|
Der Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes Graf Herbert von Bismarck an den Reichskanzler Fürsten von
Bismarck Geheim
London, den 22. März 1889
... Mit Salisbury habe ich 1/4
Stunden gesprochen in dem hergebrachten vertraulichen Tone: ...
... Von der joint naval demonstration
kamen wir auf deren Rückwirkung auf Amerika und Frankreich, auf unsere
gegenseitigen Beziehungen zu letzterem und schließlich auf die Möglichkeit
einer geheimen oder öffentlichen deutschenglischen Allianz zu sprechen.
Lord Salisbury stimmte mit mir durchaus überein, daß eine solche das
Heilsamste für beide Länder und für den europäischen Frieden sein würde.
Er habe mit Lord Hartington und seinen Kollegen darüber gesprochen,
welche sämtlich seine Ansicht geteilt hätten, die Ausführung der Idee
aber für inopportun erklärten, weil die parlamentarische Majorität
darüber in die Brüche gehen, mithin das Ministerium gestürzt werden würde.
Der Lord setzte hinzu: "Leider
leben wir nicht mehr in den Zeiten Pitts, damals regierte hier die
Aristokratie, und wir konnten eine aktive Politik treiben, welche
England nach dem Wiener Kongreß zur reichsten und angesehensten europäischen
Macht gemacht hatte. Jetzt herrscht die Demokratie, und mit ihr ist persönliches
und Parteiregiment eingezogen, welches jede englische Regierung in
unbedingte Abhängigkeit von der aura popularis gebracht hat. This
generation can only be taught by events. " Ich mußte dem Lord
leider recht geben und erwiderte: "Wir waren darauf gefaßt, daß
Sie uns keine definitive Antwort würden geben können, und Sie wissen,
daß das unsere guten Beziehungen nicht im geringsten beeinflußt.
Da ein englischdeutsches Bündnis an
sich aber vernünftig wäre, und da Sie hier niemals initiativ ein
solches anbieten können, so sehr Sie es auch wünschen mögen, so hat
der Reichskanzler es für seine Pflicht gehalten, die allerhöchste
Genehmigung zu erbitten, um die Sache wenigstens anzuregen." Lord
Salisbury erklärte hierzu, er sei sehr dankbar für diese Anregung und
er hoffe, daß er noch Zeitumstände erleben würde, welche ihm
gestatteten, darauf praktisch einzugehen. "Meanwhile we leave it on
the table, without saying yes or no: that is unfortunately all 1 can do
at present."
Ich bemerkte noch, wir hätten
England diesen Anknüpfungspunkt geben wollen, um unsere
Verantwortlichkeit in der großen Politik zu decken.
Es könnte nach Jahr und Tag sich
eine Konstellation ergeben, in der Frankreich unsere Neutralität
nachsuchte, um sich mit England zu messen, und wobei gleichzeitig
letzteres ein Kompensationsobjekt nach Rußland hin abgeben könnte. Müßte
man bei uns dann die Überzeugung gewinnen, daß wir auf England doch
niemals rechnen könnten, so würde England möglicherweise allein
bleiben und die pots cassés zu bezahlen haben.
Lord Salisbury meinte, dies habe er
sich schon längst gesagt, und er sei deshalb um so mehr betrübt, daß
der Parlamentarismus seine Regierung zu solcher Impotenz verdamme.
Einstweilen könne er nichts tun, als möglichst demonstrativ mit uns
Hand in Hand zu gehen, und er sei sehr froh zu hören, daß wir seine
Situation verständen und von ihm gegenwärtig weiter nichts verlangten.
Die große Politik. Bd. 4, S. 404f.
|