|
Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen
Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom
31. August 1990 Auszug
"Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische
Republik -
ENTSCHLOSSEN, die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit als
gleichberechtigtes Glied der Völkergemeinschaft in freier
Selbstbestimmung zu vollenden,
AUSGEHEND VON DEM WUNSCH der Menschen in beiden Teilen Deutschlands,
gemeinsam in Frieden und Freiheit in einem rechtsstaatlich geordneten,
demokratischen und sozialen Bundesstaat zu leben,
IN DANKBAREM RESPEKT vor denen, die auf friedliche Weise der Freiheit zum
Durchbruch verholfen haben, die an der Aufgabe der Herstellung der Einheit
Deutschlands unbeirrt festgehalten haben und sie vollenden,
IM BEWUSSTSEIN der Kontinuität deutscher Geschichte und eingedenk der
sich aus unserer Vergangenheit ergebenden besonderen Verantwortung für
eine demokratische Entwicklung in Deutschland, die der Achtung der
Menschenrechte und dem Frieden verpflichtet bleibt,
IN DEM BESTREBEN, durch die deutsche Einheit einen Beitrag zur Einigung
Europas und zum Aufbau einer europäischen Friedensordnung zu leisten, in
der Grenzen nicht mehr trennen und die allen europäischen Völkern ein
vertrauensvolles Zusammenleben gewährleistet,
IN DEM BEWUSSTSEIN, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und der
territorialen Integrität und Souveränität aller Staaten in Europa in
ihren Grenzen eine grundlegende Bedingung für den Frieden ist -
SIND ÜBEREINGEKOMMEN, einen Vertrag über die Herstellung der Einheit
Deutschlands mit den nachfolgenden Bestimmungen zu schließen:
Kapitel I
Wirkung des Beitritts
[...]Artikel 2
Hauptstadt, Tag der Deutschen Einheit
(1) Hauptstadt Deutschlands ist Berlin. Die Frage des Sitzes von Parlament
und Regierung wird nach der Herstellung der Einheit Deutschlands
entschieden.
(2) Der 3. Oktober ist als der Tag der Deutschen Einheit gesetzlicher
Feiertag.
Kapitel II
Grundgesetz
Artikel 3
Inkrafttreten des Grundgesetzes
Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III,
Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481), in den Ländern
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt, mit den
sich aus Artikel 4 ergebenden Änderungen in Kraft, soweit in diesem
Vertrag nichts anderes bestimmt ist.
[...]
Kapitel III
Rechtsangleichung
[...]Artikel 10
Recht der Europäischen Gemeinschaft
(1) Mit dem Wirksamwerden des Beitritts gelten in dem in Artikel 3
genannten Gebiet die Verträge über die Europäischen Gemeinschaften
nebst Änderungen und Ergänzungen sowie die internationalen
Vereinbarungen, Verträge und Beschlüsse, die in Verbindung mit diesen
Verträgen in Kraft getreten sind.
(2) Die auf der Grundlage der Verträge über die Europäischen
Gemeinschaften ergangenen Rechtsakte gelten mit dem Wirksamwerden des
Beitritts in dem in Artikel 3 genannten Gebiet, soweit nicht die zuständigen
Organe der Europäischen Gemeinschaften Ausnahmeregelungen erlassen. Diese
Ausnahmeregelungen sollen den verwaltungsmäßigen Bedürfnissen Rechnung
tragen und der Vermeidung wirtschaftlicher Schwierigkeiten dienen.
(3) Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, deren Umsetzung oder Ausführung
in die Zuständigkeit der Länder fällt, sind von diesen durch
landesrechtliche Vorschriften umzusetzen oder auszufahren.
Kapitel IV
Völkerrechtliche Verträge und Vereinbarungen
Artikel 11
Vertrage der Bundesrepublik Deutschland
Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß völkerrechtliche Verträge und
Vereinbarungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei
angehört, einschließlich solcher Verträge, die Mitgliedschaften in
internationalen Organisationen oder Institutionen begründen, ihre Gültigkeit
behalten und die daraus folgenden Rechte und Verpflichtungen sich mit
Ausnahme der in Anlage I genannten Verträge auch auf das in Artikel 3
genannte Gebiet beziehen. Soweit im Einzelfall Anpassungen erforderlich
werden, wird sich die gesamtdeutsche Regierung mit den jeweiligen
Vertragspartnern ins Benehmen setzen.
