasst.
§ 2 Die gesamte deutsche Jugend
ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitler-Jugend körperlich,
geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am
Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.
§ 3 Die Aufgabe der Erziehung
der gesamten deutschen Jugend in der Hitler-Jugend wird dem
Reichsjugendführer der NSDAP übertragen. Er ist damit "Jugendführer
des Deutschen Reiches" ... und dem Führer und Reichskanzler
unmittelbar unterstellt.
§ 4 Die zur Durchführung und
Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und
allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlässt der Führer und
Reichskanzler.
Berlin, den 1. Dezember 1936
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Staatssekretär und Chef der
Reichskanzlei Dr. Lammers"
zit.
nach: Praxis Geschichte 3/1994, S. 44
Eine "Befehlsverweigerung" führt zum
Ausschluss aus der HJ
Autobiografischer Bericht von
Karl-Heinz Schnibbe (geb. 5. Januar 1924), einem Mitglied der
"Helmuth Hübener-Gruppe" in Hamburg. Schnibbe wurde 1942 vom
Volksgerichtshof zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe wegen
"Hochverrats" und "landesverrätersicher Feindberührung"
verurteilt:
"Allerdings nachher,
als ich in die Hitlerjugend überschrieben wurde, hatte ich keine Lust
mehr. Da war ich schon ein wenig reifer geworden, und jetzt gefiel mir
der Druck und der Zwang nicht mehr so. Zuerst ging es vielleicht noch,
aber dann passte mir die Schreierei und das Kommandieren nicht mehr.
Irgendwie war ich wohl doch eine freiere Seele und einfach dagegen, dass
man mich zwingen wollte, mich da in den Dreck zu werfen.
Ich habe auch keine HJ-Uniform
gehabt, weil meine Eltern mir keine gekauft haben. Sie haben immer
gesagt: "Wenn die euch drin haben wollen, dann sollen die euch auch
eine Uniform kaufen." Die HJ-Führung hat das zwar dann für mich
gemacht, aber trotzdem habe ich die Uniform nicht angezogen. Sooft ich
zum Dienst musste, kam ich in Zivil. "Wo ist deine Uniform?" -
"Die ist in der Wäsche!" Die wurde immer gewaschen. Ich habe
sie nie angezogen.
Manchmal, wenn ich wieder nicht
zum Dienst erschienen war, kam der Hitler-Jugendführer zu meinem Vater
und hat gefragt: "Wo ist denn Karl-Heinz? Warum kommt er nicht zum
Dienst?" Und mein Vater hat dann immer voller Empörung gesagt:
"Na, das ist ja unerhört! Mit dem werden wir mal ein Wörtchen
reden! So was gibt es ja nicht! Der muss doch zum Dienst kommen!"
Und ich stand hinter der Tür und hab' mich halb totgelacht ...
Einmal tauchte ich wieder hübsch
in Zivil beim Dienst in unserem Hitler-Jugendheim in der Reißmühle
auf. Alle waren in Uniform und mit blank geputzten Stiefeln da, und
unserem Scharführer passte es nicht, dass meine Uniform schon wieder
gewaschen wurde ... Ein Wort gab das andere, und schließlich habe ich
ihm eine geschoben. Und dann noch eine. Am Ende hab ich ihn vor all den
anderen verprügelt. Ich war wohl ein wenig größer als er, und ich war
fürchterlich in Fahrt und sagte ihm, er könne mich am Arsch lecken,
und dann bin ich nach Hause gegangen.
Ein paar Wochen später kriegte
ich ein Schreiben vom Gebietsführer und musste zu einer
Ehrenverhandlung. Man legte keinen Wert mehr auf meine Mitgliedschaft.
Ich wurde reingerufen und sie haben mir vorgelesen, dass ich wegen
Befehlsverweigerung aus der Hitler-Jugend ausgeschlossen würde ... Was
ich natürlich nicht ahnte, war, dass die Gestapo mir später diese
Episode übel nehmen und vorhalten würde."
aus:
K.-H. Schnibbe, Jugendliche gegen Hitler, Die Hellmuth Hübener
Gruppe in Hamburg 1941/42, Berg am See 1991, S. 22-24; zit. nach: Praxis
Geschichte 3/1994, S. 42
Erich Dressler: Hitler-Jungen gegen die Lehrer
Das Paulsen-Realgymnasium war
ein ganz altmodischer Kasten. Für Führerparolen wie "Die Schulung
des Charakters ist wichtiger als die Schulung des Geistes" hatten
die Lehrer kein Verständnis. Sie löcherten uns mit Latein und
Griechisch, anstatt uns Sachen beizubringen, die wir später gebrauchen
konnten. Wir waren entschlossen, uns nicht von ihren überholten
Ansichten beeinflussen zu lassen und sagten ihnen das ins Gesicht. Sie
sagten zwar nichts dazu, denn sie hatten, glaube ich, ein bisschen Angst
vor uns, aber sie änderten auch nicht ihre Lehrmethoden. So waren wir
gezwungen, uns zu wehren.
Das war ziemlich einfach. Gab
uns unser Lateinlehrer einen endlosen Abschnitt aus Cäsar auf, so übersetzten
wir einfach nicht und entschuldigten uns damit, dass wir am Nachmittag
Dienst in der Hitler-Jugend gehabt hätten.
Einmal nahm einer von den alten
Knackern allen Mut zusammen und protestierte dagegen. Das wurde sofort
dem Gruppenführer gemeldet, der zum Rektor ging und dafür sorgte, dass
dieser Lehrer entlassen wurde. Der Gruppenführer war erst sechzehn,
aber als Hitler-Jugendführer konnte er nicht dulden, dass wir an der
Ausübung unseres Dienstes, der viel wichtiger als unsere Schulaufgaben
war, gehindert wurden. Von dem Tag an war die Frage der Hausaufgaben
geklärt. Hatten wir keine Lust dazu, dann waren wir eben "im
Dienst" gewesen, und kein Mensch wagte, irgendetwas dagegen zu
sagen.
nach: Geschichtliche
Weltkunde - Quellenlesebuch III, S. 140 f.
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