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Bremerhaven, 27. Juli 1900
"Große überseeische Aufgaben sind es, die dem neu entstandenen
Deutschen Reiche zugefallen sind, Aufgaben weit größer, als viele Meiner
Landsleute es erwartet haben. Das Deutsche Reich hat seinem Charakter nach die
Verpflichtung, seinen Bürgern, wofern diese im Ausland bedrängt werden,
beizustehen. Die Aufgaben, welche das alte Römische Reich deutscher Nation
nicht hat lösen können, ist das neue Deutsche Reich in der Lage zu lösen. Das
Mittel, das ihm dies ermöglicht, ist unser Heer.
In dreißigjähriger treuer Friedensarbeit ist es herangebildet worden nach
den Grundsätzen Meines verewigten Großvaters. Auch ihr habt eure Ausbildung
nach diesen Grundsätzen erhalten und sollt nun vor dem Feinde die Probe
ablegen, ob sie sich bei euch bewährt haben. Eure Kameraden von der Marine
haben diese Probe bereits bestanden, sie haben euch gezeigt, daß die Grundsätze
unserer Ausbildung gute sind, und Ich bin stolz auf das Lob auch aus Munde auswärtiger
Führer, das eure Kameraden draußen sich erworben haben. An euch ist es, es
ihnen gleich zu tun.
Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen
ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer
in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den
Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies
Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre uralte Kultur
stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen
im freundlichen Ertragen von Leiden, möge Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen
folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel.
Ihr wißt es wohl, ihr sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut
bewaffneten, grausamen Feind. Kommt ihr an ihn, so wißt: Pardon wird nicht
gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß auf tausend
Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Wahrt
Manneszucht. Der Segen Gottes sei mit euch, die Gebete eines ganzen Volkes,
Meine Wünsche begleiten euch, jeden einzelnen. Öffnet der Kultur den Weg ein für
allemal! Nun könnt ihr reisen! Adieu Kameraden!"
Die inoffizielle, aber korrekte Version der entscheidenden Textpassage
lautete wie folgt:
"Kommst ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird
nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt,
sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel
sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen
gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre
durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese
wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!"
(Die Reden Kaiser Wilhelms II., Hg. v. Johannes Penzler. Bd. 2: 1896-1900.
Leipzig o.J., S. 209-212. Abdruck der inoffiziellen Version in: Manfred Görtemaker:
Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien. Opladen 1996.
(Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 274), S. 357.)
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