Artikel 12
Verträge der Deutschen Demokratischen Republik
(1) Die Vertragsparteien sind sich einig, daß die völkerrechtlichen
Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im Zuge der Herstellung
der Einheit Deutschlands unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes,
der Interessenlage der beteiligten Staaten und der vertraglichen
Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland sowie nach den Prinzipien
einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung
und unter Beachtung der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften
mit den Vertragspartnern der Deutschen Demokratischen Republik zu erörtern
sind, um ihre Fortgeltung, Anpassung oder ihr Erlöschen zu regeln,
beziehungsweise festzustellen.
(2) Das vereinte Deutschland legt seine Haltung zum Übergang völkerrechtlicher
Verträge der Deutschen Demokratischen Republik nach Konsultationen mit
den jeweiligen Vertragspartnern und mit den Europäischen Gemeinschaften,
soweit deren Zuständigkeiten berührt sind, fest.
(3) Beabsichtigt das vereinte Deutschland, in internationale
Organisationen oder in sonstige mehrseitige Verträge einzutreten, denen
die Deutsche Demokratische Republik, nicht aber die Bundesrepublik
Deutschland angehört, so wird Einvernehmen mit den jeweiligen
Vertragspartnern und mit den Europäischen Gemeinschaften, soweit deren
Zuständigkeiten berührt sind, hergestellt.
[...]
Kapitel VI
Öffentliches Vermögen und Schulden [...]Artikel 29
Außenwirtschaftsbeziehungen
(1) Die gewachsenen außenwirtschaftlichen Beziehungen der Deutschen
Demokratischen Republik, insbesondere die bestehenden vertraglichen
Verpflichtungen gegenüber den Ländern des Rates für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe, genießen Vertrauensschutz. Sie werden unter Berücksichtigung
der Interessen aller Beteiligten und unter Beachtung marktwirtschaftlicher
Grundsätze sowie der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften
fortentwickelt und ausgebaut.
Die gesamtdeutsche Regierung wird dafür Sorge tragen, daß diese
Beziehungen im Rahmen der fachlichen Zuständigkeit organisatorisch
angemessen geregelt werden. (2) Die Bundesregierung beziehungsweise die
gesamtdeutsche Regierung wird sich mit den zuständigen Organen der Europäischen
Gemeinschaften darüber abstimmen, welche Ausnahmeregelungen für eine Übergangszeit
auf dem Gebiet des Außenhandels im Hinblick auf Absatz 1 erforderlich
sind.
Kapitel VII
Arbeit, Soziales, Familie, Frauen, Gesundheitswesen und Umweltschutz [...]Artikel
34
Umweltschutz
(1) Ausgehend von der in Artikel 16 des Vertrags vom 18. Mai 1990 in
Verbindung mit dem Umweltrahmengesetz der Deutschen Demokratischen
Republik vom 29. Juni 1990 (GBI. I Nr. 42 S. 649) begründeten deutschen
Umweltunion ist es Aufgabe der Gesetzgeber, die natürlichen
Lebensgrundlagen des Menschen unter Beachtung des Vorsorge-, Verursacher-
und Kooperationsprinzips zu schützen und die Einheitlichkeit der ökologischen
Lebensverhältnisse auf hohem, mindestens jedoch dem in der Bundesrepublik
Deutschland erreichten Niveau zu fördern.
(2) Zur Förderung des in Absatz 1 genannten Ziels sind im Rahmen der
grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen ökologische Sanierungs- und
Entwicklungsprogramme für das in Artikel 3 genannte Gebiet aufzustellen.
Vorrangig sind Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der
Bevölkerung vorzusehen.
[...]
Kapitel IX
Übergangs- und Schlußbestimmungen [...]Artikel 45
Inkrafttreten des Vertrags
(1) Dieser Vertrag einschließlich des anliegenden Protokolls und der
Anlagen I bis III tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Regierungen der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
einander mitgeteilt haben, daß die erforderlichen innerstaatlichen
Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind.
(2) Der Vertrag bleibt nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht
geltendes Recht.
Geschehen zu Berlin am 31. August 1990 in zwei Urschriften in deutscher
Sprache.
Für die Bundesrepublik Deutschland
Dr. Wolfgang Schäuble
Für die Deutsche Demokratische Republik
Dr. Günther Krause
Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung
vom 6. September 1990, Nr. 104, S. 877-888
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Vertragsarchiv
|